INTERVIEW: Sheppard

Ungewöhnliche Zeiten verlangen ungewöhnliche Herausforderungen, haben sich auch Sheppard gedacht, und so haben sie während eines Jahres jeden Monat eine neue Single vorgestellt. Diese Sammlung haben sie nun unter dem Titel Kaleidoscope Eyes als ihr drittes Album veröffentlicht.

gay.ch hat George Sheppard zu ihren LGBTI+ Fans, über den Gay & Lesbian Mardi Gras in Sydney, das Eurovision-Fieber in Australien und natürlich zu ihrem jüngsten Album befragt.

Zunächst eine einfache, aber vielleicht die wichtigste Frage: Wie geht es euch und wie geht ihr als Künstler und Musiker mit den aktuellen Umständen um?
Hey, danke für die Frage! Uns geht's gut. Wir sind alle sicher, gesund und glücklich, und ich denke, in der heutigen Zeit ist das alles, was man sich wünschen kann. Als Musiker haben wir ein Jahr wie auf einer Achterbahn hinter uns. Internationale Tourneen gab es natürlich nicht, und da die meisten unserer Fans in Übersee sind, war es sehr ärgerlich, dass wir keine Shows für sie spielen konnten. Wir wussten uns aber trotzdem zu beschäftigen! Während des gesamten Jahres 2020 haben wir uns selbst der Herausforderung gestellt, jeden Monat eine neue Single zu veröffentlichen, was nicht eben einfach war, aber wir haben es geschafft! Das alles wurde nun in unserem dritten Studioalbum "Kaleidoscope Eyes" zusammengefasst, welches im Februar dieses Jahres veröffentlicht wurde.

Ehrlich gesagt, waren wir ein bisschen neidisch, als wir die grossen Feierlichkeiten beim Sydney Gay & Lesbian Mardi Gras Anfang März 2021 gesehen haben, da wir hier noch immer im Party/Festival-Lockdown sind: Was bedeutet die LGBTI+ Community für euch und habt ihr mal schon am Mardi Gras teilgenommen?
Für uns repräsentiert die LGBTI+ Community und der Mardi Gras den Höhepunkt von Akzeptanz, Ausdruck und Selbstliebe. Ja, wir haben in einigen Teilen der Welt noch einen gewissen Weg vor uns, aber wir sind unglaublich dankbar, dass die Menschheit an einem Punkt angekommen ist, und wir angefangen haben zu akzeptieren, dass Liebe nun mal Liebe ist. Es wird kulturell immer mehr akzeptiert, sich selber zu sein. Beim Mardi Gras waren wir aber noch nie persönlich, aber es sieht so aus, als ob man dort die tollste Zeit haben kann. Wir haben viele Freunde in der LGBTI+ Community, die einige der schönsten, brillantesten und wunderbarsten Menschen auf der Welt sind, und wir werden immer als Allys zu ihnen stehen.

Du hast es vorher bereits angesprochen: Wie ein Geschenk für eure Fans, habt ihr im vergangenen, turbulenten Jahr jeden Monat einen neuen Song veröffentlicht: Was bedeutet das Kaleidoscope Eyes-Projekt für euch, und was war euer Ziel mit dieser eher ungewöhnlichen Art, ein Album Song für Song über ein Jahr hinweg zu veröffentlichen?
Ich glaube, wir wollten uns wirklich einfach nur einer Herausforderung während diesem Jahr widmen. Wir wollten ein drittes Album aufnehmen, und so dachten wir uns: "Was passiert, wenn wir das gesamte Album Song für Song veröffentlichen, mit jedem Track auf dem Album als eigene Single?". Was uns dabei auffiel, war, dass wir mehr denn je mit unseren Fans interagieren konnten. Sie schätzten die kontinuierliche, episodische Veröffentlichung neuer Musik sehr. Es war etwas, auf das man sich jeden Monat freuen konnte. Selbst für uns war es eine unglaublich befreiende Art, Musik zu veröffentlichen - wir mussten nicht monatelang auf die Veröffentlichung eines Songs warten, wir mussten uns nicht darum kümmern, wie er in den Charts abschneidet oder performt, wir haben ihn einfach... veröffentlicht und sind zum nächsten übergegangen! Es war sehr befreiend und kreativ. Wahrscheinlich unser Lieblings Sheppard-Album, welches wir bis jetzt veröffentlicht haben :)

