INTERVIEW: Disco Wedding von Your Funny Uncle
Ein gebürtiger Basler mit italienischen Wurzeln und mit Wahlheimat Zürich, schwul und stolz drauf, politisch eher links. Inspiriert von Synthi-Pionieren wie Vince Clarke, Human League, Kraftwerk, Jean-Michel Jarre, Anne Clark oder Yello, hat er Your Funny Uncle auch einen Slogan verpasst, der sein Musikprojekt eigentlich ganz gut auf den Punkt bringt: Manchmal ist es Pop, manchmal ist es Kunst, und manchmal ist es einfach nur abgefahrener Electro-Sound, der sich nicht kategorisieren lässt.
Im Interview mit gay.ch spricht er von seinen Botschaften, welche er mit seinem Sound transportieren möchte, darüber, wie sich die Musikwelt seit den 90ern verändert hat, und welche Pläne er mit Your Funny Uncle noch verfolgt.
Du arbeitest bei Dr. Gay und der Aids-Hilfe, und gleichzeitig hast Du noch dein Musik-Projekt Your Funny Uncle. Gibt es da Parallelen oder Überschneidungen, oder trennst Du beides strikt?
Mir ist es wichtig, meine Tätigkeit als Dr. Gay bei der Aids-Hilfe Schweiz und mein Musikprojekt Your Funny Uncle strikt zu trennen. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun und bisher ist mir das eigentlich ganz gut gelungen. Da ich sowohl als Dr. Gay wie auch als Your Funny Uncle in der Öffentlichkeit stehe, kann ich es aber manchmal nicht ganz verhindern, wenn eine Verbindung hergestellt wird. Aber ich forciere diese nicht.
Was hat der Name des Musikprojekts für einen Hintergrund?
Your Funny Uncle ist der Titel eines eher unbekannten Songs der Pet Shop Boys. Als langjähriger Fan des Duos fand ich das ein passender und interessanter Name für ein Musikprojekt, insbesondere, wenn man den Hintergrund kennt. Es ist ein sehr ruhiger und emotionaler Song, indem Sänger und Autor Neil Tennant den Tod eines guten Freundes, der in den 80ern an Aids gestorben ist, verarbeitet. In den 80ern war Aids noch eine tödliche Bedrohung und eine grosse Anzahl der Betroffenen waren schwule Männer. Die Diagnose HIV-positiv kam damals einem Todesurteil gleich. Im Song geht es um die Beerdigung dieses Freundes und den Onkel des verstorbenen, ein pensionierter Armee-Offizier, der sehr konservativ war. Dort trifft und begrüsst er "mit militärischer Haltung" die jungen Freunde des Verstorbenen. Es liegt eine gewisse Ironie darin, dass dieser ältere, konservative Verwandte, der möglicherweise vielleicht selber schwul ist, die schwulen Freunde seines Neffen trifft, der in seinen besten Jahren gestorben ist. Es kann auch als Kontrast der schwulen Generationen gesehen werden - die ältere, unterdrückte Generation, die durch den "Funny Uncle" verkörpert wird, im Gegensatz zu der jüngeren, viel offeneren Generation, die durch den Verstorbenen sowie durch den Autor und die gemeinsamen Freunde repräsentiert wird. Neil Tennant las bei der Abdankungsrede ein Zitat aus der Bibel, welches er dann im Song verarbeitete. Es ist ein sehr bewegender und nachdenklicher Song.
Der Begriff "Funny Uncle" wurde früher vor allem in USA manchmal für jemanden verwendet, der zwar offensichtlich schwul war, aber man redete nicht darüber. Also der "komische Onkel", der nie eine Freundin oder eine Frau hatte, alleine lebt und witzig ist, weshalb Nichten und Neffen gerne Zeit mit ihm verbringen. Heute wird manchmal auch ein Zusammenhang zu Pädophilie konstruiert, was aber falsch und eher ein trauriges Zeichen unserer hypokritischen Gesellschaft ist. Auch dieser Hintergrund hat mich dazu bewogen, diesen Namen zu wählen. Ich finde es spannend, mit der Mehrdeutigkeit und vermeintlichen Tabuthemen zu spielen und der Gesellschaft einen Spiegel vorzulegen.
Ende Juli feierst Du den Release deines neusten Tracks Disco Wedding - passend zur Abstimmung über die Ehe für alle. Wie gehst Du an einen neuen Track wie diesem - war da zuerst das Thema, der Text oder zuerst die Musik?
