SCHWEIZ: Léa Spirig über ihr Engagement als Künstlerische Leiterin beim Casinotheater Winterthur
Das Ende von Gesichter & Geschichten beim Schweizer Fernsehen SRF kam für alle überraschend, auch für Léa Spirig. Als Macherin der Sendung hatte sie ihre eigene Rubrik Lealität, in der sie jeweils queere Menschen porträtierte. Als die Entscheidung bekannt gemacht wurde, wusste sie zwar bereits, dass sie das SRF ohnehin verlassen wird, doch es fiel ihr damit noch schwerer, da es ihr bewusst wurde, dass dieses Format mit all seiner Vielfalt nicht weiter bestehen wird.
Seit einigen Monaten arbeitet Léa nun als künstlerische Leiterin beim Casinotheater in Winterthur und ist dabei unter anderem für die Programmgestaltung zuständig. Damit kehrt sie quasi wieder zu ihren Wurzeln zurück, denn ihre berufliche Laufbahn begann ebenfalls in einem Theater.
Im Interview mit gay.ch sprach Léa nun über das Ende von G&G, über den Einfluss der ganzen Wokeness-Debatte auf ihre Arbeit und auch über ihre Pläne für das Casinotheater Winterthur.
gay.ch: Und, bist Du gut beim Casinotheater in Winterthur gestartet?
Léa Spirig: Ich habe sehr gut gestartet beim Casinotheater. Der Job macht grossen Spass und verbindet auch all meine Skills. Er ist quasi eine Konsequenz meiner gesamten Laufbahn, die beruflich ja auch im Theater begann, dann übers TV mit viel Kulturberichterstattung mich wieder zurück zum Theater führt. Der Job ist kreativ, vielseitig und ich umgebe mich mit toller Kunst, viel Humor und geistreichen Menschen- was gibt’s schöneres?
Wie hast Du das Ende von G&G empfunden, auch die grosse Solidarität?
Die Absetzung war hart und für mich ist sie nach wie vor unverständlich- durch die Absetzung der Sendung verlieren so viele Kleinkünstler:innen ihr Fenster zur Zuschauerschaft. Zudem hat mich als Macherin dieser Sendung das Aus auch persönlich getroffen, wenngleich ich schon wusste, dass ich gehe, so hätte ich mir gewünscht, dass die Sendung in ihrer Vielfalt weiterbesteht. Es kam sehr überraschend für uns, für die Kulturlandschaft und auch für die Zuschauenden. Die Solidarität war riesig, wenngleich es leider nichts geholfen hat und ich immer noch so viel mehr Fragen als Antworten zu dieser Thematik habe.
Wie gehst Du mit der ganzen Wokeness-Debatte um, welche ja gerade auch den Kulturbereich trifft?
Mich langweilt die Debatte darum. Für mich ist es selbstverständlich, dass wir als Theater wach sind, rassistischen, sexistischen, queerfeindlichen, ableistischen und Diskriminierungen keine Bühne geben. Das gehört für mich zur DNA des Theaters dazu. Ich finde das Bewusstsein immens wichtig, eine konsequente Haltung selbstverständlich.
Hat es einen Einfluss auf eure Programmgestaltung?
Ich will diskriminierenden Inhalten keine Bühne geben, insofern hat das auf die Programmierung schon einen Einfluss. Aber wir als Haus werden jetzt auch nicht überrannt, von Künstler:inen, deren Inhalte abwertend sind. Dies sicher auch deshalb, weil das Haus halt schon immer für guten, gepflegten und stilvollen Humor stand. Ich bin als lesbische Frau auch darum bemüht, dass ab und zu ein queerer Akzent in unserem Programm zu sehen ist. So werden wir zum Beispiel im nächsten Frühling die Komödie "Vier werden Eltern" nach Winterthur holen. Darin geht es um Regenbogenfamilien und um ein schwules Paar, das Eltern werden will. Ab dem Sommer haben wir das mixed Show Format «Boudoir Bizarre» im Haus, das auch Drag Queens eine Bühne gibt. Kleine, regenborgenschimmernde Farbtupfer sind für mich wichtig.
Wie blickst Du diesbezüglich in die Zukunft?
Als ehemalige Journalistin bin ich an der politischen Stimmung, an Diskursveränderungen im Land interessiert und als Mensch oft auch besorgt. Umso schöner ist es, im Theater eine Oase zu schaffen, wo man in eine andere Welt abtauchen, zusammen lachen und bestenfalls auch über wichtige Themen nachdenken kann, weil Humor ja oft mehrschichtig ist und auch zur Reflexion anregen kann und soll.
Herzlichen Dank für das Interview!