SCHWEIZ: Heaven Club bildet Awareness Teams um seine Gäste zusätzlich zu schützen

SCHWEIZ: Heaven Club bildet Awareness Teams um seine Gäste zusätzlich zu schützen
Die Gewalttaten gegen LGBTI+ in Zürich, insbesondere im Niederdorf, erschüttern derzeit die Community. Im Interview mit gay.ch erklärt Marco Uhlig vom Heaven, wie er sich unermüdlich für die Sicherheit seiner Gäste einsetzt, aber weshalb sie trotzdem nicht vor dem Club stehen bleiben dürfen, und wie er mit neuen Awareness Teams für zusätzliche Sicherheit vor Ort sorgen möchte...

Es sind Fragen, welche Marco Uhlig derzeit häufig zu hören bekommt: Wieso schickt ihr eure Gäste ausgerechnet in Richtung Hirschen- und Zähringerplatz weg, wenn sie etwas frische Luft schnappen oder die Ruhe draussen vor dem Club geniessen wollen? Und tatsächlich: Auch für Marco und sein Team vom Heaven Club im Zürcher Niederdorf ist dies alles andere als eine befriedigende Lösung. Sie befinden sich selber in einer Zwickmühle, sind es doch gerade jene Plätze, welche in den letzten Wochen vermehrt wegen LGBTI+ feindlichen Übergriffen in den Medien waren. Weshalb er die Gäste aber trotzdem wegschicken muss, erklärt er uns im nachfolgenden Interview. Auch zeigt uns Marco auf, wie er die aktuelle Situation mit neuen Awareness Teams, welche ab dem kommenden Wochenende jeweils im Einsatz sein werden, beruhigen möchte, und was er von der Zürcher Stadtpolizei in Bezug auf die jüngsten Vorfälle im Niederdorf erwartet.

gay.ch: Ab dem kommenden Wochenende habt ihr neu Awareness Teams vor dem Club im Einsatz: Welche Aufgaben werden diese Personen übernehmen?


Marco Uhlig: Wir haben das Glück, sehr treue Gäste und ein sehr starkes Gemeinschaftsgefühl zu haben. Unser Awareness Mitarbeiter soll dem Sorge tragen und ein starkes Zeichen setzen, sowie Präsenz markieren. Ich kenne das schon von vielen Festivals und möchte es an unsere Situation adaptieren. Es wird auf den Plätzen einen Ansprechpartner geben, der während der Nacht draussen patrouilliert und auch Auffälligkeiten sofort an mich und die Security per Funk rapportiert. Vor allem fehlen bis jetzt immer auch Fotos oder Videos von den Tätern. Das könnte ebenfalls von dem Awareness Team übernommen werden. Denn die Täter finden, anzeigen und bestrafen, ist der beste Weg. Obwohl wir hier teils Aufgaben der Polizei übernehmen, haben wir auf dem öffentlichen Platz keine grossen Befugnisse. Aber sobald unser Team eine auffällige Gruppierung entdeckt, können wir die Stadtpolizei hinzurufen und sie können eingreifen. Es ist ein Pilotprojekt und wir werden die Aufgaben immer wieder anpassen, so dass sich alle im Niederdorf wohlfühlen können.

Viele Gäste verstehen nicht, weshalb sie gerade in Richtung Hirschen- oder Zähringerplatz weggeschickt werden, wenn sie doch vor dem Heaven in der Nähe der Security bleiben könnten: Kannst Du uns erklären, weshalb das so ist, und weshalb ihr das sogar so machen müsst? 
Für die jetzige Lage wäre es uns auch lieber, könnten alle Gäste vor dem Club in sicherer Distanz bleiben. Denn im Club oder davor hatten wir noch nie Probleme mit Gewalt. Jedoch müssen wir sogar alle vom Eingang weit wegschicken, denn es gibt einen behördlichen Grund. Gegenüber vom Club wohnt eine Nachbarin, die sehr viele Lärmklagen gegen uns eingereicht hat. Mitunter hat es eben dazu geführt, das uns die Lärmpolizei unter anderem die Auflage gemacht hat, unsere Gäste vom Eingang wegzuschicken, damit sie nicht vor dem Clubeingang stehen. Die Gefahr, dass die Geräuschkulisse zu laut wird, wäre zu gross. Einerseits respektieren wir natürlich die Nachtruhe unserer Nachbarn und ergreifen alle Massnahmen um ein gutes, respektvolles Miteinander in der Spitalgasse zu haben. Andererseits, wollen wir natürlich keinen Stress mit der Lärmpolizei, die uns schon angedroht hat, unsere Schliessungszeiten auf Mitternacht zu reduzieren. Womit wir dann nur noch eine Stunde offen hätten und der Clubbetrieb schlichtweg nicht mehr möglich wäre. Wir sind diesbezüglich grad in einer Zwickmühle.   

