HISTORY: Vor 180 Jahren kam Peter Tschaikowski zur Welt

HISTORY: Vor 180 Jahren kam Peter Tschaikowski zur Welt
Mit Schwanensee, Dornröschen und dem Nussknacker schrieb Peter Tschaikowski drei der weltweit berühmtesten Ballette, und er gilt als einer der herausragendsten Komponisten seiner Heimat, doch bis heute hat Russland auch ein durchaus zwiespältiges Verhältnis zum grossen Musiker. Während sein Werk nach wie vor gefeiert wird, so versucht die Führung im Kreml seit jeher dessen Homosexualität aus den Geschichtsbüchern zu löschen. Am 7. Mai vor 180 Jahren kam Peter Tschaikowski zur Welt...

Mein Gott, was für eine engelhafte Kreatur und wie sehr ich gerne sein Sklave, sein Spielzeug, sein Eigentum sein würde: Diese Worte richtete Peter Tschaikowski in einem romantischen Briefwechsel an einen jungen Bediensteten. Er sei mehr in ihn verliebt als je zuvor, schrieb er weiter. Gerade solche Textstellen sind Russland ein Dorn im Auge, und so dauerte es rund 125 Jahre seit dem Tod des grossen Komponisten, bis diese Briefe vor zwei Jahren endlich unzensuriert in englischer Sprache erschienen sind. Während der Westen die Homosexualität von Tschaikowski längst akzeptiert hat, so sorgt dieser Fakt in Russland noch heute für teils hitzige Debatten in der Öffentlichkeit, erklärt Marina Kostalevsky, welche die Briefe neu veröffentlichte. Und so überrascht es kaum, dass gewisse Textstellen in der Heimat des Komponisten noch immer nicht veröffentlicht wurden. Selbst ranghohe Politiker widersprechen noch heute den Fakten über Tschaikowskis Homosexualität, so etwa der russische Minister für Kultur, Vladimir Medina im Jahr 2013. Auch Vladimir Putin äusserte sich diesbezüglich bereits und erklärte, dass es Leute gebe, die sagen, dass er homosexuell gewesen sei, doch man würde ihn nicht deswegen lieben. Um die Reputation des Komponisten wiederherzustellen, wurde darauf gar eine Werbekampagne lanciert, denn besorgte Eltern begannen plötzlich bei den Ticketverkäufern nachzufragen, ob der Nussknacker denn noch für Kinder tauglich sei.

Das Museum über Tschaikowski in dessen letztem Wohnort Klin, rund 85 Kilometer nordwestlich von Moskau, welches bereits 1894 eröffnet wurde, umfasst die grösste Manuskriptsammlung über den Komponisten - von Tagebüchern, Briefwechseln bis zu Originalpartituren. Wie Marina Kostalevsky erklärt, seinen die Türen zum Archiv erst vor wenigen Jahren durch die Museumsleitung vollständig geöffnet worden. Damit erhielten Historiker erstmals einen unzensierten, authentischen Blick auf die Hinterlassenschaften Tschaikowskis. Viele der Informationen, welche dadurch an die Öffentlichkeit gelangten, wurden aber bezüglich angeblich mangelnder Authentizität angezweifelt, denn man wollte das Bild des "Nationalhelden" quasi nicht mit den Fakten über dessen Homosexualität beschmutzen. Nicht zuletzt deshalb erzählen viele der Bücher, welche derzeit über den Komponisten im Umlauf sind, ebenfalls nur die halbe Wahrheit. In Anbetracht der aktuellen politischen Lage, insbesondere wegen dem Anti-Gay-Propagandagesetz, gebe es aber keine Sicherheit, so Kostalevsky weiter, dass diese Türen auch in Zukunft offen bleiben werden.

Tschaikowskis schwuler, jüngerer Bruder
Dass Tschaikowskis Biografie in der Vergangenheit zensuriert wurde, war aber nicht nur durch das offizielle Russland bedingt, sondern auch durch den jüngeren Bruder des Musikers, Modest Ilyich Tschaikowski, welcher selber ebenfalls schwul war und nach dem Tod des Komponisten zu dessen Biografen wurde. Dabei dürfte sich Modest wohl zu diesem Schritt gezwungen gefühlt haben, weil Homosexualität schon damals ein Tabu in der Gesellschaft war, aber wohl auch, um von seiner eigenen Homosexualität abzulenken. Damit dürfte er wohl nicht zuletzt auch dem Willen seines berühmten Bruders entsprochen haben, denn dieser war auch Zeit seines Lebens immer darauf bedacht, seine Homosexualität möglichst zu verstecken, was ihm aber nur bedingt gelang. So heiratete Peter Tschaikowski gar im Juli 1877 mit Antonina Iwanowna Miljukowa eine Frau. Damit versuchte er, was viele seiner Jugendfreunde ebenfalls taten, seine Homosexualität mit einer Ehe zu kaschieren.

