Unmasked: "Ich arbeite jetzt meist in 12 bis 13 Stunden Schichten."
Kannst Du Dich selber kurz vorstellen.
Mein Name ist Joël Bayona und ich bin 25 Jahre alt. Geboren und aufgewachsen bin ich in der Stadt Zürich. Heute wohne ich in Winterthur, sowie in Baden bei meinem Freund. Ich wollte schon früh mit Menschen zusammenarbeiten, beziehungsweise auch Menschen in Schwierigkeiten helfen. So arbeite ich heute in einem Kinderheim in der Stadt Zürich.
Wie bist Du von der aktuellen Lage selber betroffen? Wie gehst Du damit um?
Mein Arbeitsplan wurde seit der Ausrufung des Notstands an die Massnahmen des Bundes angepasst. So arbeite ich bei 80% nur noch 2-3 Tage in der Woche und habe so häufiger freie Tage momentan, die ich hauptsächlich Zuhause verbringe. Letzten Freitag wurde ich von der Arbeit weggeschickt, da ich vermehrt hustete und den Schnupfen hatte. Da ich erste Anzeichen auf Corona zeigte, musste ich einen Covid-19-Test machen. Ich machte mir danach schon etwas Sorgen, war aber gut informiert und somit auch auf ein positives Resultat gefasst. Ich bekam glücklicherweise ein negatives Testergebnis. So konnte ich mich von meiner Grippe bereits schnell wieder genesen und gestern wieder arbeiten. Ich gehe generell ruhig mit der Situation um, kräftige täglich mein Immunsystem mit Tee, Vitaminen und ausgewogenem Essen. Dabei tun mir auch Homeworkouts und kurze Joggingeinheiten in der Natur sehr gut.
Als Mitarbeiter in einem Kinderheim: Wie hat sich dein Alltag verändert?
Momentan leben acht Kinder im Alter von 1-8 Jahren dort. Ich arbeite jetzt meistens in 12-13 Stunden Schichten, d.h. ich begleite die Kinder dann über ihren ganzen Tag hindurch. So erlebte ich die letzten Arbeitstage immer als sehr intensiv. Wir teilen die Kinder jetzt öfters für Aktivitäten in kleine Grüppchen, sodass nicht immer alle Kinder und Mitarbeiter aufeinanderhocken und auch genügend Zeit bleibt die Ämtlis zu erledigen. Bei uns wurde zusätzlich noch Personal mobilisiert, sodass unsere „Freizeit“ dafür gedacht ist, dass wir uns nach intensiven Schichten dazwischen gut erholen können. Soweit klappt das sehr gut und ich bin froh, dass alles so gut organisiert ist. Ich schätze es sehr, dass ich immer noch arbeiten gehen kann,da dies trotz der besonderen Lage etwas Normalität in meinen Alltag bringt.
Durch die aktuelle Situation hat sich der Umgang mit unseren Mitmenschen drastisch verändert: Wie spürst Du dies gerade auch im Umgang mit den Kindern, ihnen die Situation zu erklären, dürfte nicht eben einfach sein, oder im Umgang mit den Eltern?
Die Kinder gehen erstaunlich gut mit der momentanen Situation um. Je grösser sie sind, desto besser verstehen sie natürlich die Situation. Obwohl die Eltern und Angehörigen der Kindern momentan eine Besuchssperre aufgrund des Virus haben, beschweren sich die Kinder kaum. Wir haben bei uns Skype installiert, so können die Kinder oft mit ihren Eltern und Angehörigen skypen. Dies bereitet auch den ganz Kleinen Freude. Durch das, dass eine Besuchssperre herrscht, ist es auch etwas ruhiger geworden, was jedoch auch positiv ist. Da die vergangenen Elternbesuche die Kinder auch immer wieder aufwühlten und unruhig machten – natürlich auch wegen den schwierigen familiären Verhältnissen, nehme ich die meisten Kinder auch als etwas ruhiger wahr. Durch die Besuchssperre habe ich das Gefühl, dass wir noch näher zusammengerückt sind und ich die Kinder schon in dieser kurzen und intensiven Zeit noch etwas besser kennenlernen durfte.
Die Massnahmen des Bundes, in erster Linie zu Hause zu bleiben, dürfte für viele Familien, aber auch für euch im Kinderheim, nicht einfach sein und birgt einiges an Konfliktpotential: Spürt ihr dies bereits?
Da wir einen grossen Garten mit privatem Spielplatz haben, bereitet dies uns nicht so viel Sorgen. Da die Kinder genug Platz haben um sich auszutoben. Wenn wir aber die Kinder überhaupt nicht mehr nach draussen nehmen dürften, wäre dies sicherlich ein Problem. Da Kinder Bewegung und frische Luft brauchen, verstehe ich auch, dass es für die Familien auch nicht einfach ist. Die Kinder einfach zu Hause einzusperren, es sei den sie gehören zu einer Risikogruppe, ist auch keine gesunde Lösung.
Was wünscht Du Dir von uns allen und was würdest Du uns gerne mit auf den Weg geben?
Ich wünsche mir, dass ihr euch so gut es geht an die Massnahmen des Bundes haltet und keine Panik schiebt. Auch wenn ihr gerade nicht arbeiten könnt, versucht diese besondere Zeit auch zu geniessen in dem ihr Zeit für euch selber findet um euch was Gutes zu tun – sei es ein leckeres Abendessen oder ein spannendes Buch oder was weiss ich. Fokussiert euch nicht zu sehr auf die negativen Aspekte dieser besonderen Lage, sondern seht auch das Positive daran, so banal es auch klingen mag. Bleibt in Kontakt mit euren Liebsten, regelmässiger Austausch und verschiedene Perspektiven auf die besondere Lage zu sehen, gibt uns auch das Gefühl, dass wir nicht alleine sind und wir alle davon betroffen sind.