Kannst Du uns etwas über die Opfer der LGBTI+ feindlichen Gewalt sagen: Wen betrifft es in besonderem Masse und weshalb? 
Mir fällt auf, das es sich meistens um sehr junge Personen handelt. Zumindest im Niederdorf und bei Vorfällen am HB und am Central. Um eben solche, die auch noch nicht die Mittel haben, per Taxi oder Uber zum Club hin- oder davon wegzufahren. Aus anderen Kreisen höre ich genau Gegenteiliges. Bei den Jungen hat es sicher auch etwas damit zu tun, das sich die Tätergruppen gerne vermeintlich leichte Opfer suchen. Meistens braucht es dann nur noch ein falsches Wort oder ein falscher Blick und schon passiert es. Man wird beleidigt, angespuckt, einem wird das Bein gestellt, getreten oder geschlagen. Zudem werden wir Queers immer sichtbarer. Was prinzipiell sehr gut ist, aber wir werden es eben auch für solche gewaltbereiten Gruppen. Es sind übrigens immer Gruppen und meistens immer welche, die alkoholisiert sind. Die Probleme mit den 24h Shops, wo sich solche Menschen treffen um dann herumzuziehen, sind in der ganzen Stadt sichtbar.  

Fühlst Du dich aktuell auch etwas alleingelassen durch die Polizei? 
Ich persönlich habe Zeiten erlebt, wo es noch schlimmer mit den Angriffen war. Das ist einige Jahre her und ich spreche, glaube ich, für die gesamte Community, wenn ich sage, das wir diese Zeiten nicht mehr zurückhaben wollen. In meiner Heimat Berlin sind es letztes Jahr über 300 gemeldete homophobe Übergriffe gewesen. Die Dunkelziffer ist um einiges höher. Ich will nicht, das es soweit kommt in Zürich. Daher setze ich mich grad so stark dafür ein, das die Polizei die Lage nicht unterschätzt und Massnahmen ergreift. Natürlich hatte ich den Moment, wo ich dachte, „Messerattacke, what?, Wo wird das hinführen?" und mich alleine gelassen fühlte. Die richtigen Kontakte zu befreundeten Politikern und Polizisten, haben mir dann aber geholfen. Anfangs war das Gefühl aber schon da, wo keiner auf uns vom Heaven zukam, obwohl das in unserem näheren Umfeld und mit unseren Gästen passiert ist. Die Berichte in den Medien haben wohl auch ihren Teil dazu beigetragen, das sich dies schnell änderte. Das Thema lässt sich nun nicht mehr wegdiskutieren und es ist Fakt. Die Polizei muss spürbar mehr Präsenz markieren und die möglichen Täter davor abschrecken, einfach alles machen zu können nachts im Niederdorf. Von der Polizei gibt es bereits äusserst positive Signale, und sie behandeln das Anliegen seit dem vorletzten Fall prioritär und gehen gegen die Täter vor. Wir werden ebenfalls nicht locker lassen und weitermachen. Das sind wir unseren Gästen schuldig.

INFOBOX:
Wurdest Du beschimpft oder hast Du gar LGBTI+ feindliche Gewalt im Ausgang erlebt? Dann zögere nicht und hole Dir unbedingt Hilfe. Sowohl die Clubbetreiber, wie auch die Partyveranstalter in Zürich sind gerne deine Anlaufstelle, bei denen Du dich direkt nach Übergriffen melden und Hilfe suchen kannst.

Unter folgendem Link findest Du wichtige Hinweise, wie Du Dich bei oder nach einem Übergriff am Besten verhältst. Zudem findest DU hier auch alle Adressen und Anlaufstellen, an welche Du dich bei/nach einem Übergriff wenden kannst...