Das ist unterschiedlich, aber bei Disco Wedding war zuerst das Thema da. Ich wusste, dass ich etwas zur Unterstützung eines Ja bei der Abstimmung zur Ehe für alle beitragen oder einfach darauf aufmerksam machen wollte. Die Reihenfolge war hier darum klar: zuerst das Thema, dann der Text und schlussendlich die Musik. Dabei war mir wichtig, das Thema möglichst einfach, positiv und fröhlich rüber zu bringen. Es ist ein Empowerment-Song, der direkt ins Ohr geht, aufstellt und Selbstsicherheit vermitteln soll. Ein typischer Synthpop-Track im Retrostil der 80er Jahre.
Dein aktueller Song heisst Rainbow Over Moscow: Wie suchst Du Dir deine Themen und die Botschaften aus, welche Du rüberbringen möchtest, und was ist dein Bezug zu Moskau?
Die Auswahl der Songthemen ist ziemlich spontan. Es sind Themen, die mich aktuell gerade beschäftigen. Beim Song 'Online' geht es zum Beispiel um den Einfluss des Internets oder Social Media und den damit einhergehenden Problemen wie Einsamkeit oder Verrohung, welche dieser technische Fortschritt zweifelsohne mit sich bringt. Ein wesentlicher Auslöser für die Wahl des Themas war wohl auch der Beginn der Corona-Krise im letzten Jahr, wo wir alle noch mehr als sonst in die virtuelle Welt gedrängt wurden. Ich beobachte auch einen steigend ruppigereren Umgang auf verschiedenen Social-Media-Kanälen, ebenso wie das unreflektierte Übernehmen von Meinungen jenseits der tatsächlichen Fakten. Im Schutze der Anonymität zeigt sich hier manchmal eine hässliche, mir bisher unbekannte Seite der Gesellschaft. Das ist erschreckend und angsteinflössend. Der Text zum Song 'Sand' wiederum ist eine Metapher zum Klimawandel, zurzeit auch ein sehr aktuelles Thema.
Mit 'Rainbow Over Moscow' möchte ich auf die unsäglichen Missstände von LGBTQ+ in gewissen Ländern aufmerksam machen, bzw. sie in Erinnerung rufen, und wie unsere Community für politische oder religiöse Zwecke missbraucht wird. Zu Moskau habe ich keinen speziellen Bezug. Die russische Stadt steht stellvertretend für Länder wie zum Beispiel auch Ungarn oder Polen. Ich hätte ebenso Budapest oder Warschau verwenden können. Und welcher Zeitpunkt eignet sich besser für eine Veröffentlichung dieser Art als der Pride-Monat? Der Song wurde in der Sendung "Gay Pop" auf QueerUp Radio als "neue Schweizer Pride-Hymne" gelobt. Das hat mich sehr gefreut. Manchmal sind die Tracks von Your Funny Uncle aber auch nur musikalische Beiträge, die keine tiefere Bedeutung haben, vielleicht höchstens zweideutig sind und einfach Spass machen sollen. Auch das scheint mir wichtig und darf sein. Manche Songs sind typische Popsongs, bei manchen liegt der Fokus mehr auf Electronic und andere gehen eher in Richtung Dance-Tracks. Oft ist es auch eine Mischung aus alldem. Ich nenne es electroArtPop.
Du bist seit den 90ern musikalisch aktiv: Wie hat sich die Musikwelt in dieser Zeit verändert? Einerseits ist es wohl durch Social Media einfacher die Musik an die Leute zu bringen, doch es ist wohl schwieriger tatsächlich gehört zu werden…
Es ist genauso wie du sagst. Heute besteht die Möglichkeit, dass eigene Songs übers Internet auf der anderen Seite der Welt gehört werden. Das Internet bietet für Musiker:innen eine gewisse Unabhängigkeit, wogegen früher ein Plattenvertrag, ein Label und ein Vertrieb essentiell waren. Das alles ist heute nicht mehr zwingend nötig. Dafür ist es aber schwer, in der Masse aufzufallen und gehört zu werden, weil die Auswahl riesengross ist. Es gibt viele gute Sachen, aber auch weniger gute. Für Interessierte ist es sehr schwierig, die guten Sachen ausfindig zu machen. Man sieht es zum Beispiel auch auf Google oder YouTube. Unter den unendlich vielen Beiträgen gibt es gute und schlechte. Die Kunst liegt wohl heute darin, die guten zu finden, bzw. in der Masse aufzufallen.
