PORTRAIT: Kamala Harris und ihr bemerkenswerter Einsatz für die LGBTI+ Community
Die Wogen im aktuellen Wahlkampf gehen hoch, der Ausgang ist derzeit noch wie vor ungewiss. Gerade für die LGBTI+ Community wird es eine Entscheidung zwischen Himmel und Hölle sein. Während Donald Trump mit seinen Republikanern derzeit massiv gegen die Rechte queerer Menschen, und dabei insbesondere gegen die Rechte von trans Menschen schiessen, so setzt sich Kamala Harris bereits seit Jahrzehnten für die Rechte der LGBTI+ Community ein.
Dass Harris schon früh ihren Fokus auf die Rechte queerer Menschen legte, hat sicherlich auch damit zu tun, dass sie in der Bay Area nahe San Francisco in Kalifornien aufgewachsen ist. In der Stadt begann sie auch ihre politische Karriere und klar, dass sie so auch schon früh mit der vielfältigen LGBTI+ Community in San Francisco in Kontakt kam. Damit einher ging auch, dass sie von den Anliegen und den Bedürfnissen queerer Menschen erfuhr. Wer in der Bay Area aufwächst, der hat mit grosser Wahrscheinlichkeit auch LGBTI+ im eigenen Umfeld.
Bereits vor rund zwanzig Jahren, lange bevor sich eine Präsidentschaftskandidatin, ein Kandidat, geschweige den ein US-Präsident für die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ausgesprochen hat, vollzog Kamala Harris höchstpersönlich Eheschliessungen von gleichgeschlechtlichen Paaren, obwohl damals die entsprechenden Gesetze noch fehlten. Möglich machte dies der sogenannte „Winter der Liebe“ in San Francisco. Gavin Newsom, der heutige Gouverneur von Kalifornien, war damals Bürgermeister der Stadt und wies, quasi in einem Akt der Rebellion, die Bezirksbeamten an, gleichgeschlechtlichen Paaren die Ehe zu ermöglichen.
Die damals frisch gewählte Bezirksstaatsanwältin Kamala Harris war sofort zur Stelle: Trotz parteiübergreifender Kritik und teils heftigen Reaktionen liess sie es sich nicht nehmen und so traute sie am Valentinstag 2004 Brad Witherspoon und Raymond Cobane als eines der ersten gleichgeschlechtlichen Paare der USA. Noch heute schwärmt Witherspoon von Kamala Harris, wenn er an diesen Tag zurückdenkt. Man habe es einfach gemerkt, wie sehr sie sich auch selber auf diese Zeremonie gefreut habe. Sie habe ihnen gesagt, dass sie bei diesem Moment unbedingt mit dabei sein wollte.
Es sei ein spontaner Entscheid gewesen, schrieb Kamala Harris später in ihrem Buch The Truth We Hold über diesen Moment. Eigentlich wollte sie zum Flughafen, entschied sich dann aber rasch im Rathaus vorbeizuschauen. Dort sei sie zusammen mit anderen Beamten der Stadt vereidigt worden und schliesslich habe man in allen Winkeln des Rathauses Ehezeremonien durchgeführt, erinnert sich Harris weiter. Sie sei hocherfreut darüber gewesen, mit dabei zu sein, und es sei eine wunderbare Atmosphäre gewesen, als man ein Liebespaar nach dem anderen willkommen geheissen habe um sie direkt zu trauen. Es sei etwas ganz anderes als sie bislang je erlebt habe und einfach nur wunderschön gewesen.
Das Glück damals war für die queeren Paare leider nur von kurzer Dauer, denn alle Ehen, welche damals während diesem Monat geschlossen wurden, sind ein Jahr später wieder für ungültig erklärt worden. Es sei verheerend gewesen, wurde Kamala Harris damals zitiert.
Wer in der Bay Area aufwächst, der kennt mit grosser Wahrscheinlichkeit gleichschlechtliche Paare, welche bereits seit langer Zeit zusammen sind, erklärt auch Debbie Mesloh, Harris frühere Kommunikationsberaterin während ihrer Zeit als Bezirksstaatsanwältin. Harris habe sich daher schon früh um rechtliche Angelegenheiten gekümmert, welche queere Menschen betrafen. So habe sie damals auch Symposien organisiert, um Staatsanwälte darin zu schulen, wie sie mit der extrem LGBTI+ feindlichen Verteidigungsstrategie von „gay panic“ umgehen sollen. Mit dieser wird versucht für Täter:innen von Hassverbrechen eine mildere Strafe zu erzielen, indem argumentiert wird, dass ein Täter, eine Täterin, quasi unter Schock stand, als sie von der sexuellen Orientierung des Gegenübers erfährt und deshalb dieses Verbrechen begann. Kamala Harris sei richtig wütend über diese Praktiken gewesen, so Mesloh.
