GESUNDHEIT: Aktiv, authentisch und im Austausch mit anderen: HIV und mentale Gesundheit
Nachdem bei Stéphane Aids ausgebrochen war, stand er an der Schwelle des Todes. Die mentale Selbstfürsorge ist für ihn heute wichtiger denn je.
Lastwagenfahrer von Beruf, leidenschaftlicher Angler, ehrenamtlicher Feuerwehrmann und verheiratet mit einer Frau: Stéphane stand mitten im Leben, als er in seinem linken Arm und in seiner linken Hand die Muskelkraft verlor und sich ins Krankenhaus begab. Dort behielten sie ihn zuerst für ein paar Tage, dann für mehrere Wochen. Eine grosse Müdigkeit machte sich breit und die einfachsten Bewegungen waren plötzlich schmerzhaft: Aufstehen, Laufen, Treppensteigen. «Die Taubheit begann in meinem Fuss, dann in meiner Hand und wanderte schliesslich zum Gesicht», sagt Stéphane. «Jedes Mal, wenn ich morgens erwachte, hatte ich mehr Beweglichkeit verloren und Teile meines Körpers hörten auf zu funktionieren. Mein Gehirn verlor die Kontrolle über die linke Körperhälfte..»
Als sein Arzt bei ihm HIV diagnostizierte, war bereits Aids ausgebrochen. «Er sagte mir, dass ich schon so gut wie tot sei. Der Wert meiner T-Helferzellen lag bei 169», erzählt Stéphane heute. Der Normalwert der Zahl der Helferzellen ist individuell und beträgt meistens zwischen 500 und 1500 Zellen pro Mikroliter Blut.1 Bei einem Wert von weniger als 200 gilt das Aids-Stadium als erreicht.2 Sein Arzt begann unverzüglich mit der antiretroviralen Therapie. «Er dachte nicht, dass ich es schaffen würde. Aber ich schaffte es.» Für die Entzündung im Gehirn war das JC-Virus verantwortlich, das bei einem Grossteil der Bevölkerung latent im Körper vorhanden ist und durch die Schwächung von Stéphanes Immunsystem durch HIV reaktiviert wurde.
Ein Coming-out in der dunkelsten Zeit
Die Entzündung schritt fort und innerhalb von drei Wochen war Stéphane auf der ganzen linken Körperhälfte gelähmt. Es folgten fünf Monate im Rollstuhl, zwei Einweisungen ins Spital und ein Aufenthalt im Pflegeheim –eine Odyssee von fast zweieinhalb Jahren. Für Stéphane war es eine dunkle Zeit. Er brauchte Hilfe, um aufzustehen, zu duschen und auf die Toilette zu gehen. «Ich war am Boden angekommen. Ich dachte, es ergibt keinen Sinn mehr mich zu verstecken. Jetzt muss alles auf den Tisch», sagt er. Stéphane hatte ein doppeltes Coming-out: Einerseits als schwuler Mann, andererseits als Mann, der mit HIV lebt.
In der Folge wandten sich einige Freunde und Bekannte ab. Er fiel in eine Depression und versuchte mehrmals seinem Leben ein Ende zu setzen. «Mir ist bewusst, dass meine Geschichte keine sehr vorbildliche ist, schliesslich war ich noch mit meiner Frau verheiratet», sagt Stéphane. «Ich hatte grosses Glück, dass meine Familie und einige sehr enge Freunde mich unterstützten. Vor allem meine Eltern und meine Schwester waren jeden Tag an meiner Seite.»
Stéphane erinnert sich an einen Pflegefachmann, der ihn zu dieser Zeit betreut hatte. «Er beruhigte mich und sagte mir, dass ich mir keine Sorgen machen soll», sagt er. «Damals verstand ich es nicht, doch es war seine Art mir zu sagen, dass er ebenfalls mit HIV lebt. Und dass alles gut wird.»
Mit HIV zu leben ist keine Belastung für Stéphane
Das war 2016. Heute ist Stéphane geschieden und lebt selbstständig in einer Wohnung in der Nähe von Neuenburg. Die Lähmung seiner linken Körperhälfte ist teilweise geblieben und er bezieht eine vollständige IV-Rente. Er kann wieder laufen, ist dabei jedoch stark eingeschränkt. «Meine fehlende Mobilität stört mich, nicht das Leben mit HIV», sagt er. «Als ich gelernt habe, was es bedeutet, eine Virenlast unter der Nachweisgrenze zu haben und nicht mehr ansteckend zu sein, spielte HIV keine Rolle mehr für mich.»
