KULTUR: Interview mit Joel Parnis von Der Glöckner von Notre Dame

KULTUR: Interview mit Joel Parnis von Der Glöckner von Notre Dame
Vor der Traumkulisse von Eiger, Mönch und Jungfrau wird auf der Seebühne der Thunerseespiele noch bis zum 23. August Disneys Der Glöckner von Notre Dame aufgeführt. Im Interview mit gay.ch erzählt Darsteller Joel Parnis, was dieses neuinszenierte Musical gerade für die Queer Community so besonders macht.

Mut, Menschlichkeit und die grosse Liebe: Direkt von der Seine in Paris ist diesmal das Musical Der Glöckner von Notre Dame von Disney bei den Thunerseespielen zu Gast. Mit der Musik vom grossartigen Alan Menken, der unter anderem schon für Die Schöne und das Biest, für Aladdin und für Ariel verantwortlich war, wirst Du vor der Traumkulisse der Berner Alpen ins Reich von Quasimodo entführt.

Abgeschirmt vom Rest der Welt führt er ein einsames Leben im Glockenturm der Pariser Kathedrale Notre Dame. Als er sich auf das jährliche Fest der Narren schleicht, gerät er in Schwierigkeiten. Nur die überaus mutige Esmeralda steht für ihn ein. Als sie darauf ins Visier des rachsüchtigen und bösartigen Erzdiakons Frollo gerät, wird sie von Quasimodo gerettet und im Turm versteckt. Zusammen mit ihr entdeckt Quasimodo schliesslich, was es heisst ein Monster zu sein, und was es braucht, ein Mensch zu werden. Hochemotional und äusserst berührend wird die Geschichte des Glöckners von Notre Dame in bester Disney-Manier erzählt.

Kurz vor dem Start des Musicals auf der Thunerseebühne hatten wir die Möglichkeit für ein Interview mit Joel Parnis. Der Australier, der unter anderem auch in Taiwan aufwuchs und zusätzlich einen maltesischen Pass hat, spielt im Ensemble mit und war bereits im vergangenen Jahr für Mary Poppins auf der Seebühne direkt auf dem Thunersee zu Gast.

Wie geht es Dir und wie hast Du den Pride Month verbracht?
Mir geht es sehr gut, danke! Ich freue mich sehr, wieder in Thun zu sein, nachdem ich letzten Sommer hier bei den Thunerseespielen verbracht habe. Wir hatten bisher tolles Wetter. Hoffentlich bleibt das so! Im Pride Month dieses Jahr war ich mit den Proben für „Der Glöckner von Notre Dame“ sehr beschäftigt. Also, es war ein ruhiger Pride Month mit viel Schwimmen im See und immer am Sonntag mit der neuesten Folge von “Drag Race All Stars”.

Schon für Mary Poppins bist Du in Thun auf der Bühne gestanden und nun kehrst Du an den Thunersee zurück: Welche Erinnerungen hast Du an die Thunerseespiele und an das Berner Oberland?
Thun ist ehrlich gesagt einer der schönsten Orte, an denen ich je arbeiten durfte. Der See selbst und die viele Zeit im Freien finde ich grossartig. Aber ich muss auch sagen, was mir an Thun und der Region Bern am besten in Erinnerung geblieben ist, ist die Freundlichkeit der Menschen. Ich fühle mich hier immer so willkommen. Es ist wirklich ein ganz besonderer Ort.

