INTERVIEW: Francis Lee

INTERVIEW: Francis Lee
God’s Own Country ist ein Film über zwei Männer, welche sich in einem kargen Umfeld ineinander verlieben. Wir haben den Regisseur Francis Lee in Zürich getroffen.

Johnny (Josh O’Connor) trinkt sich das Leben auf der Farm seiner Familie mit Alkohol schön, doch auch der zwanglose Sex mit fremden Männer betäuben seien Alltagsfrust. Seit sein Vater einen Schlaganfall hatte, muss er sich nun alleine um die Farm kümmern, und deshalb holt er sich den rumänischen Gastarbeiter Gheorghe (Alec Secareanu) zur Seite. Daraus entwickelt sich alsbald eine intensive Beziehung, die alles auf den Kopf stellt.

Francis Lee ist seit anfangs Jahr auf der ganzen Welt unterwegs, um seinen Film zu promoten. Er hat auch in Zürich Zwischenhalt gemacht, wo wir ihm ein paar Fragen stellen konnten.

gay.ch: Aus welchem Grund hast du den Film chronologisch aufgenommen?
Francis Lee: Ich wollte, dass der Film so authentisch wie möglich ist. So bin ich auch mit den Jungs umgegangen: Als sie im Film noch nicht im gleichen Haus geschlafen haben, bestand ich darauf, dass sie während den Dreharbeiten nicht im gleichen Haus wohnen. Als sie im Film im gleichen Haus gewohnt haben, dann durften die Jungs im "richtigen Leben"ebenso im gleichen Haus wohnen. Zwischen dem ersten Cast und den Dreharbeiten hatten die Zwei keinen Kontakt. Mein Ziel war: Die Entwicklung zwischen den Figuren sollte sich so aufbauen, wie im Film.

Vor dem Drehen habe ich die Jungs - getrennt von einander - in einer Schaffarm arbeiten lassen. Damit ihre Bewegungen, ihr Umgang mit den Tieren authentisch wirkt.

Haben die Jungs zwischendurch sehen dürfen, was schon aufgenommen wurde?
Nein. Auch ich nicht: Ich habe alle gedrehte Szenen erst am Schluss gesehen. Ich wollte, dass wir uns nur auf das Spielen konzentrieren.

Wann haben die Jungs den Film überhaupt erstmals gesehen?
Sie haben die Rohfassung vor dem Sundance Film Festival gesehen. Ich habe ein Kino-Saal für sie organisiert und sie den Film alleine sehen lassen, also ohne mich.

Wie ist die Wahl auf die zwei Hauptrollen gefallen?
Josh O’Connor, der den Johnny spielt, habe ich durch eine Casting-Agentur gefunden. Mich hat fasziniert, wie unglaublich gut er schauspielern kann. Er ist das Gegenteil von Johnny: Fröhlich, offen, lustig… Als die Kamera an war, ist er sofort in die Rolle von Johnny geschlüpft. Alec Secareanu, der den Gastarbeiter Gheorghe spielt, habe ich durch eine rumänische Casting-Agentur gefunden.

Die Schauspieler mussten mir jeweils ein Video senden. Ich hatte bei Alec sofort das Gefühl, dass er zu Josh passt. Ich lud ihn deshalb nach London ein, wo er dann Josh kennengelernt hat. Sie bekamen von mir die Aufgabe, eine Szene zu spielen. 

Ich hab sie heimlich - nach dem Casting, beobachtet. Sie gingen zusammen in einer Bar etwas trinken. Ihr Umgang war so herzlich, dass ich wusste: Das passt!

Meiner Recherche nach, ist keiner der Jungs schwul. Hast du bewusst Schauspieler engagiert, die hetero sind?
Ich habe nicht danach gefragt, weil es keine Rolle spielt. Ich frage nie einen Schauspieler nach seiner sexuellen Ausrichtung. In diesem Film geht es um die Liebe, um die Umstände - und nicht um die sexuelle Ausrichtung.

Du kommst ja selbst aus der Gegend, wo der Film gedreht wurde. Hattest du die Locations schon vorab im Kopf?
Nicht alle. Den Bauernhof zum Beispiel, wo sich der Film hauptsächlich abspielt, habe ich erst finden müssen. Da einige Menschen meine Eltern kennen, wollte ich nicht, dass sie das Gefühl haben, dass ich das ausnutze. Es war mir wichtig, dass sie etwas davon haben. Wenn wir eine Szene mit dem Traktor drehen mussten, habe ich jedes Mal extra dafür bezahlt. Ich wollte die Menschen da nicht mit einer Pauschalen abservieren. Ich habe zur Hauptsaison gedreht: Da sind alle Schafe draussen. Der Bauer war sehr geduldig und kooperativ. Das hat die Dreharbeiten erleichert.

Es gibt im Film einige intime Moment, nicht nur zwischen den Jungs, zum Beispiel, als Johnny seinen kranken Vater in der Badewanne pflegt. Wie seid ihr mit solchen Szenen umgegangen?
Ich habe mich mit jedem Schauspieler vor den Dreharbeiten lange unterhalten. Wir haben quasi die Figuren zusammen erschaffen, Schritt für Schritt. Die intimen Szenen wurden, wie alle anderen, eingängig besprochen. Ich habe ihnen zu verstehen gegeben, dass ich ihnen - gerade bei solchen Szenen - als beschützendes Element zur Seite stehe.

God's Own Country - ab 16. November 2017 im Kino