SCHWEIZ: Gays & Blutspenden - Interview mit Angelo Barrile

Schwule sollen nur dann Blut spenden, wenn sie ein Jahr lang keinen Sex mehr hatten. Wir haben nachgefragt.

Heute beantwortet unsere Fragen Angelo Barrile (barrile.ch), Hausarzt und Kantonsrat.

In der Schweiz dürfen schwule Männer nicht Blut spenden. Ist das gerechtfertigt?
Wenn man den Fragebogen für die Blutspende anschaut, dürfen Männer, die nach 1977 mit anderen Männern Sex hatten, kein Blut spenden. Als diese Regelung erlassen wurde zu Beginn der AIDS-Epidemie, war noch vieles über die Übertragung wie auch die Zeitverzögerung zwischen Ansteckungszeitpunkt und Ausbruch nicht bekannt. Zudem waren die Tests deutlich weniger zuverlässig als heute. Seither hat sich aber viel verändert: heute kennt man HIV wie auch andere Infektionskrankheiten und ihre Übertragungswege sehr gut und die Tests weisen eine Infektion bereits nach wenigen Wochen zuverlässig nach. Die heutige Regelung, die uns schwulen Männern das Blutspenden untersagt, auch wenn wir die Safer Sex-Regeln seit Jahrzehnten strikte befolgen, ist nicht mehr gerechtfertigt.

Findet Deiner Meinung nach eine Diskriminierung von Schwulen statt?
Ja, ganz klar! Zwar ist statistisch gesehen bei Gays das Erkrankungsrisiko deutlich höher als bei Hetis, aber man könnte hier differenzierter fragen. Beispielsweise wie es für die SpenderInnen mit heterosexuellem Sexleben gilt: lebt man in einer festen Beziehung, wann war der letzte ungeschützte sexuelle Kontakt ausserhalb der Beziehung, usw. Diskriminierend finde ich hier, dass bei den Hetis den eigenen Aussagen vertraut wird, bei uns nicht.

Diese Woche wurde bekannt gegeben, dass das Spendeverbot aufgehoben bzw. angepasst werden könnte. Was meinst Du dazu?
Zuerst habe ich gedacht: endlich! Dann aber habe ich weitergelesen. Diese Regelung mit der 1-jährigen Sexkarenz und dass man dies bezeugen soll, ist doch ein Witz! Wie soll man das anstellen? Muss ich vor ein Notariat? Auch hier gilt für mich: wieso soll für uns Schwule eine andere Regelung gelten?

Wie ist das mit den heutigen HIV- und Hepatitis-Tests: sind diese sicher?
Es gibt ein sogenanntes diagnostisches Fenster, das ist der Zeitpunkt zwischen Ansteckung und Nachweisbarkeit im Blut. Dies beträgt heute einige Wochen, in der Praxis sagen wir 3 Monate, dann sind wir auf der sicheren Seite. Dies sollte auch für die Blutspende gelten. Von mir aus kann man die Sperrfrist auch auf 6 Monate festlegen, aber eben für alle sexuellen Orientierungen.

Hast Du schon einmal Blut gespendet?
Ja, bevor ich zum ersten Mal Sex hatte, danach durfte ich nicht mehr, auch wenn ich gerne würde. Da denke ich immer wieder: wenn sie mein Blut nicht wollen, dann sollen sie sich auch nicht jeden Sommer beklagen, sie hätten zu wenig Blut...