Antonina Miljukowa drängte sich dabei wortwörtlich in Tschaikowskis Leben. Sie behauptete, dass er sie noch vom Konservatorium her kenne, und drohte in Briefen gar mit Selbstmord, sollten sie sich nicht treffen. Der Musiker gab dem Drängen nach, und nur rund zweieinhalb Monate nach dem Treffen heirateten sie. Sie konnten sich auf eine Ehe in geschwisterlicher Verbundenheit einigen, und für Tschaikowski war dies auch eine willkommene Gelegenheit um von seiner Homosexualität abzulenken, vielleicht hat er es sogar als Versuch gesehen, sich davon zu heilen. So soll er seinem Bruder diesbezüglich geschrieben haben, dass er seine Gewohnheiten für immer ablegen werde. Es sei schrecklich zu wissen, dass sich jene, welche ihn lieben, manchmal auch für ihn schämen würden. Doch genau so schnell, wie sie sich zur Ehe entschieden haben, trennten sich die Beiden auch wieder. Tschaikowski litt offenbar dermassen unter dem falschen Spiel und war ohnehin psychisch sehr labil, und so soll er noch während der Ehe gar einen Selbstmordversuch unternommen haben. Doch trotz der darauffolgenden räumlichen Trennung zwischen ihm und Antonina Miljukowa wurde ihre Ehe nie geschieden. Während er kurz vor der Hochzeit einer seiner grössten Erfolge verbuchen konnte, die Uraufführung von Schwanensee in Moskau, so waren die kurze Zeit der Ehe und die Monate danach von einer wahren, kreativen Blockade überschattet.

Seine grosse Liebe endete wie bei Romeo und Julia
Seine Homosexualität lebte Peter Tschaikowski stets aus, und teilte seine Gefühle auch seinem engen Umfeld mit. Doch, sie war auch ein Grund für seine Depressionen. Dass er sie gegenüber der Öffentlichkeit verstecken wollte, und zu gewissen teilen auch musste, war für ihn eine enorme, seelische Belastung. Doch das damalige Russland war weit toleranter als heute. Und so sind sich die meisten Historiker einig, dass Tschaikowski aufgrund seiner Homosexualität nicht von der russischen Oberschicht geächtet wurde, sofern sie davon überhaupt wussten. Dem Komponisten scheinen es vor allem jüngere Männer angetan zu haben, doch gleichzeitig bezeichnete er sich diesbezüglich auch als scheu. Als er Romeo und Julia 1869 schrieb, eine Fantasie-Ouvertüre nach Shakespeare, soll er in Eduard Zak verliebt gewesen sein, möglicherweise die grösste Liebe seines Lebens. Er habe noch nie jemanden so geliebt wie ihn, schrieb Tschaikowski später in sein Tagebuch. Über Eduard Zak ist nicht viel bekannt, doch wie bei Romeo und Julia, so nahm auch ihre Liebe ein jähes Ende: Der Musikstudent nahm sich wenige Jahre nach Veröffentlichung des Stücks das Leben.

Selbst im Jahr, als Tschaikowski heiratete, hatte er eine romantische Liebschaft, diesmal mit Iosif Kotek (Bild rechts: Kotek, links, mit Tschaikowski 1877). Kotek war einer seiner ehemaligen Schüler am Konservatorium in Moskau. So beschrieb er die Liebe gegenüber Kotek auch in einem Brief an seinen jüngeren Bruder Modest. So soll er ihn vor der Affäre bereits seit sechs Jahren gekannt haben. Obwohl er sich anfänglich gegen seine Gefühle gewehrt habe, so sei er ihm danach unwiderruflich verfallen, so Tschaikowski.

Sein überraschender Tod mit nur 53 Jahren
Peter Tschaikowski ist am 7. Mai 1840 in Wotkinsk geboren und starb am 6. November 1893 im Alter von nur 53 Jahren überraschend in St. Petersburg. Die Todesursache ist bis heute nicht abschliessend geklärt: Eine These geht davon aus, dass er sich durch ein Glas nicht abgekochtes Wasser mit der damals in der Stadt grassierenden Cholera angesteckt hat. Doch da gibt es Argumente, welche dagegen sprechen. Seit 1979 wird als zweite Möglichkeit zudem die These genannt, dass er sich selber mit Arsen vergiftet hat. Dies habe er ebenfalls mit einem Glas Wasser eingenommen, was eine Verbindung zur ersten These herstellen würde. Der Auslöser für den Selbstmord soll eine Aufforderung von Mitgliedern der St. Petersburger Rechtsschule gewesen sein, dass er sich aufgrund seiner Homosexualität das Leben nehmen solle. Doch auch bei dieser Theorie gibt es einige Unstimmigkeiten. Der damalige Zar Alexander III war einer der ersten, der kondolierte und er gewährte dem grossen Komponisten ein Staatsbegräbnis.