Und wieder ist es ein Disney-Musical - gerade in der LGBTI+ Community hat Disney einen hohen Stellenwert: Was macht für Dich persönlich Disney, gerade in Bezug auf Musicals, aus und was bedeutet Dir die Geschichte des Glöckner von Notre Dame?
Ich bin mit den Disney-Filmen der 90er-Jahre aufgewachsen. „Arielle, die Meerjungfrau“ war sogar der erste Film, den ich im Kino gesehen habe. Ich habe alle Filme aus dieser Zeit geliebt und bin von klein auf mit solch unglaublichen Musicals aufgewachsen. Ich bin ein grosser Fan von diesen Liedern, und es ist gut möglich, dass dieser musikalische Einfluss mich auf meinen Weg als Musicaldarsteller gebracht hat. Speziell „Der Glöckner von Notre Dame“ ist etwas ganz Besonderes für mich. Es war schon immer eine meiner absoluten Lieblingsmusiken. Darüber hinaus behandelt die Show einige sehr reife Themen, die mich und das moderne Publikum im Allgemeinen sehr berühren. Sie stellt uns vor die Frage, wie wir unsere Mitmenschen als „anders“ oder „Aussenseiter“ abstempeln und wer das entscheidet. Ich denke, das berührt die LGBTI+-Community sehr, die jahrelang als unmoralisch abgestempelt wurde. Zum Glück leben wir in einer Zeit, in der wir in diesem Teil der Welt offen und frei leben können. Doch die Frage der Moral, die unsere Community umgibt, ist für viele Menschen in vielen Ländern noch ein täglicher Kampf. Dieses Thema ist das Herz dieser Show und daher äusserst relevant für unsere Community und viele andere Communities, die jemals als „Aussenseiter“ abgestempelt wurden.

Nun stehst Du für anderthalb Monate in Thun auf der Bühne, zuvor warst Du lange in Linz, aber auch in Berlin, in Australien und auf internationalen Tourneen, und zudem hast Du den maltesischen und den australischen Pass: Wie muss ich mir das vorstellen - wie bringt man Beruf und Privatleben unter einen Hut wenn man so viel und teilweise auch für so lange Zeit unterwegs ist?
Lebensbalance hat für mich immer höchste Priorität. Ich habe das grosse Glück, einen Mann zu haben, der mich liebt und meine Karriere unterstützt. Er ist auch ein grosser Musical-Fan und ist dankbar, eine Ausrede zu haben, um so viele Shows zu sehen! Wenn ich unterwegs bin, haben wir die Regel, dass wir uns jeden Tag verbinden und unterhalten, mit Facetime oder so was. Technologie hilft uns! Es ist mir persönlich auch sehr wichtig, mir zwischen den Jobs Zeit zu nehmen, um nach Hause zu fahren und Zeit miteinander zu verbringen. Manchmal ist es wichtiger, mir eine Pause zu gönnen, als zu versuchen, jede Lücke in meinem Terminkalender mit einem anderen Vertrag zu füllen. Es kann manchmal schwierig sein, aber diese Balance ist etwas, das wir immer anstreben.

Wird da das Cast auch wie zu einer zweiten Familie, und kennt man sich mit der Zeit oder sind es mit jedem Engagement immer wieder „völlig fremde Menschen“? 
Jedes Cast ist anders, und ich denke, wir haben grosses Glück, hier in Thun so ein wundervolles Team von Menschen zu haben, die so nett und hilfsbereit sind. Das Cast ist fantastisch. Wenn alle von zu Hause weg sind, ist es sehr hilfreich, von netten Leuten umgeben zu sein, und wir lernen uns im Laufe der Saison wirklich kennen. Was ich in dieser Branche sehr schön finde, ist, dass man später oft wieder zusammenarbeitet. Es ist wie eine Heimkehr, wenn man in einem neuen Probenraum oder sogar auch bei Auditions tolle Kollegen wiedersieht.

joel_buehne_2.jpg

Du warst auch schon für queere Kultwerke wie Priscilla: Queen of the Desert auf der Bühne, aber unter anderem auch für Titanic: The Musical, für My Fair Lady - unter der Regie von Dame Julie Andrews persönlich - und für Les Miserables: Wie suchst Du Dir deine Rollen aus?
Ich achte mittlerweile sehr darauf, mich nur noch für Projekte zu bewerben, die mich begeistern. Und bei denen ich auch realistische Chancen auf eine Einstellung habe. Manchmal liebe ich eine Show, aber wenn ich weiss, dass ich nicht der Richtige dafür bin, gebe ich lieber zu, dass die erforderlichen Fähigkeiten nicht zu meinen Stärken passen. Jeder Mensch ist anders, aber ich persönlich finde Auditions ziemlich stressig. Wenn ich diesen Stress auf mich nehme, muss ich wissen, dass es sich lohnt! Ich achte auch auf das Kreativteam. Wenn ich schon einmal mit jemandem zusammengearbeitet habe und die Erfahrung toll fand oder wenn ich Gutes über ein bestimmtes Team oder einfach das Haus gehört habe, bewerbe ich mich immer gerne.

