BRASILIEN: Neue Anklagen im Fall der ermordeten, lesbischen Stadträtin

BRASILIEN: Neue Anklagen im Fall der ermordeten, lesbischen Stadträtin
Sie war queer, sie war schwarz und sie war äusserst beliebt in Rio De Janeiro, aber eben nicht bei allen: Sie machte auch Korruption und Machtmissbrauch aufmerksam, kritisierte die Politik wie auch die Polizei, und wohl deshalb musste sie mit ihrem Leben bezahlen. Die Stadträtin Marielle Franco und ihr Fahrer wurden im März 2018 brutal ermordet. Nun wurden neue Anklagen erhoben...

Sie machte, was viele nicht wagten. Sie kritisierte die Polizei für ihr oftmals brutales und nicht selten tödliches Vorgehen in den Slums von Rio, und knöpfte sich auch die sogenannten Militias vor, mächtige, kriminelle Banden, welche oft von ehemaligen oder pensionierten Polizeibeamten geleitet werden. Dieses Engagement bezahlte sie mit dem Leben, den wer sich mit diesen Strukturen anlegt, der lebt gefährlich. Im März 2018 wurde Stadträtin Marielle Franco zusammen mit ihrem Fahrer Anderson Gomes auf offener Strasse erschossen - mit Kugeln von der Polizei. Ihre Ermordung schockierte Brasilien und führte zu Protesten gegen die grassierende Gewalt im ganzen Land. Zahlreiche junge Frauen und schwarze Kandidaten sahen sich zudem von ihr inspiriert und wagten den Schritt in die Politik um etwas zu verändern.

Bereits im März, ein Jahr nach der Ermordung von Franco, wurden zwei ehemalige Polizisten wegen Verbindungen zum Mord angeklagt. Doch noch immer gibt es weder ein Motiv noch sind weitere Hintergründe bekannt. Es wird angenommen, dass die Morde von langer Hand und von einem kriminellen Netzwerk geplant wurde. Die Untersuchungen dazu laufen aber mehr als schleppend. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat die Generalstaatsanwältin Raquel Dodge an ihrem letzten Tag im Büro gegenüber Reportern erklärt, dass sie neu auch Anklage gegen zwei Gerichtsmitarbeiter, zwei weitere Polizisten und gegen eine Anwältin erhoben habe. Ihnen wirft sie Justizbehinderung bei den Untersuchungen zum Mordfall vor. Dodges Amtszeit von zwei Jahren ist nun beendet.

Dass nicht alles mit rechten Dingen zu und her geht, hat sich offenbar bereits im vergangenen November gezeigt, als Bundesangestellte erklärten, dass gewisse „Zeugen“ angeblich Fehlinformationen verbreiten würden um die Untersuchungen zu behindern. Aus diesem Grund hat Dodge nun diese neuen Anklagen erhoben. Diese, sowie auch den Antrag, dass der Mordfall neu vom Land Brasilien untersucht werden soll, und nicht mehr von den Lokalbehörden in Rio, muss nun vom Obersten Gericht genehmigte werden. Normalerweise ist dies jedoch reine Formsache und wird eigentlich immer genehmigt.

Raquel Dodge wird nun durch einen neuen Generalstaatsanwalt ersetzt, welcher durch den rechtsgerichteten Präsidenten Jair Bolsonaro eingesetzt wurde. Ob er den Mord an Marielle Franco ebenso konsequent verfolgen wird wie Dodge ist unklar, war Marielle Franco doch auch eine erbitterte Gegnerin Bolsonaros...