Nicht zuletzt durch dieses Engagment in den verschiedensten Belangen und ihrem frühen Support für die LGBTI+ Community ist Harris heute jene Präsidentschaftskandidatin, welche die Ehe für alle als Erstes unterstützt hat. Erst gut acht Jahre später, im Mai 2012, hat sich schliesslich mit Barack Obama erstmals ein US-Präsident für die Einführung der Ehe für alle ausgesprochen, dies nachdem ihn Joe Biden als damaliger Vize-Präsident dazu ermuntert hat. Im Juni 2015 machte schlussendlich das Oberste Gericht der USA den Weg frei für die Ehe für alle und ermöglichte gleichgeschlechtlichen Paaren endlich die gleichgestellte Ehe.
Kamala Harris hat Inklusion auch im beruflichen Alltag schon früh gelebt. So holte sie als einen ihrer ersten politischen Berater Jim Rivaldo mit an Bord. Er war offen schwul und arbeitete zuvor mit Harvey Milk zusammen, dem ersten schwulen Amtsträger der in ein politisches Amt gewählt wurde und später ermordet wurde. Harris Mutter hat Rivaldo schlussendlich gar intensiv gepflegt und bis zum Tod begleitet, als er an Aids erkrankt ist.
Die Unterstützung der Rechte von queeren Menschen war lange politisch äusserst heikel und konnte auch Karrieren knicken, doch trotzdem wagte Kamala Harris diesen Schritt, obwohl auch sie von Kalifornien aus in die nationale Politik aufsteigen wollte. Dass es auch durchaus anders hätte kommen können, zeigte etwa das Beispiel von Gavin Newsom, dem damaligen Bürgermeister von San Francisco und heutigen Gouverneur von Kalifornien. Da er den „Winter der Liebe“ damals ermöglicht hat, erhielt er im selben Jahr keine Redezeit während dem Parteitag der Demokraten. Der Grund lag damals vor allem an Präsident George W. Bush und seinen Republikanern, welche die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zum Politikum hochstilisierten und damit zum kontroversen Thema unter den Wähler:innen machten.
Dass Kamala Harris dieses Wagnis eingegangen ist, danken ihr nun die grossen LGBTI+ Organisationen, indem sie sich geschlossen hinter Harris Kandidatur stellen. Während Jahrzehnten hat sie sich glaubhaft und energisch für die Anliegen queerer Menschen eingesetzt. Für Human Rights Campaign ist daher klar: Viele Politiker:innen sprechen sich zwar für ein Anliegen aus, doch nur sehr wenige krempeln auch tatsächlich die Ärmel hoch und setzen sich dafür ein, um das Leben für andere zu verbessern.
Ählich tönt es auch vom Victory Fund: San Francisco habe sicherlich viel dazu beigetragen, denn in der Stadt waren LGBTI+ bereits eine politische Kraft und geoutet, und so habe die Bevölkerung schon viel früher verstanden, dass Queers einfach auch nur Menschen waren.
Im Parteiprogramm der Demokraten ist die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare längst in Stein gemeisselt, und viele sehen Harris als eine der Wegbereiterinnen, welche dies erst möglich machte. Mit Barack Obama und nun auch mit der aktuellen Regierung von Joe Biden und Kamala Harris als Vize-Präsidentin konnte bereits viel erreicht werden, doch in vielen Bundesstaaten haben die Republikaner auch förmlich gewütet und ein LGBTI+ feindliches Gesetz nach dem anderen verabschiedet. Hier konnten auch Biden/ Harris nichts entgegensetzen.
Sollte Donald Trump den Weg zurück ins Weisse Haus schaffen, dürfte diese Politik auf nationaler Ebene fortgeführt werden. Schafft es hingegen Kamala Harris, und würde sie mit den Demokraten auch eine Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus erzielen, dann könnte es endlich wieder Fortschritte hin zur vollständigen Gleichstellung geben - inklusive einem wirkungsvollen Diskriminierungsschutz in allen Lebensbereichen, wie etwa mit dem seit langem geplanten Equality Act.
Auch als Vizepräsidentin hat ihr Einsatz für die LGBTI+ Community nicht nachgelassen: Sie brachte den Pride Month nach der Ära Trump wieder zurück ins Weisse Haus, besuchte das Stonewall In in New York City, und sie traf Brittney Griner und ihre Ehefrau Cherelle, vor deren ersten Basketballspiel seit sie aus russischer Gefangenschaft zurückkehren konnte. Weiter arbeitete sie am Respect For Marriage Act mit, welcher die Ehe für alle besser durch Angriffe durch das Supreme Court mit seiner konservativen Mehrheit schützen soll. Joe Biden hat ihr dafür jenen Stift als Andenken überlassen, mit welchem er dieses Gesetz unterschrieb und es somit in Kraft treten liess.