INTERVIEW: Angélique Kidjo über LGBTI+ Rechte in Afrika

INTERVIEW: Angélique Kidjo über LGBTI+ Rechte in Afrika
Sie ist die aktuell wohl wichtigste Stimme aus Afrika: Für ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum kommt sie anfangs Mai auch nach Zürich, und neben der Bühne setzt sie sich mit Vehemenz für die Menschenrechte in ihrer Heimat ein. gay.ch konnte Angélique Kidjo im Vorfeld ihres Konzerts zu ihrer Karriere, aber auch über die Rechte für LGBTI+ in Afrika befragen.

Ohne Zweifel, die fünffache Grammy-Gewinnerin gehört zu den renommiertesten Musikerinnen überhaupt: Angélique Kidjo hat schon Stars wie Alicia Keys, Santana, Bono, Peter Gabriel, Joss Stone, Dianne Reeves, Sting und John Legend ans Micro geholt. Seit 40 Jahren steht die Sängerin aus Benin nun auf der Bühne und dieses Jubiläum feiert sie mit einer neuen Tour, welche sie am 4. Mai auch nach Zürich führen wird.

Eigentlich wollte Angélique Kidjo Anwältin für Menschenrechte werden, doch sie folgte schliesslich doch den Spuren ihrer musikalischen Familie und startete eine weltumspannende Karriere als Sängerin. Ihre enorme Popularität - sie befindet sich auf der Liste der weltweit 100 einflussreichsten Menschen des Time Magazine - nutzt sie aber auch um auf Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen und um sich für die Schwächsten und Gefährdesten auf dieser Welt einzusetzen. Sei es als Sonderbotschafterin der UNICEF, für die Afrikanische Union oder mit ihrer eigenen Stiftung, der Batonga Foundation zu Gunsten von Mädchen und Frauen in Benin.

Im Interview mit gay.ch erzählt Angélique Kidjo, was sie über die aktuellen Rückschritte in Afrika in Bezug auf die Rechte für die LGBTI+ Community denkt, was ihr die Bühne auch nach 40 Jahren unterwegs noch immer bedeutet, und weshalb sie immer wieder mit neuen, aufstrebenden Künstler:innen aus Afrika zusammenarbeitet.

Herzliche Gratulation zum 40-jährigen Bühnenjubiläum und wir freuen uns Dich schon bald in Zürich zu begrüssen: Woher nimmst Du die Energie, wenn Du auf Tournee bist, denn Du verbreitest immer und überall so viel Freude auf der Bühne?
Auf der Bühne zu stehen, ist für mich schon pure Energie. Ich kann mir ein Leben ohne Bühne nicht vorstellen. Ich mag das Studio zwar auch, aber es ist für mich quasi nur eine Durchreise, um wieder auf die Bühne zu können. Auf der Bühne zu stehen ist für mich das Wichtigste, weil dort die Wahrheit liegt. Was Du dort tust, wie Du beim Publikum ankommst, es ist immer ein Austausch, ein Gespräch, eine Konversation, ohne dass es Vorgaben gibt. Wir sind da, um zusammen Spass zu haben. Die Energie muss wohl von meiner Mutter her kommen. Meine Mutter war jemand, der so viel Energie hatte, und ich werde, wie mein Bruder und meine Schwester immer zu mir sagen, meiner Mutter immer ähnlicher. Meine Mutter, wo auch immer sie ist, sie ist vor zweieinhalb Jahren von uns gegangen, sagte immer zu mir, dass ich weiterhin so voller Energie auf der Bühne stehen solle. Ich sagte dann jeweils: "Ja, Mama, das werde ich tun." Und daraus ziehe ich meine Energie.

Für deine Projekte arbeitest Du auch oft mit jungen, aufstrebenden Künstler:innen aus ganz Afrika zusammen: Wie wirst Du jeweils auf diese Talente aufmerksam?
Nun, das Talent findest Du in Afrika überall, man muss nur danach suchen. Manchmal bekomme ich auch direkt selber Nachrichten von Künstlern aus Afrika. Meine eigene Karriere hat in Afrika begonnen. Es gab andere Künstler, die für mich ein Vorbild waren. Die traditionellen Musiker:innen in meinem Land haben mich gelehrt, dass wenn man ein Talent zum Singen und für Musik hat, dann muss man das teilen. Und teilen bedeutet dann auch, dass man mit jungen Künstlern zusammenarbeitet, um sie damit ein wenig zu fördern. Denn wenn mir niemand geholfen hätte, dann wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Ich komme aus einer Kultur, in der man etwas weitergibt. Also führe ich diese Kultur fort, indem ich junge Künstler:innen mitbringe und mit ihnen arbeite.

Du repräsentierst Afrika wie kaum jemand anderes: Verspürst Du deswegen auch eine gewisse Last auf deinen Schultern?
Nein, ich verspüre keinen Druck, Afrika zu repräsentieren. Das Problem ist schon viel eher, wie wir Afrika repräsentieren sollen, denn Afrika ist ein Kontinent, und das ist eine Herausforderung für uns Afrikaner und für die ganze Welt. Die Leute neigen dazu, zu sagen, dass jemand aus Grossbritannien kommt, ein Musiker aus der Schweiz, eine Musikerin aus Deutschland. Aber bei einem Musiker, der aus Afrika kommt, sagen wir nicht aus welchem Land er kommt, sondern wir sagen, die Person kommt aus Afrika. Doch Afrika ist ein Kontinent, ein riesiger Kontinent. Selbst in meinem Land, wo wir nur 13 Millionen Einwohner haben, ist es eine Herausforderung für mich, hier zu sitzen und Dir zu sagen, wie viele Trommeln und Rhythmen wir haben. Das ist unmöglich. Dies ist die Herausforderung, Afrika als ganzes zu repräsentieren, und dies ist ein schwieriges Unterfangen.

Auf der einen Seite haben Länder wie Botswana, Angola und Mosambik gleichgeschlechtliche Beziehungen legalisiert. Andererseits debattieren Länder wie Ghana, Nigeria, Tansania, Uganda und andere über sehr extreme Anti-LGBTI+ Gesetze, oder haben diese auch schon eingeführt. Wie siehst Du diese Rückschritte und was muss passieren, um diese Trends zu stoppen?
Ich denke, dass wir die Position der religiösen Führer diesbezüglich hinterfragen müssen. Und wenn wir glauben, dass jeder von uns gleich und frei geboren ist, dann sollte niemand ein Gesetz erlassen, das den Menschen vorschreibt, wie sie ihr Leben zu leben haben. Es gibt bestimmte Dinge, die die Politik tun sollte. Sie soll die Menschen schützen, und nicht deren Freiheiten. Sie sollen selber wählen, wer sie sein und was sie tun wollen. Und es gibt keine Regierung, die das Recht hat, ihnen dieses Recht wegzunehmen. Für mich ist das der Punkt, an dem die Diskussion beginnen sollte. Warum und wieso wird versucht, ein Gesetz durchzusetzen, das Menschen, die aus diesen Ländern kommen und Bürger des Landes sind, entmenschlicht und vollständig ausschliesst? Sie haben das Recht, zu wählen und ein anständiges Leben zu führen wie alle anderen Menschen auch. Das ist für mich keine Führung, das ist Feigheit.

Angélique Kidjo, herzlichen Dank für das Interview und wir freuen uns auf das Konzert am 4. Mai im Zürcher Volkshaus.