SCHWEIZ: Diskriminierungen in der Armee sind häufiger als in der Gesellschaft
Die Befragung von insgesamt 1126 Armeeangehörigen der Schweizer Armee hat ergeben, dass insbesondere Frauen und queere Menschen im Umfeld der Armee besonders häufig von sexuellen und geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind. Dabei zeigte sich auch, dass Diskriminierungen in der Armee häufiger vorkommen, als in der Gesellschaft insgesamt. Damit scheint die Schweizer Armee für ein Umfeld mitverantwortlich zu sein, in dem Gewalt besonders stark ausgeprägt ist und gedeiht, schreiben die queeren Dachverbände Transgender Network Switzerland (TGNS), Pink Cross und die Lesbenorganisation Schweiz (LOS) in einer Pressemitteilung.
Trotz der eigentlich bekanntgegebenen Nulltoleranz, sei die Diskriminierung tief in den Strukturen der Armee verwurzelt, und nicht auf individuelles Verhalten zurückzuführen. Dies mache die Umfrage deutlich. Damit scheitere die Armee an ihrer Hauptaufgabe, nämlich alle Bürger:innen des Landes zu schützen.
Als junger, schwuler Mann werde man gezwungen, eine absurde Entscheidung zu treffen: Entweder man ertrage Homophobie, Diskriminierung und sexualisierte Gewalt oder bezahle es mit Wehrpflichtersatz oder längerem Zivildienst, erklärt Roman Heggli, Geschäftsleiter von Pink Cross in einer Stellungnahme. Trotz Lippenbekenntnissen zur ‘Nulltoleranz’, bleibe die Machokultur der Armee aber offensichtlich ungebrochen – jetzt müsse durchgegriffen werden.
Trans und nicht binäre Personen seien mit erheblichen strukturellen Diskriminierungen und spezifischen Herausforderungen konfrontiert, und die bisher vorgesehenen allgemeinen Massnahmen greifen nicht tief genug, heisst es auch von Anis Kaiser, Leitung Advocacy von TGNS. Es brauche ein systematisches Vorgehen, das die stark binären Strukturen der Armee hinterfrage. Die Ergebnisse der Umfrage seien besorgniserregend genug, um die Dienstpflicht für trans Personen infrage zu stellen. Die Gefahr sei so hoch, dass der Militärdienst für trans Personen nicht obligatorisch sein könne, und dass Zivildienst und Zivilschutz tatsächlich zugänglich sein müssen, ohne Teilnahme an der Aushebung, so Kaiser weiter. Schliesslich bedürfe der Rekrutierungsprozess, insbesondere die speziellen Kommissionen, einer Überarbeitung: Trans Personen sollten nicht irrelevante Fragen zu ihrer Geschlechtsidentität ausgesetzt sein, und eine fundierte Schulung der Militärärzte ist entscheidend für einen respektvollen Umgang mit den Identitäten aller, heisst es von TGNS weiter.
Auch Alessandra Widmer, Co-Geschäftsleiterin der LOS, betont, dass Gewalt und Diskriminierung gegen LGBTIQ-Personen in den allermeisten Fällen von cis heterosexuellen Männern ausgehen. Als junge Männer erleben sie im Militär, dass die Diskriminierung von Minderheiten toleriert, ja sogar bestärkt werde. Die Gewalt im Dienst führe zu mehr Gewalt in der Gesellschaft, so Widmer weiter.
Neben dem Bericht hat die Schweizer Armee auch einen Aktionsplan gegen Diskriminierung und sexualisierte Gewalt der Fachstelle Frauen in der Armee und Diversity (FiAD) veröffentlicht. Die queeren Dachverbände erklärten dazu, dass sie dies als längst fälligen ersten Schritt sehen, und sie fordern, dass die Massnahmen mit LGBTQ+ spezifischen Massnahmen ergänzt werden.