Drag Queen-Shows werden politisiert und teilweise gar verboten, im renommierten Kennedy Center wurden LGBTI+ Produktionen gestrichen: Spürst auch Du den Gegenwind, den queere Kultur - zumindest im Mainstream - derzeit mancherorts erlebt?
Definitiv spüre ich das. Ich schätze mich derzeit sehr glücklich, an einem Ort zu leben und zu arbeiten, an dem unsere Rechte besser geschützt sind. Aber wie wir gerade vielerorts sehen, können wir diese Rechte nie als selbstverständlich ansehen. Mein Mann und ich haben zum Zeitpunkt unserer Hochzeit aufgrund religiöser Überzeugungen selbst einige Gegenreaktionen von Menschen in unserem Umfeld erfahren. Aber wir haben das durch sehr ehrliche Gespräche mit diesen Menschen überstanden, und ich freue mich, dass wir sie davon überzeugen konnten, dass unsere Liebe und unsere Ehe keine Bedrohung für ihr Glaubenssystem sind. Wir alle hatten eine wunderbare gemeinsame Feier. Es kann manchmal sehr schwierig sein, aber ich glaube, es ist so wichtig, immer zu versuchen, die Tür für Gespräche offen zu halten. Wenn wir jemandem die Tür vor der Nase zuschlagen, haben wir keine Chance, andere von unserer Menschlichkeit zu überzeugen und ihre Meinung zu ändern. Wie du bereits erwähnt hast, bin ich Malteser und Australier. Malta ist eines der katholischsten Länder der Welt und gehört zu den Vorreitern in der progressiven LGBTI+-Politik. Als Malteser habe ich aus erster Hand erfahren, wie es möglich ist, in einer Welt zu leben, in der Tradition und Religion mit Gleichberechtigung und progressiver Politik für Minderheitengruppen vereinbar sind. Wir haben noch einen langen Weg vor uns, aber es ist möglich!

Wenn Du in deine Zukunft blickst: Gibt es eine Traumrolle, welche Du unbedingt gerne einmal spielen möchtest, oder möchtest Du Dich seit deinem Regie-Debut nun mehr auf die Arbeit abseits der Bühne konzentrieren?
Ich habe nicht unbedingt Traumrollen, eher Traumshows. „Der Glöckner von Notre Dame“ war schon immer eine dieser Shows, also vielen Dank an die Thunerseespiele! Ich habe einfach grosses Glück und konnte schon in vielen meiner Traumshows mitspielen! Ich habe noch eine Show auf meiner Liste, in der ich gerne auftreten würde. Falls also Produzenten eine Produktion von „Ragtime“ planen, könnt ihr mich gerne anrufen. Haha! Ich werde mich auch auf weitere Regiearbeiten konzentrieren, da mir meine Erfahrung als Regisseur letztes Jahr sehr gefallen hat. Ausserdem arbeite ich gerade an meiner eigenen Show über meine Familie, meine doppelte Staatsbürgerschaft - Malta und Australien - und den Konflikt, zwischen zwei Orten auf der Welt hin- und hergerissen zu sein, sowie die Auswirkungen, die das auf Familie und Heimat hat. Hoffentlich kann ich das irgendwann 2026 auf die Beine stellen.

Nun geht es bald los mit Der Glöckner von Notre Dame: Auf was freust Du Dich nun bei den Thunerseespielen am meisten?
Ich kann es kaum erwarten, diese grossartige Musik zu singen und dem Publikum zu zeigen, was für eine hervorragende Show wir gemeinsam gebaut haben. Es ist ein ganz besonderes Stück, und unser Regisseur Dominik Flaschka hat eine Version entwickelt, die frisch, modern, sehr spannend und dynamisch ist. Ich glaube, die Leute werden es lieben!

Herzlichen Dank für deine Zeit und viel Erfolg bei den Thunerseespielen!
Danke dir!

Joel_private_2.jpg

Thunerseespiele: Der Glöckner von Notre Dame - Noch bis zum 23. August 2025

Eintritt:
Ab 47 CHF

Vorverkauf: Online: Link und bei allen Ticketcorner-Vorverkaufsstellen

Webseite: Link

Instagram: Link

Youtube: Link

Facebook: Link

Adresse:
Seebühne, Zeltweg 10, 3604 Thun

dergloecknernotredame_poster.jpg