SCHWEIZ: Familienverbände unterstützen die Variante 2 der Ehe für alle
Der Gesetzesvorentwurf der Ehe für alle in der Schweiz sieht zwei Varianten vor, eine ohne und eine mit dem Zugang zu medizinischen Fortpflanzungsverfahren. Während sich die Regenbogenfamilien schon lange für die Variante 2 einsetzt, so hat der Dachverband nun äusserst prominente Unterstützung für dieses Anliegen bekommen. Sowohl Pro Familia, die Dachorganisation von über 40 nationalen Mitgliederorganisationen und von kantonalen Pro Familia Sektionen, wie auch der Schweizerische Katholische Frauenbund SKF mit seinen 130'000 Mitgliedern und der Verein für elterliche Verantwortung VeV, der sich für Eltern in Trennung und Scheidung einsetzt, stellen sich öffentlich hinter die Variante 2 der Ehe für alle, und damit gegen neue Diskriminierungen.
Maria von Känel vom Dachverband für Regenbogenfamilien unterstreicht, dass zwischen der Eingetragenen Partnerschaft und der Ehe gewichtige Differenzen bestehen. Diese würden nicht auf sachlichen Gründen basieren. Die Bundesverfassung schreibe zudem vor, dass die Diskriminierung wegen der Lebensform oder des Geschlechts unzulässig sei, so Maria von Känel weiter. Und da die Umschreibung der Lebensform nach dem parlamentarischen Willen in erster Linie die sexuelle Orientierung bezeichne, verstosse der Ausschluss von gleichgeschlechtlichen Paaren von der Ehe und der Fortpflanzungsmedizin gegen die Verfassung und müsse beseitigt werden. Die aktuelle Situation für LGBTI+ Paare mit Kinderwunsch sei höchst unbefriedigend, da es etwa keine Möglichkeit ab Geburt gibt, gemeinsam ein Kindesverhältnis zu begründen. Gemeinsam mit anderen Familienorganisationen setzt sich der Dachverband für Regenbogenfamilien daher für die Gleichstellung ein und bedankt sich herzlich für die Solidarität zur Stärkung der Familienvielfalt, erklärt Maria von Känel weiter.
Der Dachverband Pro Familia Schweiz bedankte sich an der Pressekonferenz für die Möglichkeit für die Ehe für alle Stellung zu beziehen. So sehe der Verband in dieser Vorlage eine Möglichkeit zur Stärkung der Familien. Unter der aktuellen Gesetzgebung mit der Eingetragenen Partnerschaft, welche seit 2007 gilt, und der Stiefkindadoption, welche 2018 eingeführt wurde, würden rechtliche Unsicherheit bestehen bleiben, so Valérie Piller Carrard, Nationalrätin und Präsidentin von Pro Familia Schweiz. Aus diesem Grund unterstütze der Dachverband die Variante 2 mit dem Zugang zu medizinischen Fortpflanzungsverfahren für Frauenpaare, da nur so die rechtliche Gleichstellung der Familien im Rahmen der aktuellen Gesetzgebung erreicht werden könne. Dadurch werde die Gleichbehandlung der Familien erreicht, welche für die Akzeptanz der verschiedenen Formen unumgänglich sei. Die Akzeptanz könne sich dann wiederum auf das Wohlbefinden aller Familienmitglieder günstig auswirken. Das Kindeswohl stehe zudem heute nicht im Zentrum, denn die bisherigen Regelungen würden von einem überholten Familenbild zeugen, und sollten daher der Realität angepasst werden, heisst es von Pro Familia. Der Dachverband befürworte deshalb vorbehaltlos nur eine vollständige Gleichstellung mit einer umfassenden Umsetzung der Ehe für alle. Mit Hinblick auf die anvisierte Gleichstellung und mit Blick auf die bestehenden gravierenden Probleme, sei es unverzichtbar, dass die Variante mit Zugang zur Samenspende umgesetzt werde.
Regula Ott vom Schweizerischen Katholischen Frauenbund SKF erklärt, dass sich der Verbandsvorstand des SKF bereits seit dem Jahr 2001 für eine Öffnung der zivilen und der kirchlichen Ehe für alle einsetze. Das Kindeswohl stehe zudem im Zentrum und deshalb ist der Vorstand auch dafür, dass die Kindesbeziehungen rechtlich abgesichert sind. Aus diesem Grund sollen alle Paare, gleich- wie verschiedengeschlechtlich, Zugang zum Stiefkind- und zum Volladoptionsverfahren haben. Der SKF setze sich zudem auch für den Zugang zu Reproduktionstechnologien für gleichgeschlechtliche Paare ein, so Regula Ott weiter. Aus diesem Grund spreche man sich klar für die Ehe für alle aus und begrüsse die Variante 2 zur Kernvorlage, wodurch der Zugang zur Samenspende für gleichgeschlechtliche, weibliche Paare geöffnet werde.
Ähnlich sieht es auch der Verein für elterliche Verantwortung VeV. Dieser setzt sich seit Jahren für Eltern in Trennung und Scheidung ein. Der Verein plädiert für gute Lösungen für alle Familienformen und setzt sich für die gleichberechtige Elternschaft ein, für gleiche Chancen für Mütter und Väter und gute Voraussetzungen für Kinder. Sie wollen stabile, klare Verhältnisse schaffen, und dies soll auch für gleichgeschlechtliche Paare gelten, so Oliver Hunziker, der Präsident vom VeV. So sollten Gesetze nicht ideologisch gefärbt sein, sondern möglichst gleichwertig für alle Bürger gelten. Somit darf es einen säkulären Staat auch nicht interessieren ob die Kirche damit einverstanden ist oder nicht. Der VeV findet es daher absolut richtig, dass gleichgeschlechtliche Mütter mit der vorliegenden Reform auch den Zugang zur Samenspende erhalten sollen, doch der Verein bedauert es auch gleichzeitig, dass es für gleichgeschlechtliche Männer keine entsprechende Möglichkeit gebe, so Oliver Hunziker. Das Verbot der Leihmutterschaft sei aber begründet, und damit sei dieser Weg versperrt. Es bleibe allerdings zu hoffen, dass hier ebenfalls griffige Lösungen gefunden werden können, sei es über die Adoption oder anders. Die Ehe für alle sei keine Revolution, schliesst Oliver Hunziker seine Ausführungen, sondern die logische Umsetzung ins Recht von einer Realität die schon lange da sei und an der überhaupt nichts seltsam sei.
An der Pressekonferenz in Bern wurde deutlich, dass die aktuelle Situation für gleichgeschlechtliche Paare untragbar ist und viele rechtliche Unsicherheiten beinhaltet. Aus diesem Grund ist es besonders erfreulich, dass sich mit Pro Familia Schweiz, dem Schweizerischen Katholischen Frauenbund und dem Verein für elterliche Verantwortung gleich drei wichtige und einflussreiche Familienorganisationen hinter die Anliegen der LGBTI+ Community stellen und die Variante 2 der Ehe für alle vorbehaltlos unterstützen. Ein enorm wichtiges Zeichen, sei es für die kommenden Abstimmungen und Debatten im Parlament, oder allenfalls auch für eine mögliche Volksabstimmung, falls das Referendum ergriffen werden sollte...