Und wenn es um das Produzieren von Musik geht?
Auch hier gab es massive technologische Fortschritte. War es früher nötig, für viel Geld ein Studio zu mieten und teures Equipment zu kaufen, ist heute die Musikproduktion mit simplen Programmen im Rechner oder sogar im Smartphone möglich. Auch sind Instrumente wie Synthesizer oder Drum Machines wesentlich erschwinglicher geworden. Viele der früheren Kult-Geräte, die damals zum Teil den Preis eines Kleinwagens hatten, sind heute für sehr wenig Geld als Plug-in für den Computer erhältlich. Allerdings beobachte ich einen Trend: das produzieren elektronischer Musik ohne Computer. Das heisst mit echten, physischen Geräten, die per MIDI kommunizieren und synchron laufen. Somit fällt die Abhängigkeit von Computern und Musikprogrammen, die alle paar Jahre ein Update benötigen, weg.
Manche Leute glauben ja, Musik mit Synthesizers, Samplern und Drum Machines sei keine "richtige" Musik und man müsse nur einen Knopf drücken, schon ist der Song fertig. Dem ist natürlich nicht so. Es braucht viel Finesse und Gespür, um verschiedene elektronische Geräte in Einklang zu bringen. Gerade die fast unbegrenzten Möglichkeiten machen es noch komplexer. Ebenso braucht es nach wie vor das Können, einen Song zu schreiben, diesen umzusetzen und zu realisieren. Von der Idee zum Text zur passenden Musik muss das Ganze dann auch noch zusammen funktionieren. Glaub mir, wenn es auf einem Gerät einen Knopf "Hit-Song" gäbe, ich hätte ihn schon mehr als einmal gedrückt (lacht).
Kann man Dich auch live sehen und was sind deine nächsten Pläne mit Your Funny Uncle?
Die Corona-Krise machte live-Auftritte für lange Zeit unmöglich. Jetzt, wo wieder alles langsam öffnet, bin auch ich offen für Live-Auftritte. Diese müssten dann aber im Rahmen von Festivals, Events, Partys oder als Opening Act stattfinden. Ich bin auf gutem Weg, Your Funny Uncle als Synthpop-Act zu etablieren, vor allem im Ausland. Bei einschlägigen Radiostationen hat Your Funny Uncle bereits einen Namen und wird rege gespielt. Die Stationen senden aus London, Mexico oder USA und können überall gehört werden, wo es Internet gibt. In einigen Sendungen konnte sich Your Funny Uncle bei Hörerabstimmungen und Charts immer wieder auf respektable Platzierungen freuen. Auch ist Your Funny Uncle auf der kommenden CD ‘electropop 20’ mit einem exklusiven Extended Mix von 'Online' vertreten. Obwohl physische CDs heute eher selten sind, ist die electropop-Serie sehr beliebt und eine in der Szene geschätzte und bekannte CD-Reihe, die es seit etlichen Jahren gibt. Auf all diese und viele weitere Errungenschaften bin ich ziemlich stolz. Sie sind alle auf meiner Webseite yourfunnyuncle.com unter News aufgeführt. Dort finden sich auch in Zukunft alle News zu Your Funny Uncle inklusive neuer Veröffentlichungen. Davon wird es in Kürze noch einige geben, denn es sind neue und interessante Songs in Arbeit. Ich freue mich jetzt schon, diese zu präsentieren.
Songtext zu Disco Wedding:
(Intro:)
Live happily ever after
And just the way you want
Let no one tell you different
The truth is that they can't
(Verse 1:)
There's so much more
Than boy meets girl
There's so much more
Than in your world
There's so much more
Than girl meets boy
There's so much more
To bring you joy
(Chorus:)
Live happily ever after
And just the way you want
Let no one tell you different
The truth is that they can't
Live happily ever after
And just the way you want
Let no one tell you different
The truth is that they can't
(Verse 2:)
Now share your rings
To show it's true
And share your love
I know you do
Cause Love is love
And that's a fact
They have no right
To hold you back
(Repeat chorus)
(Break:)
Discowedding
Fabulous setting
Gorgeous guest list
Spouses get kissed
Two dads, two moms
Parents, no harms
(repeat chorus)
Disco Wedding streamen und downloaden: Link
Mehr Infos zu Your Funny Uncle findest Du auf der Webseite oder in den Social Media-Kanälen:
Webseite: yourfunnyuncle.com
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