HISTORY: Die Geschichte einer der ältesten Gay Bars Europas wird mit dem Kweer weitergeführt
Es basiert auf einem Fauxpas, dass der Barfüsser geschlossen und von der Stadt Zürich neu ausgeschrieben wurde. Die Betreiber der Sushi Bar & Lounge, wie der Barfüsser zuletzt beschrieben wurde, haben es nach eigenen Angaben nämlich verpasst, während all den Corona-Turbulenzen den Vertrag mit der Stadt zu verlängern. Dies führte dazu, dass die Stadt Zürich das Lokal anfangs Dezember 2021 neu ausgeschrieben hat.
Die Enttäuschung und auch die Angst war gross, dass die geschichtsträchtige Bar nun der LGBTI+ Community verloren geht, gilt der Barfüsser doch als eine der ältesten Gay Bars in Europa. Stadt Zürich Liegenschaften hat zwar stets betont, das man sich der historischen Bedeutung der Lokalität an der Spitalgasse durchaus bewusst sei, und dass man entsprechend auch queere Gastrokonzepte bevorzugt behandeln würde, doch ein Garant für das Fortbestehen des Barfüssers als LGBTI+ Lokal war das nicht.
Umso grösser war dann die Erleichterung, als im Mai 2022 bekannt wurde, dass die Bar auch weiterhin der Community erhalten bleiben wird, und dass der queere Hintergrund und die Geschichte des Orts sogar wieder stärker unterstrichen werden soll. Neu wird das Lokal im Zürcher Niederdorf Kweer Café & Bar heissen, und wie es der Name schon sagt, soll es durch den Tag ein Café und abends und in der Nacht eine Bar sein. Die Macher wollen dabei an die Geschichte des Ortes anknüpfen und das Kweer zu einem wahren Safe Space für Queers in der Stadt Zürich machen - so wie bereits ab Mitte der 1950ern.
Albert und Ella Zimmermann mieteten das Lokal damals, und nach dreimonatigem Umbau öffnete der Barfüsser im August 1956 seine Türen. Die Eröffnung wurde damals auch im Magazin des Kreis beworben. Doch es war quasi auch einem schwulen Kellner zu verdanken, dass das Lokal zu einem Treffpunkt für die Community wurde, wie Ernst Ostertag auf der Webseite Schwulengeschichte.ch erklärt. Der Kellner fand nirgends eine Anstellung, bis ihm schliesslich die Zimmermanns einen Job gaben. Er brachte dann viele seiner bisherigen Kundschaft mit in den Barfüsser und so trafen sich im Lokal schon sehr bald Gäste aus dem ganzen Spektrums des queeren Lebens in der Stadt. Von Schwulen und Lesben jeden Alters bis hin zu Travestie-Künstlern, Bisexuellen, trans Personen, später auch Lederkerlen und offenen Heterosexuellen - niemand wurde weggewiesen, alle waren willkommen.
Am Neumarkt befand sich damals mit der Eintracht auch noch das Lokal der bekannten Homosexuellen-Vereinigung Der Kreis. Es wurde - insbesondere während den grossen Festanlässen - fleissig zwischen den beiden Lokalitäten hin und her gependelt, und so entwickelte sich die neue Bar an der Spitalgasse schon bald zu einem zweiten Treffpunkt auch für Kreis-Abonnenten. Im vorderen Teil des Barfüssers, an der Spitalgasse, trafen sich vor allem die Lesben, und im hinteren Teil, mit dem Ausgang zur Brunn-Gasse, trafen sich die Männer. Diese aufregenden Zeiten fanden jedoch ein jähes Ende, als Der Kreis sein Lokal aufgrund des städtischen Tanzverbots im Jahr 1960 schliessen musste.
Polizei-Razzien und dem sogenannten Schwulenregister zum Trotz traf man sich darauf erst recht im Barfüsser um zu feiern, wie Ernst Ostertag weiter schreibt. Jeder trug einfach seinen Ausweis bei sich, damit man ihn bei Bedarf der Polizei zeigen und so verhindern konnte, dass man auf den Polizeiposten mitgenommen wurde. Viele waren ohnehin bereits registriert, und man hatte somit nichts mehr zu verlieren. Als die Repressionen in den 1970er und 80er Jahren ein Ende fanden, wurde es auch um den Barfüsser ruhiger, doch ein beliebter Treffpunkt innerhalb der Community blieb er auch weiterhin.
