SCHWEIZ: Erstes Urteil aufgrund von LGBTI+ feindlichem Hass
Mit der Erweiterung der Anti-Rassismusstrafnorm, über welche die Schweizer Stimmbevölkerung abgestimmt hat, erhielten die Gerichte ab Juli 2020 die Möglichkeit, queerfeindliche Äusserungen zu bestrafen. In Lausanne kam es nun erstmals in der Schweiz zu einem entsprechenden Urteil. Ein Mann wurde für seine entsprechenden Aussagen zu einer 60-tägigen Haftstrafe verurteilt. Dieses Urteil kam nicht zuletzt durch den Einsatz der LGBTI+ Dachverbände zustande, welche bei der Staatsanwaltschaft intervenierten und sich für eine Berufung stark machten.
Der als rechtsextrem geltende Mann griff im Jahr 2021 in einem Video auf seiner Homepage eine Journalistin mit äusserst LGBTI+ feindlichen Äusserungen an. Darauf reichten die queeren Dachverbände der Schweiz zusammen mit verschiedenen Organisationen Klage gegen den als Wiederholungstäter bekannten Mann ein. Das Lausanner Polizeigericht beurteilte den Fall und entschied am 16. Dezember 2022 einzig, den Mann wegen Verleumdung anzuklagen, nicht aber wegen LGBTI+ feindlichem Hass. Die queeren Dachverbände machten sich darauf bei der Staatsanwaltschaft für einen Rekurs stark. Darauf hatte das Kantonsgericht der Waadt den Fall neu zu beurteilen.
Am Montag haben die Richter nun ihr Urteil bekanntgegeben: Die Entscheidung der vorgängigen Instanz wurde korrigiert und der Angeklagte wurde wegen LGBTI+ feindlichen Äusserungen zu einer 60-tägigen Haftstrafe verurteilt. Es ist das erste Mal in der Schweiz, dass jemand explizit aufgrund von queerfeindlichen Aussagen und Hass verurteilt wurde.
"Es darf nicht vergessen werden, dass solche Aussagen direkte und besorgniserregende Auswirkungen auf die LGBTIQ-Gemeinschaft in der Schweiz haben", erklärt Roman Heggli, Geschäftsleiter von Pink Cross, zum Urteil. "Die Statistiken sind alarmierend, mit einem Anstieg der Hate Crimes um 50 % im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr, wie unser Bericht vom Mai 2023 zeigt. Diese Zahlen verdeutlichen die dringende Notwendigkeit, jegliche Aufstachelung zu homophobem Hass gemäss Artikel 261bis des Schweizer Strafgesetzbuches zu verfolgen. Wir rufen zu einer rigorosen Anwendung des Gesetzes auf, um Hass und Intoleranz gegenüber unserer LGBTIQ-Gemeinschaft in der Schweiz zu bekämpfen."
Ähnlich klingt es auch von Muriel Waeger, der Co-Geschäftsführerin der LOS: "Diese Gerichtsentscheidung ist ein Schlüsselmoment für die Justiz und die Rechte von LGBTIQ-Personen in der Schweiz. Die Verurteilung von Alain Soral sendet ein starkes Signal, dass homophober Hass in unserer Gesellschaft nicht toleriert wird. Ausserdem ist es ein entscheidender Schritt bei der Anwendung des 2020 vom Schweizer Stimmvolk angenommenen Artikels im Strafgesetzbuch."