SCHWEIZ: Politische Schicksalswoche für LGBT

SCHWEIZ: Politische Schicksalswoche für LGBT
Der Nationalrat entscheidet in dieser Sessionswoche über zwei für LGBTI wichtige Geschäfte. Werden sie abgelehnt, wirft dies die Gleichstellungsbemühungen von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transmenschen um Jahre zurück. Die Schweizer LGBT-Dachorganisationen Pink Cross, die Lesbenorganisation Schweiz LOS und Transgender Network Switzerland fordern ein entschlossenen Handeln und warnen vor dem drohenden Rückschritt.

Am Mittwoch entscheidet der Nationalrat über die Motion 16.3626 RK-NR. "Konkreter Aktionsplan für den Schutz vor Diskriminierung". Der Bundesrat wird darin ersucht, auf der Grundlage des Berichtes und der Empfehlungen der Studie "Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen" des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte (SKMR) einen konkreten Aktionsplan zur Behebung der aufgezeigten Mängel auszuarbeiten. Die vom Bundesrat in Auftrag gegebene Studie gelangt zum Schluss, dass der Diskriminierungsschutz im schweizerischen Recht grösste Lücken beim Schutz von LGBTI-Menschen aufwirft.

Trotzdem erachtet der Bundesrat einen konkreten Aktionsplan als nicht notwendig und verweist auf bereits laufende Geschäfte. Er vergisst oder ignoriert dabei, dass auch mit laufenden Geschäften weiterhin grosse Lücken bestehen bleiben, unter anderem bei folgenden Themen:

- fehlende Sichtbarkeit von LGBTI, insbesondere von Transmenschen und intersexuelle Personen in der Gesetzgebung
- Rechtsunsicherheit aufgrund fehlender Schutznormen und umfassender Rechtsprechung für LGBTI
- fehlender Schutz von LGBTI-Personen im Privatrecht
- einzelne Spezialgesetze wie das Partnerschaftsgesetz sorgen für neue Benachteiligungen
- Kein Schutz vor nicht-individualisierter Persönlichkeitsverletzung
- Lückenhafte Rechtsordnung
- Kantonale Unterschiede
und vieles mehr

Die LGBT-Dachverbände fordern deshalb Bundesrat und Nationalrat eindringlich auf, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen und den Vorschlag der Rechtskommission, mit einem Aktionsplan die weiteren Schritte zu planen anzunehmen. Der gleiche Zugang zum Recht für alle Menschen ist ein zentrales Anliegen jedes liberalen Rechtsstaates.

Henry Hohmann, Präsident von Transgender Network Switzerland, sagt: "Es darf nicht sein, dass LGBTI-Minderheiten in der Schweiz in bestimmten Bereichen rechtlich nicht geschützt sind."

Erweiterung Anti-Diskriminierungsgesetz

Am Freitag entscheidet das Nationalrat über die Pa.Iv. 13.407 Reynard, "Kampf gegen die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung". Hier geht es um die Fristverlängerung um zwei Jahre dieser in erster Phase bereits angenommenen Initiative, die den Artikel 261bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches mit der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidenität ergänzen will. Wird die Fristverlängerung nicht angenommen, wird eines der Hauptanliegen von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transmenschen in der Schweiz um Jahrzehnte zurückgeworfen. Die aktuelle Rechtslage bietet keine Möglichkeit, gegen pauschalisierte, allgemeine herabwürdigende Äusserungen vorzugehen. Wenn keine individualisierbaren Personen genannt werden, welche eine Ehrverletzung gemäss Art. 173 ff. StGB bzw. Art. 28 ZGB geltend machen können, bleiben entsprechende Aussagen ohne rechtliche Konsequenzen.

Solange das Anti-Diskriminerungsgesetz in seiner aktueller Form besteht, ist es von elementarer Bedeutung, auch LGBTI zu inkludieren.

"Es mag sein, dass gewisse Politikerinnen und Politiker den Gesamtartikel in ihrer liberalen Haltung ablehnen», sagt Bastian Baumann, Geschäftsleiter von Pink Cross. «Wer sich aber nun dagegen wehrt, dass LGBTI in diesen Schutz eingeschlossen werden, befürwortet im Umkehrschluss nichts anderes als die weiterhin bestehende Diskriminierung von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transmenschen."

Gemäss Barbara Lanthemann, Geschäftsleiterin der LOS, darf nicht vergessen gehen, dass auch heute immer noch viele LGBT Menschen unter Diskriminierung stark leiden und unter grossem gesellschaftlichen Druck stehen. Die LGBT-Dachverbände appellieren eindringlich, die Fristverlängerung anzunehmen.