DEUTSCHLAND: Die Ehe wird für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet, aber...
Was Angela Merkel mit ihrem Interview mit der Zeitschrift Brigitte ausgelöst hat, war wohl nicht nur in ihrem Sinn: Sie erklärte die Ehe für alle zur Gewissensfrage der Abgeordneten der CDU/CSU, hob damit den Fraktionszwang auf und ebbnete damit den Weg für den weiteren Politprozess. Die SPD, die Grünen und die Linken standen bereits in den Startlöchern, kündigten einen Antrag zur Änderung der Tagesordnung von diesem Freitag im Bundestag an und damit verbunden die Abstimmung über die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Und damit setzte sich die SPD über den Koalitionsvertrag mit der CDU hinweg, da sie Merkels Aussage als Zugeständnis für die Ehe für alle ansahen.
Die erste Hürde, welche die Ehe für alle am Freitag nehmen musste, war der Antrag zur Änderung der Tagesordnung: Wäre dieser abgelehnt worden, wäre der Vorstoss bereits wieder vom Tisch. Die Abgeordneten im Bundestag stimmten dem Antrag aber vor allem durch die Stimmen der SPD, der Grünen und der Linken zu. Darauf folgte die Debatte mit zahlreichen Rednern, darunter auch Volker Beck.
Nach der Debatte folgte um 9 Uhr die Abstimmung: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dabei ihre Position nicht verändert und offensichtlich ein Nein in die Urne gelegt, wie Bilder aus dem Bundestag belegen. Den Befürwortern gelang es jedoch, eine überraschend deutliche Mehrheit zusammenzukriegen und so stimmte der Bundestag in einem historischen Urteil mit 393 zu 226 Stimmen bei vier Enthaltungen für die Öffnung der Ehe.
Im Anschluss an die Abstimmung erklärte Angela Merkel, dass sie sich für die vollständige Gleichstellung schwullesbischer Paare in Bezug auf das Adoptionsrecht ausspreche. Die Ehe sehe sie aber nur zwischen Mann und Frau, fügte sie hinzu, und deshalb habe sie gegen dieses Gesetz gestimmt. Ihr gleich taten es auch Finanzminister Wolfang Schäuble und Verkehrsminister Alexander Dobrindt. Andere hochrangie Unionsmitglieder wie etwa Kanzleramtschef Peter Altmaier, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Generalsekretär Peter Tauber, die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder und 71 weitere Parteimitglieder stimmten hingegen für die Öffnung der Ehe.
Obwohl der Bundestag der Ehe für alle zugestimmt hat, ist das Anliegen wohl noch nicht ganz durch. Verschiedene Stimmen, vor allem der Gegner, sind nämlich der Meinung, dass eine einfachgesetzliche Änderung des Bürgerlichen Grundgesetzes nicht reiche um die Ehe für schwullesbische Paare zu öffnen, sondern, dass es einer Verfassungsänderung, sprich einer Änderung im Grundgesetz bedarf. Dies wiederum würde eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag erfordern, und diese käme wohl nicht zu stande.
Justizminister Heiko Maas lehnte es ab, dass es einer Änderung im Grundgesetz bedarf. Gut möglich aber trotzdem, dass sich erst noch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit der Ehe für alle befassen muss, wenn die Gegner das Gesetz nämlich anfechten. Dann besteht die Chance, dass das Gesetz als verfassungswidrig wieder kassiert wird. Was das Anliegen wieder zurück in den Bundestag bringen würde, wo nun die Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich wäre.
Gegenüber dem Spiegel erklärte der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, dass seiner Meinung nach eine Änderung des Grundgesetzes nötig sei, und das könne der Gesetzgeber nicht machen. Die Ehe sei eine Vereinigung eines Mannes und einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft: Dies habe das Bundesverfassungsgericht mehrfach betont und entsprechend so entschieden. Da könne auch der Wandel im Zeitgeist nichts ändern. Demnach herrscht nach der jetzigen Debatte und der Abstimmung eine Rechtsunsicherheit und es ist gut möglich, dass die Richter in Karlsruhe der Ehe für alle in Deutschland doch noch den Riegel schieben...