SCHWEIZ: Ueli Maurer soll Abstimmungs-Dossier abgeben
„Maurer diskreditiert mit seinen Äusserungen Tausende von homo- und bisexuellen Menschen und Transmenschen“, sagt Bastian Baumann, Geschäftsleiter von Pink Cross. „Tagtäglich müssen Lesben und Schwule in der Schweiz wahrnehmen, dass sie nicht dieselben Rechte wie Heterosexuelle haben und einem Regierungsvertreter ist diese Ungerechtigkeit einfach egal“, kritisiert Baumann. Baumann verweist darauf, dass in der Schweiz der Schutz von Minderheiten eine lange Tradition hat.
Maurer missachtet Prinzipien der Verfassung
Dass auch Bevölkerungsgruppen, die statistisch keine Mehrheit ausmachen, vor rechtlichen Diskriminierungen geschützt sind, ist ein politisch wichtiges Anliegen. Deshalb gilt in der Schweiz auch ein Nichtdiskriminierungsgebot, wie es in Artikel 8 der Bundesverfassung zum Ausdruck kommt. Solch verbale Entgleisungen, wie sie Maurer von sich gibt, sind eines Bundesrates nicht würdig und es ist völlig deplatziert, gerade bei der Diskussion um eine Abstimmungsvorlage, die eine Diskriminierung in der Bundesverfassung verankern will, derart unsensibel mit der Materie umzugehen. LOS, Pink Cross, fels und TGNS fordern daher, dass Maurer das Abstimmungsdossier per sofort an ein Mitglied des Bundesrates abgibt, das sich an das Nichtdiskriminierungsgebot der Bundesverfassung hält.
20 Unterschiede zwischen Ehe und eingetragener Partnerschaft
Maurer behauptete im Interview mit dem Tages-Anzeiger, dass Homosexuelle mit der eingetragenen Partnerschaft nicht diskriminiert seien. Beim genaueren Hinsehen, sind die Unterschiede zwischen Zivilehe und registrierter Partnerschaft allerdings frappant. „Die Ehe hat erstens einen besonderen symbolischen Wert“, sagt Bastian Baumann. „Zweitens weist die registrierte Partnerschaft laut Bund 20 gesetzliche Unterschiede zur Zivilehe auf“, so Baumann. Zudem müssen sich Homosexuelle in registrierter Partnerschaft gegenüber dem Arbeitgeber, bei der Wohnungssuche und beim Abschliessen von Versicherungen jeweils bei der Angabe des Zivilstandes als schwul oder lesbisch outen, was leider immer noch zu deren Nachteil ausfallen kann. „Seit 1848 gibt es in unserer Bundesverfassung keine konkrete Ehedefinition – nun scheint es die CVP plötzlich als notwendig anzusehen, ein faktisches Ehe-Verbot für Homosexuelle festzuschreiben“, so Baumann.
CVP torpediert den Prozess zur Öffnung der Zivilehe
Die CVP-Initiative torpediert den angelaufenen politischen Prozess zur Öffnung der Zivilehe für gleichgeschlechtliche Paare. In einer Umfrage vom November 2015 haben sich 70,4% der Bevölkerung für die Öffnung der Ehe geäussert. Mehr als 10 Jahre nach der Abstimmung zum Partnerschaftsgesetz wäre die Zeit reif dafür, dass sich das Schweizer Stimmvolk an der Urne zu dieser Frage äussern könnte. Für eine solche Volksabstimmung genügt ein entsprechendes Bundesgesetz als Vorlage. Zur Frage der Eheöffnung braucht es keinen Verfassungsartikel.
Ein Ehe-Verbot wie es die CVP vorsieht, würde die Schweiz auch im internationalen Vergleich weit zurückwerfen. Bereits heute belegt die Schweiz nur Platz 31 im europäischen Ranking für LGBT-Rechte.
Die Aussagen im Tages-Anzeiger-Interview vom 5. Februar mit Ueli Maurer im Wortlaut:
Abgelehnt wird das CVP-Begehren auch von den Homosexuellen, weil es die Ehe als Bund zwischen Mann und Frau definiert. Was sagen Sie als SVP-Konservativer dazu?
Maurer: In diesem Punkt verstehe ich die Aufregung nicht so ganz. Die geltende Auffassung der Ehe als Lebensgemeinschaft von Mann und Frau entspricht der heutigen Auslegung der Verfassung. Sie deckt sich auch mit der Definition der UNO und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Mir ist es mit diesem Ehebegriff wohl. Die eingetragene Partnerschaft sichert den homosexuellen Paaren die gleichen Rechte und Pflichten wie den Ehepaaren – es fehlt einfach der Begriff der «Ehe». Von Diskriminierung kann keine Rede sein.
Finden Sie, das Parlament müsste die laufenden Gesetzesprojekte für eine Öffnung der Ehe stoppen, falls die Initiative vom Volk angenommen wird?
Der Begriff „Ehe“ wäre dann wohl für Mann und Frau reserviert. Rechtlich sollte das für andere Lebensformen aber kein Problem darstellen.