INTERVIEW: Florence Welch von Florence + the Machine

INTERVIEW: Florence Welch von Florence + the Machine
Damals noch ein Newcomer: Mit ihrem ersten Longplayer "Lungs" hat Florence + the Machine nicht nur ein akustisches Märchenbuch erschaffen, sondern sie traten damals auch noch im Mascotte in Zürich auf... aus heutiger Sicht doch sehr sehr intim!

gay.ch hat es sich nicht entgehen lassen der Newcomerin - die von Kritikern bereits als punkige Kate Bush tituliert wird - in ihrer Tour-Residenz im Zürcher Niederdörfli einen Besuch abzustatten und mit ihr über ihre eigene kleine Welt zu sprechen.
 
Als erstes muss ich dich eine Standardfrage fragen. Warum nennst du dich selbst "Florence + the Machine"?
Es ist nicht so dass die Band "die Maschine' ist. Ich hatte den Namen schon bevor ich die Band hatte. Es ist eine Art Wortspielerei zwischen mir und meiner Freundin Isabella. Es dreht sich dabei um Computer; als wir in unserem Schlafzimmer-Studio, der winzigen Schuhschachtel, die Demos aufgenommen haben. Sie war ständig am Computer und sie machte alle Aufnahmen, spielte damit herum und ich sang oder schlug bloss an die Wand. Sie sass immer am Computer, daher habe ich auch den Namen genommen. Es musste einfach "Florence + the Machine' sein.

Es scheint als wäre dein Album "Lungs" eine Art Märchenbuch. Woher kommt die Affinität zu dieser Art von Songwriting?
Ich habe viel gelesen als ich ein Kind war und war sehr fantasievoll. Ich habe eine ziemlich düstere Imagination, die mich selbst erschrecken kann. Manchmal schlafe ich nachts immer noch mit Licht, weil ich manchmal denke, (beginnt angsterfüllt zu wispern) dass mir in der Ecke etwas auflauert (lacht). Manchmal denke ich an schlimme Sachen, aber das ist halt meine Art meine Fantasie zu benutzen. Vielleicht für einen guten Zweck und nicht nur, um mich selbst nachts zu erschrecken.

Ich hab irgendwo gelesen dass du am liebsten Songs schreibst wenn du betrunken bist. Erzähl mir etwas darüber.
(lacht) Ich denke ich war betrunken als ich das gesagt habe. Im Studio zu sein hindert einen manchmal daran richtig loszulassen und sich von all den Hemmungen zu befreien. Und manchmal ist es gut richtig sauer zu sein. Aber ich würde nicht sagen dass es unbedingt so sein muss. Ich würde sagen dass es den Gedankenfluss ein bisschen beeinflusst. Manchmal schreibst du dein bestes Stück wenn du einen Kater hast, einfach weil du denkst (seufzt und holt tief Luft), dass du dich jetzt einfach überwinden musst. Und es kümmert dich nicht gross was du machst, weil du dich eh schon komisch fühlst. Dann kommt der Blickpunkt auf das Wesentliche schon von alleine. Aber ich habe auch schon Songs die ich sehr mag in völlig nüchternem Zustand aufgenommen. Ich würde also nicht sagen dass man zwingend betrunken sein muss.

Wenn ich mir Songs wie "Girl With One Eye" oder "Kiss With A Fist" anhöre, denke ich, dass in Florence irgendwo noch eine wilde Seite steckt. Was macht dich richtig wütend und aggressiv?
Ich werde schnell sauer auf mich selbst. Ich würde also meine Aggressionen gegen innen richten. Wenn etwas Schlimmes passiert dann sag ich mir: FUCK! Ich denke dann OH MEIN GOTT! und werde richtig wütend auf mich selbst. Ich bin eigentlich keine zornige Person … (macht eine Pause und denkt nach) … wobei, ich habe einen Ex-Freund von mir geschlagen.

Warum das?
Oh mein Gott, er war vor meinem Haus, mitten in der Nacht… schreiend und ich (schreit kurz auf), ich meine wir schrien uns gegenseitig an, also habe ich ihm irgendwann eine reingehauen. Aber das ist wirklich die einzige gewalttätige Sache die ich gemacht habe. Ich bin eigentlich eine Pazifistin. Ich mag es nicht Gewalt auszuüben, deswegen mache ich es in meinen Songs. Das ist mein Ventil.

Mich nimmt es Wunder welcher Song dein persönlicher Favorit ist. Mit welchem verbindest du ein persönliches Erlebnis?
Es scheint als wäre "Cosmic Love" mein Lieblingssong, der Aufnahmeprozess insbesonders. Das war nämlich DER "Kater'-Song schlechthin! Das war das Lied, das aus meinem übelsten Suff entstanden ist. Und ich wollte nicht einmal ins Studio, aber Isabella wollte dass ich komme. Also legte ich mich auf ihren Fussboden und der Song kam wie aus dem Nichts. Er ist immer noch nirgends niedergeschrieben, weil alles so schnell ging und der Text plötzlich da war. Er hat sich quasi wie von selbst geschrieben. Alle Akkorde sind so simpel aber die ganze Sache kam einfach so zustande und ich war so froh, dass ich danach sagte YEAH, LASS UNS NOCHMALS SAUFEN! (lacht) Ich liebe den Song so sehr! Wir brachten ihn fertig! Es dauerte etwa eine Stunde und wir brachten ihn fertig! Und wir standen auf den Stühlen und rasteten völlig aus (lautes Gelächter von beiden Seiten bricht aus). Live performe ich "Between Two Lungs" am liebsten. Weil ich dann realisiere dass der Song so ziemlich das beinhaltet, was ich damals versucht habe zu erzielen. Nicht die Studio-Version, aber live… ich wollte dass der Sound einfach überwältigend klingt. Und ich denke live kann man das echt gut umsetzen.

Du hast auch eine Menge Cover-Songs aufgenommen wie bspw. "Hospital Beds" von The Cold War Kids. Ich frage mich welchen ABBA-Song du covern würdest.
Interessante Frage… (denkt nach)… ich versuche mich an einige zu erinnern. Der einzige der mir grade einfällt ist (fängt an zu singen) GIMME, GIMME, GIMME A MAN AFTER MIDNIGHT, WON'T SOMEBODY HELP ME CHASE THE SHADOWS AWAY … aber es gibt noch düsterere. Welche Songs sind noch von ihnen? Hilf mir.

Mamma Mia…
Nein…

Dancing Queen…
(blüht richtig auf) Oh ja, "Dancing Queen", ja definitiv!! Ich LIEBE diesen Song!! Ich erinnere mich; ich war 8 oder 9 Jahre alt als ich diese Polly Pocket Disco hatte. Du weisst schon, Polly Pocket… diese kleinen Spielsachen. Ich hatte Polly Pocket Disco im Kassettenrekorder und auf der Compilation war "Dancing Queen" drauf.

Du wirst heute Abend dein erstes Konzert im Mascotte hier in Zürich spielen. Hast du Zürich schon besichtigt?
Nein, ich bin hier nur mal rumgelaufen. Es ist sehr schön hier.

Und was hast du geplant um das Schweizer Publikum von dir zu überzeugen?
Oh, ich werde mich verkleiden und versuchen einige Geister auf der Bühne zu kanalisieren.

Also wird es…
Fiktiv! Ich will dass sich die Leute fühlen als wären sie Zeugen eines Exorzismus-Rituals (lacht).