USA: Schwul, Republikaner, frisch gewählt und notorischer Lügner
Er sei nicht kriminell, weder hier noch irgendwo sonst, er habe noch nirgends auf der Welt eine strafbare Handlung begangen, so George Santos in einem Interview. Um es auf den Punkt zu bringen, er sei kein Betrüger. Er sei kein Krimineller, der sich eine fiktive Figur ausgedacht habe um für den Kongress zu kandidieren und um damit das ganze Land zu betrügen. Er sei schon lange im Geschäft und viele Leute würden in ihren Lebensläufen zu viel angeben, übertreiben oder Sachen ein wenig verdrehen. Darauf stellt George Santos auch klar, dass er nicht sage, dass er sich dessen schuldig gemacht habe. Seine Sünde sei nur gewesen, dass er seinen Lebenslauf etwas verschönert habe, und das tue ihm Leid.
Geht es nach investigativen Journalisten, dann dürfte diese Aussage mächtig untertrieben sein. Immer neue Fakten kamen zu Tage und George Santos musste nun immer weiter zurückkrebsen und immer mehr Punkte in seinem Lebenslauf berichtigen. Dabei handelt es sich um schwerwiegende Falschangaben und blanke Lügen, von seiner Ausbildung über angebliche Jobs bis hin zu seiner eigenen Familiengeschichte.
In Bezug auf sein Arbeitsleben erklärte er, dass er für Citigroup und Goldman Sachs gearbeitet habe. Beide Firmen meldeten sich nun zu Wort und erklärten, dass sie keine Dokumente haben, welche zeigen, dass Santos tatsächlich für sie gearbeitet habe. Der Politiker krebste schliesslich zurück und gab zu, dass er nie direkt für diese Firmen gearbeitet habe, und dass er in seinem Lebenslauf eine schlechte Wortwahl getroffen habe.
Auch bezüglich seiner akademischen Laufbahn hat George Santos gelogen. So gab er an, dass er einen Abschluss in Finanz- und Wirtschaftswissenschaften am Baruch College der New York University gemacht habe. Wie ein Bericht der New York Times aufzeigt, war auch dies eine blanke Lüge. In einem Interview gab er darauf schliesslich zu, dass er keinen College-Abschluss habe.
Auch bezüglich seiner Homosexualität war George Santos alles andere als ehrlich: Er sei offen schwul und er habe im vergangenen Jahrzehnt nie Probleme damit gehabt, erklärte er gegenüber Medien. In Tat und Wahrheit hat er im Jahr 2012 eine Frau geheiratet, und liess sich erst 2019 von ihr scheiden, wie The Daily Beast berichtet hat. In früheren Interviews behauptete er auch, dass sein Unternehmen vier Mitarbeitende während dem Attentat auf den Pulse Nightclub in Florida verloren hätten. Später musste er auch diese Aussage korrigieren und er meinte, dass diese vier Opfer nur für seine Firma in Orlando arbeiten wollten und sich beworben hätten.
In Bezug auf seine Familie verstrickte sich George Santos offenbar ebenfalls in blanke Lügen, wie Recherchen der New York Times aufzeigen. So erklärte er, dass seine Grosseltern mütterlicherseits während des Holocaust nach Brasilien ausgewandert seinen, da sie als Juden aus der Ukraine fliehen mussten. Bald stellte sich aber offenbar heraus, dass seine Grosseltern schon immer in Brasilien lebten, dass er nie Vorfahren in der Ukraine hatte, und dass auch keine seiner Vorfahren jüdisch waren. Auch in Bezug auf seine Mutter verbreitete er lügen: Sie habe als erste, weibliche Führungskraft in einem grossen Finanzhaus im World Trade Center in Manhattan gearbeitet und sei während 09/11 umgekommen. Tatsache ist jedoch, dass seine Mutter Krankenpflegerin war, welche Hausbesuche machte, und dass sie nicht 2001, sondern 2016 starb.
Obwohl bereits vor den Wahlen ein Verdacht für seine wilden Lügen bestand, wurde er bei den amerikanischen Midterms im November für die Republikaner für Teile von Long Island und Queens in New York ins US-Repräsentantenhaus nach Washington DC gewählt. Sieben Wochen nach der Wahl kam nun - vor allem durch Recherchen der New York Times - heraus, dass viele seiner Aussagen über seinen Lebenslauf während dem Wahlkampf gelogen waren.
Am Mittwoch haben nun die Staatsanwaltschaft, sowohl auf nationaler, wie auch auf Ebene des Bundesstaats und des Bezirks bekanntgegeben, dass sie Ermittlungen gegen George Santos aufgenommen haben. Auch seine demokratischen Gegner während dem Wahlkampf forderten, dass er zur Rechenschaft gezogen werden müsse, denn schliesslich habe er die Wähler:innen von Nassau und Queens betrogen.
George Santos hat mittlerweile zwar Fehler eingestanden, sieht aber deshalb keinen Grund, sein Amt im Januar in Washington DC nicht anzutreten. Seine politischen Herausforderer sehen dies selbstverständlich anders und fordern ihn auf, seinen Rücktritt bekanntzugeben um damit Neuwahlen zu ermöglichen. Er solle sich den Wähler:innen ehrlich und mit seinem echten Lebenslauf stellen.