2001 folgte ein neuer Tiefpunkt für den Barfüsser: Das Lokal, zu dieser Zeit vor allem ein Treffpunkt der Lederkerle und Bären, ging Konkurs. Als die Stadt, welche seit 1971 das Gebäude besass, daraus ein Geschäftslokal machen wollte, kam es zu Protesten in der LGBTI+ Community. Schliesslich fand sich ein Kompromiss: Der Barfüsser wurde grundlegend renoviert und vollkommen neugestaltet. 2002 wurde die Bar schliesslich neu eröffnet: Hell, offen und trendig eingerichtet, hatte es kaum mehr etwas mit dem "alten Barfüsser" zu tun. Zudem hielt auch Sushi Einzug, praktisch ein Novum für das damalige Zürich.
Nun wird an der Stelle des Barfüssers einmal mehr ein neues Kapitel geöffnet: Hinter dem Konzept des Kweer Café & Bar stehen Marco Uhlig vom benachbarten Club Heaven und Samuel Rensing, sowie die beiden Gründer von ViCAFE, Christian Forrer und Benedikt Hess. Angesprochen werden sollen Queers, aber auch deren Freund:innen, Familien, sowie Studierende und Nachbarn, denn das Kweer soll auch ein neuer Treffpunkt für das Niederdorf werden. Das Kweer Café & Bar an der Spitalgasse 14 hat bereits sein Soft Opening lanciert, und die Geschichte des queeren Safe Space geht damit weiter...
Marco Uhlig über das neue Kweer:
Was bedeutet die Geschichte des Barfüssers für euch?
Samuel und ich waren beide Gäste im Barfüsser, und wir haben die Umwandlung in ein Sushi Restaurant damals auch nicht so toll gefunden. Irgendwann ist die queere Community einfach nicht mehr hin. Als der Barfüsser nun neu ausgeschrieben wurde, sahen wir darin eine einmalige Chance diese ehrwürdige Geschichte weiterzuführen. Leider ist es nicht möglich, dies unter dem gleichen Namen zu machen, doch ich denke, der Ort an sich ist historisch, und die Leute finden es wirklich toll, dass es da wieder etwas gibt. Da derzeit zudem viele Orte zu gehen und nicht erhalten bleiben, wollte ich dies beim Barfüsser verhindern. So habe ich mich dafür eingesetzt, dass die Bar als Treffpunkt für die Community bestehen bleibt.
Was werdet ihr vom Barfüsser "übernehmen" und für was wird das neue Kweeer stehen?
Wir haben das Lokal total entkernt, saniert und wir haben alles neu gemacht. Kein Stein blieb auf dem Anderen. Mir war aber sehr wichtig, dass beispielsweise der Mönch an der Aussenfassade bleibt, denn dies ist ein historisches Überbleibsel. Wir haben ihn nun bloss neu angestrichen, damit er dem Original wieder nahe kommt. Wir werden auch die Willkommenskultur hegen und pflegen, so wie sie damals im alten Barfüsser war. Die Mitarbeitenden kannten noch die Namen der Stammgäste, die wussten was sie trinken, und das versuchen wir auch zu übernehmen. Gastronomie verstehen wir ohnehin so.
Sind im Kweer auch Events und andere Anlässe geplant?
Die vorherigen Pächter, noch bevor es ein Sushi Restaurant wurde, haben im Barfüsser auch bereits Abende mit DJs organisiert, und die waren recht erfolgreich. Damals haben sich dann aber die Nachbarn zusammengetan und mehrere Lärmklagen gegen das Lokal lanciert, und daher wurde schliesslich auch das Konzept geändert und der Barfüsser wurde zum Restaurant. Nach zehn Jahren Heaven kenne ich aber nun praktisch alle Nachbarn und wir haben auch mit ihnen gesprochen. Da haben wir rausgehört, dass sie sich eigentlich selber eine Quartierbeiz wünschen, und das wird das Kweer durch den Tag als Café auch sein. Damit geben wir dem Quartier auch etwas zurück. Wir werden nun aber nicht Events wie Partys organisieren, dafür gibt es ja das Heaven nebenan, doch wir haben auch Anlässe geplant. So haben wir eine Bühne eingebaut, die tagsüber im Café ein zweites Plateau zum Sitzen bietet, und welche wir dann am Abend nutzen können. Besonders am Donnerstag wollen wir immer etwas anbieten, ein Community-Abend, so soll es etwa Karaoke-, Quiz- und Bingo-Abende geben, oder derzeit zeigen wir jeweils die aktuelle Folge von Prince Charming ab 20 Uhr. Dazu passen auch die Räumlichkeiten: Das Kweer besteht wie aus zwei Räumen, welche sich auch trennen lassen und welche dann auch für Anlässe gebucht werden können.
Kweer Café & Bar
Spitalgasse 14
8001 Zürich