Einige der neuen Songs habt Ihr während eines längeren Aufenthalts in Kalifornien aufgenommen: Wie war euer US-Abenteuer in Bezug auf das Schreiben von Songs, das Reisen, die neue Umgebung, die neuen Einflüsse?
Wir genießen es immer, für das Songwriting zu reisen. Wir scheinen unsere Musik durch Visuals zu filtern. Wir sind eine sehr visuelle Band. Wir werden also sehr stark von unserer Umgebung beeinflusst und davon, wo wir uns gerade in der Welt befinden. Unser Aufenthalt in Kalifornien hat uns einige klare Einflüsse für Tracks wie "Catalina" gegeben, wo man den sonnengeküssten Hauch von Rock'n'Roll hören kann. Viele Tracks wurden auch in Schweden geschrieben, einem Land, in dem wir noch nie zuvor waren, was uns diesen unglaublichen neuen "nordischen" Geschmack in unserer Musik gab. Wir können es kaum erwarten, wieder international zu reisen, damit wir wieder neue Einflüsse finden können!

Body Shaming und Body Positivity ist auch in der LGBTI+ Community ein großes Thema: Ihr, vor allem Amy, habt die Kiss My Fat Ass-Kampagne gegründet. Wie seid ihr auf diese Kampagne gekommen und was sind eure Pläne und Projekte dort?
Amy's globale Kampagne zur Selbstliebe "Kiss My Fat Ass" startete im Jahr 2019. Sie erklärte es damals so: "Solange ich mich erinnern kann, wollte ich eine Pop-Künstlerin sein. Ich kämpfte wirklich damit, so zu werden, wie ich es von meinen Idolen und Vorbildern auf der Bühne sah. Mein Körper war nicht wie der dieser perfekten Pop-Prinzessinnen. Ich machte Jo-Jo-Diäten, verfiel in ungesunde Essgewohnheiten und sehnte mich ständig danach, schlanker, glatter und makelloser zu sein. Es war ein nie endender Kampf, bis ich eines Tages beschloss, dass ich genug habe. Erst als ich mein erstes Foto postete, auf dem meine perfekten, klumpigen Beine zu sehen waren, wurde mir klar, dass Frauen und Mädchen auf der ganzen Welt auch genug davon hatten! Ich möchte, dass Mädchen und Frauen meinen Körper sehen und sagen: "Hey! Sie hat auch Cellulite und Röllchen und ist trotzdem schön und erfolgreich". Ich möchte nicht, dass Frauen sich von den hochglänzenden, "perfekten" und falschen Idealen, wer und was Frauen sein sollten, herabgesetzt fühlen. Wir ALLE haben Unvollkommenheiten, also warum sehen wir nicht mehr davon in den Mainstream-Medien?"

Ihr wart mit Justin Bieber, Meghan Trainor, Robbie Williams, Elton John und Keith Urban auf Tour: Was kommt Dir in den Sinn, wenn Du an diese Touren zurückdenkst?
Es ist schwer, an diese Touren zurück zu denken und nicht etwas anderes als Dankbarkeit zu empfinden. Wir hatten so ein Glück, dass wir mit so unglaublichen Künstlern auftreten durften, und wir haben so viel gelernt. Was uns wirklich auffiel, war, wie bescheiden diese Künstler während ihrer Arbeit waren. Diese Tourneen sind nie einfach, aber all diese hochkarätigen Künstler hatten immer noch so viel Energie und Zeit für ihre Fans, ihre Crew und ihren Support Act (uns!). Wir werden diese Touren immer als unsere Tournee-Ausbildung betrachten - fast so, als wäre es eine Band-"Universität", und was für tolle Lehrer wir hatten!

Ihr habt versucht, beim Eurovision Song Contest für Australien anzutreten: Was bedeutet der ESC für euch, und woher kommt diese Faszination für den Contest in Australien?
Ich glaube, Australien ist ein bisschen vernarrt in den Eurovision Song Contest, weil wir nicht wirklich viele Möglichkeiten haben, Popmusik zu machen. Die australische Musikszene ist sehr "indie" und so etwas wie der Eurovision gibt denjenigen in Australien, die eine Affinität zu diesem Stil der Popmusik haben, einen Kick. Wir haben uns sehr geehrt gefühlt, dass wir für so einen ikonischen, langjährigen Musikwettbewerb in Betracht gezogen wurden. Es hat so viel Spaß gemacht, Teil dieser Show zu sein, und auch wenn wir letztendlich nicht ausgewählt wurden, Australien zu vertreten, haben wir dennoch so viele Fans in ganz Europa gewonnen! Vielleicht werden wir es eines Tages noch einmal versuchen ;)