INTERVIEW: Marinette Pichon - weltbeste Fussballerin und LGBTI+ Aktivistin in einem

INTERVIEW: Marinette Pichon - weltbeste Fussballerin und LGBTI+ Aktivistin in einem
Sie gehörte unbestritten zu den weltbesten Fussballerinnen, doch während sie später auf dem Fussballplatz die grossen Siege feierte, hatte sie alles andere als einen leichten Start ins Leben. Nun wurde das Leben von Marinette Pichon verfilmt, und die ehemalige Profi-Spielerin sprach im Interview mit gay.ch über den Film, ihr Coming Out, die FIFA und ihre beeindruckende Fussballkarriere...

Weit über hundert Länderspiele absolvierte Marinette Pichon für die französische Nationalmannschaft und schoss dabei insgesamt 81 Tore. Sie wurde in Frankreich Vizemeisterin und Meisterin und holte sich einen Profivertrag in den USA. Mit Marinette hat Virginie Verrier das Leben einer der weltbesten Fussballerinnen verfilmt. Pichon hat dabei eng mit der Filmemacherin zusammengearbeitet, und sie zeigt sich vor allem auch beeindruckt von Hauptdarstellerin Garance Marillier.

Im Interview mit gay.ch spricht Marinette Pichon über die Dreharbeiten, über ihr Coming Out und die damit verbundenen Reaktionen, über die Rolle der FIFA in Bezug auf Katar und über die Rechte für queere Menschen.

Wie war es, als Dir die ersten Szenen präsentiert wurden und Du gesehen hast, wie jemand dein Leben nachspielt?
Das war echt verwirrend, besonders, da Garance dies sehr gut interpretiert und eine sehr ähnliche Körpersprache hat. Eine emotionale Achterbahn ist damit garantiert, selbst wenn man mein Leben bereits kennt.

Konntest Du auch selber Einfluss auf den Film nehmen und wie konntest Du die Filmemacherin am besten unterstützen?
Ich hatte das grosse Glück mit Virginie zusammenarbeiten zu dürfen. Sie hat meine Wünsche, und auch die wichtigsten Botschaften respektiert, welche ich im Film behandeln wollte: Dazu gehören natürlich Fussball, aber auch häusliche Gewalt, Inklusion, Behinderung, Homosexualität und anderes mehr. Virginie und ich waren uns auch daher jeweils einig, da sie sich in den selben Botschaften ebenfalls wiederfindet.

Und wie war es in Bezug auf die Familie, welche ja ebenfalls Teil des Films ist?
Wir haben die Entscheidungen immer gemeinsam getroffen und besprochen, wie es jeweils weitergehen soll. Meine Schwester, meine Mutter und ich stehen uns heute sehr nahe, weil es auch ihre Kämpfe sind.

Wann hattest Du dein Coming Out und wie waren die Reaktionen damals?
Ich habe mich geoutet, als ich immer noch Fussball spielte, und die Reaktionen waren ohne jegliche Verurteilungen. Im Gegenteil, sie waren eher wohlwollend und unterstützend, dass ich mich mit meinen Worten bei ihnen geöffnet habe.

Wie fühlst Du Dich, wenn Du die heutigen Spielerinnen wie etwa Megan Rapinoe siehst, welche so offen sein können? Dies haben sie zu einem gewissen Teil auch Dir und deiner Vorreiterrolle zu verdanken...
Ich freue mich, dass sich immer mehr Menschen mit ihrer Sexualität wohlfühlen, dass sie keine Angst mehr vor den Blicken haben, und dass sie vor allem nicht, oder nicht mehr, auf ein Einverständnis oder eine Bewilligung für diesen Schritt warten. Wir machen immer weiter Fortschritte, und das ist das Wichtigste.

In Bezug auf die Rechte für LGBTI+ hat die FIFA bei den vergangenen Weltmeisterschaften nicht eben eine gute Figur abgegeben: Wie hast Du diese Debatte als ehemalige FIFA-Fussballspielerin mitverfolgt? Glücklicherweise sieht es für die diesjährige Fussball-Frauen-WM in Neuseeland und Australien etwas besser aus...
Ich denke, dass es in manchen Fällen schwierig ist, darauf zu bestehen, dass alle Menschen diese Offenheit an den Tag legen. Die FIFA hat es versucht, einige Nationen haben mitgespielt und andere nicht. Es ist schwierig in der heutigen Zeit alle Menschen im Sport und im Berufsleben dazu zu bringen, dass sie sich daran halten. Wir müssen aber unbedingt unsere Botschaften weiterhin anbringen und wir dürfen gewisse Fehlverhalten nicht tolerieren.

Du kämpfst auch für die Rechte der LGBTI+ Community vor Gericht, so etwa für Elternrechte für gleichgeschlechtliche Paare. Was denkst Du über den Stand der Welt heute, wenn man sieht, wie etwa die USA oder Osteuropa wieder Rückschritte machen?
Das macht mich traurig, denn ich finde, dass alle Menschen, die sich lieben, die Chance haben sollten, eine Familie gründen zu dürfen.

Marinette, danke für das Interview!

Hauptbild: Copyright: VIGO FILMS / Guillaume Bouqueau

Zum Film Marinette:
Ohne Zweifel gehört sie zu den erfolgreichsten Fussballerinnen überhaupt und sie legte eine bemerkenswerte Karriere mitunter in der französischen Nationalmannschaft hin. Doch privat hatte die lesbische Fussballerin einen weniger guten Start ins Leben: Ihr Vater war gewalttätig und süchtig nach Alkohol und somit erfuhr sie nur von ihrer Mutter und ihrer Schwester wahre Unterstützung. Fussball wurde daher zu ihrem Zufluchtsort, und voller Ehrgeiz verfolgte sie ihre Träume. Trotz zahlreicher Rückschläge schaffte sie es schliesslich tatsächlich zur weltbesten Fussballerin zu werden.

Ab dem 22. Juni im Kino!

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