Sein früheres Ich stand mitten im Leben, doch rückblickend weiss er, dass es nicht der authentische Stéphane war. «Ich muss mich heute nicht mehr verstecken und kann mein Leben jetzt so leben, wie ich wirklich bin», sagt er. Das spiele eine grosse Rolle für seine mentale Gesundheit. Ebenso wichtig ist für ihn die Selbstfürsorge. Stéphane geht Spazieren, macht Physio- und Ergotherapie. «Ich mache Dinge, die ich früher nie gemacht habe», sagt er und fügt schmunzelnd hinzu: «Zum Beispiel gehe ich in die Pediküre.»
Obwohl Stéphane schnell erschöpft wird, sieht er in einem möglichst aktiven Alltag den Schlüssel zu mentalem Wohlbefinden. Er engagiert sich in diversen Organisationen – bei der freiwilligen Feuerwehr oder als Präsident des Fischervereins. «Ich bin im Vorstand und erledige administrative Arbeiten oder organisiere Versammlungen», sagt er. Er trifft sich regelmässig mit Freund*innen und Familie. «Es ist wichtig, aus dem Haus zu gehen und Menschen zu treffen. Zuhausebleiben ist keine Lösung.»
Positive Life: Ein wichtiges Netzwerk
Ein weiteres Element für seine mentale Gesundheit ist der Austausch mit Menschen, die mit HIV leben. Über die Plattform Positive Life und dem dazugehörigen Magazin kam Stéphane ins Gespräch mit anderen. «Es ist wichtig, dass wir uns treffen und unsere Erfahrungen teilen können», sagt er. «Einige haben schlimme Diskriminierungen mit Ärzt*innen erlebt, die mir zum Glück erspart blieben. Nur einmal zog ein Arzt Latexhandschuhe an, obwohl ich angezogen war. Ich denke, er hatte einfach Angst und war nicht genügend informiert.»
Stéphane sieht noch viel Potenzial, was den Abbau von Diskriminierungen von Menschen, die mit HIV leben, angeht. Indem er seine Geschichte erzählt, möchte er der Gesellschaft zeigen, dass eine erfolgreiche Therapie ein gesundes und uneingeschränktes Leben mit HIV ermögliche. Gleichzeitig hofft er auf eine vollständige Genesung der einseitigen Körperlähmung, die – wie ihm ein Professor für Neurologie bestätigte – möglich sei. «Ich betone immer, dass es nicht HIV ist, sondern die fehlende Mobilität, die mich einschränkt. Und ich arbeite jeden Tag daran, sie Stück für Stück zurückzugewinnen.
Quellen:
1 aidshilfe.de/laborwerte-hiv
2 aidshilfe.de/hiv-symptome-verlauf#tab-5
Positive Life
Menschen mit HIV haben ein bewegendes und bewegtes Leben. Auf der Plattform Positive Life werden Erfahrungen und Erlebnisse lesbar, hörbar und sichtbar. Die Aids-Hilfe Schweiz initiierte das Projekt gemeinsam mit Menschen mit HIV. Wir stellen Fragen und suchen Antworten. Wir schaffen Dialogräume, damit Menschen mit HIV sich miteinander und mit Fachpersonen austauschen können – damit das Leben mit HIV an Qualität gewinnt. Zusätzlich zur Onlineplattform erscheint das Positive Life Magazin viermal jährlich. Hier besprechen wir rechtliche, medizinische und gesellschaftliche Themen. Ebenso teilen Menschen mit HIV im Magazin ihre Erfahrungen.
Gilead ist stolz, gemeinsam mit anderen Partnerorganisationen dieses wichtige Angebot für Menschen, die mit HIV leben, unterstützen zu dürfen.
Über Gilead Sciences:
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Gilead Sciences, Inc. ist ein biopharmazeutisches Unternehmen, das seit mehr als drei Jahrzehnten medizinische Durchbrüche anstrebt und erreicht, mit dem Ziel, eine gesündere Welt für alle Menschen zu schaffen. Das Unternehmen engagiert sich für die Weiterentwicklung innovativer Medikamente zur Vorbeugung und Behandlung lebensbedrohlicher Krankheiten wie HIV, virale Hepatitis, COVID-19 und Krebs. Gilead hat seinen Hauptsitz in Foster City, Kalifornien, und ist weltweit in mehr als 35 Ländern tätig.
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