FILM: All The Beauty And The Bloodshed

Mit ihrem Gespür und ihrem besonderen Blick hat Nan Goldin die Fotografie revolutioniert und damit ein wahres Erdbeben innerhalb dieser Kunstform ausgelöst. Sie dokumentierte dabei auch die queere Subkultur und gewährte so äusserst persönliche Einblicke in ihr eigenes Lebensumfeld. Ihre Arbeit zu HIV/Aids mit sehr individuellen, menschlichen und nicht-voyeuristischen Fotografien trug zudem massgeblich dazu bei, die Krankheit zu enttabuisieren. Schonungslos direkt und intim stellt die bisexuelle Amerikanerin seit jeher die Definition von Gender und Normalität in Frage, und so wurde sie zu einer der bedeutendsten Fotografinnen des späten 20. Jahrhunderts. Dabei widmet sie sich oft Themen wie Sexualität, Sucht und Tod.

Gerade letztere beiden Themen führen auch zu einem zweiten Fokus in ihrem Leben: Ihr unermüdlicher Kampf gegen die Pharmadynastie Sackler, welche mit ihrem Unternehmen Purdue Pharma als Hauptverantwortliche für die weltweite Opioidkrise gelten. Dass sich die Familie Sackler mit ihrem Mäzenatentum in der Kunstwelt einen grossen Namen gemacht hat, will Goldin nicht einfach so hinnehmen, und so zwingt sie seit 2018 mit öffentlichen Aktionen die renommiertesten Museen weltweit wie den Louvre, das Guggenheim, das Met und die Tate dazu, ihren Standpunkt gegenüber der Familie Sackler zu überdenken.

Dieser Aktivismus rührt denn auch nicht von ungefähr, war doch Nan Goldin selber davon betroffen. Nach einer Operation wurde ihr OxyContin verschrieben, ein suchterzeugendes Schmerzmittel. Sie wurde abhängig, doch ihr gelang der Ausstieg, im Gegensatz zu unzähligen, anderen Menschen, welche aufgrund der Sucht ums Leben kamen.

All The Beauty And The Bloodshed kümmert sich genau um diesen Spagat in Nan Goldins Leben: Auf der einen Seite die gefeierte Fotografin und auf der anderen die gefürchtete Aktivistin. Der Dokumentarfilm, welcher in Venedig mit dem Goldenen Löwen den Hauptpreis erhielt, wurde auch für die Oscars 2023 nominiert. Es ist das erste Künstlerportait der Dokumentarfilmerin und Oscar-Preisträgerin Laura Poitras.