SCHWEIZ: Gays & Blutspenden - Interview mit Hans Peter Waltisberg
Heute beantwortet Hans Peter Waltisberg vom Checkpoint, Bereich MSM, unsere Fragen.
Länder wie Argentinien haben das Blutspendeverbot für Schwule aufgehoben. Warum folgt die Schweiz diesem Beispiel noch nicht?
Es gibt mehrere Länder, die inzwischen das generelle Blutspendeverbot für Männer, die Sex mit Männern haben, aufgehoben haben. Letztendlich geht es darum, einen möglichst sicheren Blutkonservenvorrat zu garantieren. Um dies zu sichern werden zwei Pfeiler angewendet: das konsequente Testen des gespendeten Bluts mit den bestmöglichen Methoden und die Selbstdeklaration der individuellen Blutspender in Bezug auf das Risikoverhalten oder eben im vorliegenden Fall auf Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsgruppe.
Dank dieses Vorgehens haben wir in der Schweiz eine sehr hohe Sicherheit bei den Blutkonserven. Und Swissmedic, die für die Regelung zuständig ist, fürchtet sich davor an diesem System etwas zu verändern. So im Stil von "Never touch a running machine" Aber wir haben heute neue Erkenntnisse, neue Testmöglichkeiten und darum muss über die Bücher gegangen werden. Das hat im Übrigen sogar der Ständerat schon 2013 verlangt.
Wie will man so etwas überhaupt kontrollieren?
Bei der Selbstdeklaration muss man sich auf die Ehrlichkeit, aber auch das Erinnerungsvermögen und die Auskunftswilligkeit der Befragten verlassen können. Diese Informationen können nicht kontrolliert werden. Deshalb sollte die Selbstdeklaration so gestaltet sein, dass sie für den Blutspender auch sinnvoll auszufüllen ist.
Der 1-Jahr-ohne-Sex-Vorschlag: Welche Personen oder Instuitionen stehen dahinter und wann tatsächlich kam dieser Vorschlag das erste Mal zur Sprache?
Der 1-Jahr-ohne-Sex-Vorschlag ist in anderen Ländern seit einiger Zeit schon Regel, so etwa in Grossbritannien. In der Schweiz hat nun das Schweizerische Rote Kreuz (SRK), die wichtigste Organisation, wenn es um Blutspenden geht, diesen Vorschlag als Gesuch an Swissmedic gestellt und Swissmedic ist letztendlich die Instanz, die entscheiden kann.
Heteros haben auch ungeschützten Sex... Weshalb wird dies nicht ebenso berücksichtigt... Oder wie geht man eigentlich damit bei der Blutspende um?
Bei Heteros wird nach Risikosituationen gefragt. Bei Männern, die Sex mit Männern haben, fragt man gar nicht nach Risikosituationen, sondern schliesst sie generell aus, absurderweise auch diejenigen Männer, die angeben, einfach irgendwann, vielleicht vor 10 oder 15 Jahren mal Sex mit einem Mann gehabt zu haben. Da liegt eine Diskrepanz, die nicht mit einer Sicherheitsmaxime gerechtfertigt werden kann.
Kann man bei dem Blutspende-Ausschluss nicht über Diskriminierung sprechen?
Diskriminierend ist das auf jeden Fall. Aber der generelle Ausschluss ist mehr als das, er ist vor allem unnötig diskriminierend.
Welche Regelung würde sich Checkpoint für die Zukunft wünschen und wie könnte man diese erreichen?
Es geht in jedem Fall darum, die sehr hohe Sicherheit der Blutkonserven in der Schweiz zu erhalten. Das ist das oberste Ziel. Und dieses Ziel muss erreicht werden, indem die technischen Möglichkeiten (Labortests etwa) ausgeschöpft – das passiert auf jeden Fall schon – und die Regeln bei der Selbstdeklaration der Blutspender diesen aktuellen technischen Möglichkeiten angepasst werden. Dann bekommt man von den Befragten auch zuverlässige Informationen, mit denen die Sicherheit der Blutprodukte garantiert werden kann.
Die vom SRK vorgeschlagene Lösung – kein (auch geschützter) Sex während eines Jahres – ist kein gangbarer Weg. Wer kann sich denn bitte erinnern, was er alles in den letzten 12 Monaten gemacht hat? Man bekommt mit so einer Frage keine zuverlässigen Antworten. Zudem schliesst man damit sowieso praktisch alle schwulen Männer aus.
Wir haben heute verbesserte Blutanalysemöglichkeiten, die HIV schon sehr früh mit Sicherheit nachweisen können. Die Wartefrist für eine Blutspende nach einer HIV-Risikosituation soll deshalb auch diesen neuen Möglichkeiten angepasst werden. Die genaue Festlegung dieser Wartefrist überlasse ich den Experten, aber ein Jahr ist definitiv zu viel, das liegt eher bei drei Monaten oder eventuell sogar darunter. Und dann muss der blutspendewillige Mann nach Risikosituationen gefragt werden, nicht nach "Sex - auch geschützter - mit einem Mann", sondern nach Analverkehr ohne Kondom.