SCHWEIZ: Zurich Pride Festival 2017 steht im Zeichen der LGBT+-Flüchtlinge
Das Zurich Pride Festival stellt sich mit der Wahl des Mottos 2017 ganz klar auf die Seite jener Menschen, welche aufgrund ihrer sexuellen Orienierung oder ihrer Geschlechteridentität aus ihrer Heimat flüchten mussten. Dabei geht es bei weitem nicht "nur" um die Flüchtlinge, welche uns derzeit aus dem Nahen und dem Mittleren Osten erreichen, sondern, noch immer wird Homosexualität in über 80 Ländern auf dieser Welt kriminalisiert. Aus diesem Grund ist der Vorstand des Zurich Pride Festivals überzeugt, dass diese Menschen Schutz brauchen - und zwar ohne Wenn und Aber.
Die Zurich Pride Week findet in diesem Jahr vom 2. bis zum 11. Juni statt. Das Pride Festival am 9. und 10. Juni, mit der Demonstration am 10. Juni.
Als Begründung für die Wahl des Mottos schreiben die Organisatoren:
Seit dem zweiten Weltkrieg waren nicht mehr so viele Menschen auf der Flucht wie heute. Die Menschen flüchten vor Krieg, Unruhen, Verfolgung, Folter und anderen lebensbedrohlichen Situationen. In Europa ist eine heftige Debatte darüber entbrannt, wie wir mit Menschen auf der Flucht umgehen sollen. Die Diskussion läuft emotional, die Fronten sind verhärtet. Wenig thematisiert in dieser Debatte wird hingegen, dass Menschen auch flüchten, weil sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder/und Geschlechtsidentität verfolgt werden oder bedroht sind.
Auch in der Schweiz gibt es viele Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität aus ihrem Heimatland flüchteten. Diese Menschen sind hier in der Schweiz mit vielfältigen Problemen konfrontiert, auch im Asylverfahren. Viele empfinden tiefe Scham, sich über ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität, aber auch erlebte (sexuelle) Gewalt, gegenüber einer Behörde zu äussern, beispielsweise wenn die dolmetschende Person aus demselben Kulturkreis oder Land stammt. Sie verschweigen den wahren Asylgrund zu Beginn und können oftmals erst darüber sprechen, wenn es für das Asylverfahren aus Sicht der Behörden zu spät ist.
Anschluss an Schweizer Gesellschaft schwierig
In den Asylunterkünften sind diese Menschen ebenfalls oft isoliert und leben in ständiger Angst, dass ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität bekannt wird. Für Transmenschen kann allein schon die Nutzung der WCs und Duschen gefährlich sein und wird daher vermieden – mit den entsprechenden gesundheitlichen Folgen. Brauchen Transmenschen eine medizinische Geschlechtsangleichung, so erhalten sie meist keine oder erst mit grosser Verzögerung Zugang dazu.
Für LGBT-Geflüchtete ist es sehr schwierig Anschluss an die Schweizer Community zu finden. Denn die meisten haben kein Geld, um an Community-Events teilzunehmen oder nur schon dorthin zu gelangen. Hinzu kommt Gewalt und Hassreden - teilweise gar aus der LGBT-Community.
Obschon unbestritten ist, dass in vielen Ländern Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität bedroht, verfolgt und geächtet werden, kennt das Schweizer Asylgesetz keinen expliziten Fluchtgrund aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität. Während im Asylgesetz ein Hinweis zu frauenspezifischen Fluchtgründen vermerkt ist, fehlt ein solcher Hinweis in Bezug auf LGBT-Fluchtgründen. Entsprechend schwierig ist es für LGBT-Asylsuchende Schutz in der Schweiz zu erhalten. Immer wieder werden Asylgesuche abgelehnt mit skandalösen Begründungen, wie beispielsweise «man müsse sich halt diskret in seinem Land verhalten» oder obschon Homosexualität in einem Land unter Strafe gestellt ist, hätten die LGBTs dort nichts zu befürchten.
Die Zurich Pride fordert in aller Deutlichkeit:
- Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität flüchten, müssen in der Schweiz als Flüchtlinge anerkannt werden.
- Der besonderen Situation von LGBT-Asylsuchenden ist Rechnung zu tragen. So müssen die Befragungen von geschultem Personal durchgeführt werden, welches die nötige Sensibilität hat. Dies gilt auch für die dolmetschenden Personen.
- Kein Asylgesuch darf mit der Begründung abgelehnt werden, dass sich die Person im Heimatland diskret verhalten kann.
- Wenn homosexuelle Handlungen in einem Land unter Strafe gestellt werden, reicht dies als Fluchtgrund, unabhängig davon, wie häufig die Strafen tatsächlich verhängt werden.
- LGBT-Asylsuchende werden in für sie sicheren Unterkünften ausserhalb der Asylzentren / Gruppenunterkünften untergebracht; Partner_innen werden nicht getrennt.
- LGBT-Asylsuchenden müssen seitens der Behörden über Beratungs- und Kontaktstellen für LGBT-Flüchtlinge informiert werden, damit diese einen einfacheren Zugang dazu finden.
- Wir dulden keine Fremdenfeindlichkeit, keinen Rassismus, keine Fetischisierungen aufgrund der ethnischen Herkunft oder andere Formen von Gewalt und Diskriminierung von Geflüchteten an der Pride.
Denn niemand soll Angst haben, sich selbst zu sein! Wir sind eine Community – weltweit.