RUSSLAND: Meist frequentierte Gay-Webseite gesperrt
Das Internet bot bislang eine der einzigen Möglichkeiten für Schwule, Lesben und Transgender in Russland, wo sie sich mehr oder weniger frei ausdrücken konnten. Es kam zwar immer wieder zu Sperrungen von gewissen Seiten, doch die waren teilweise nur von kurzer Dauer oder konnten umgehen werden. Gerade Online-Dating-Websites wuchsen rasant und waren selbst in ländlichen Gebieten äusserst beliebt. Doch nun ist auch dieser vermeintlich sichere Hafen bedroht. Alles nahm seinen Anfang in der kleinen russischen Stadt Parabel in Sibirien. Ohne Vorwarnung und auch ohne klare Begründung entschied dort ein lokales Gericht, dass die Webseite BlueSystem gesperrt werde. Dies ist eine der beliebtesten Gay-Homepages im russischen Internet Runet und wird tagtäglich vor über 100‘000 Menschen besucht. Die russische Medienbehörde Roskomnadzor setzte das Urteil sofort um und sperrte die Seite. Immer mehr Internetprovider reagierten darauf ebenfalls mit der Sperrung der Seite, und dies ohne die Administratoren von BlueSystem überhaupt zu informieren. Vor wenigen Tagen, kurz nach den Parlamentswahlen, ist die Webseite nun plötzlich in ganz Russland nicht mehr erreichbar.
Der Kreml habe Angst vor den Gays, schreiben die Administratoren nun in einer Stellungnahme, welche sie über ihre Seite beim Sozialen Netzwerk VKontakte veröffentlichten, dem russischen Äquivalent zu Facebook. Kurz nach den Duma-Wahlen habe der Kreml seine repressive Maschinerie angeworfen und eine der populärsten, russischen Gay-Seiten auf eine Liste von gesperrten Websites gesetzt. Menschenrechtsaktivisten in Moskau haben dieses Vorgehen offenbar bereits erwartet. Tanya Lokshina von Human Rights Watch erklärte etwa gegenüber The Daily Beast, dass LGBT-Inhalte als Teil einer breitangelegten Kampagne gegen die freie Meinungsäusserung im Internet gesperrt werden. Die Behörden seien auch daran die Seite Children-404 (Deti-404) zu blockieren, welche sich explizit an jugendliche LGBTs richtet.
BlueSystem war einerseits eine Website für Online-Dating, aber auch ein Sprachrohr für die Community. So wurde auch über das politische Geschehen in Russland berichtet, über die Repression gegenüber der Community, über Menschenrechtsverletzungen, Gerichtsurteile und Versuche, Pride-Veranstaltungen zu organisieren, welche aber von den Behörden jeweils wieder verboten wurden. Weiter bot die Seite auch Hilfestellungen für LGBTs, wie sie im russischen Alltag sicher leben und sich schützen können.