PORTRAIT: Nymphia Wind und ihr Engagement für Taiwan
Was für eine Biografie: Geboren in Los Angeles, aufgewachsen bis zum Alter von sechs Jahren in Hong Kong, danach mit der Familie nach Taiwan gezogen. Darauf in England Fashion studiert, in Taipeh als Drag Queen auf der Bühne performt, vor der Fernsehkamera gestanden, Awards abgeräumt, schliesslich im August 2022 nach Brooklyn, New York, gezogen und 2024 die 16. Staffel von RuPaul's Drag Race gewonnen.
Dieser Sieg blieb selbstverständlich auch in ihrer Heimat Taiwan nicht unbemerkt, und so wurde Nymphia Wind sogar von der damaligen taiwanesischen Staatspräsidentin Tsai Ing-wen eingeladen um im Präsidialamt in Taipeh zu performen. Tsai Ing-wen ist bekannt für ihren Support für die LGBTI+ Community, war es doch während ihrer Amtszeit, dass das Land als erstes in ganz Asien die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet hat.
Taiwan und dabei insbesondere die Hauptstadt Taipeh ist für ihre lebendige LGBTI+ Community bekannt und im Oktober ist die Metropole im Norden der Insel jeweils Heimat der nach Tel Aviv grössten LGBTI+ Pride in Asien mit jeweils weit über 100'000 Teilnehmenden. Noch immer werden die LGBTI+ Rechte weiter ausgebaut, so dass in der Zwischenzeit auch gleichgeschlechtliche Ehen zwischen Taiwanes:innen und Chines:innen geschlossen werden können, obwohl China noch meilenweit davon entfernt ist, die Ehe für alle anzuerkennen.
Das schwierige Verhältnis zwischen Taiwan und dem grossen Nachbarn China thematisiert auch Nymphia Wind immer wieder, so zuletzt während ihrem Auftritt an der Paris Cultural Olympiad während den Olympischen Spielen. So kritisierte sie auf der Bühne, dass es während den Wettkämpfen aufgrund einer Intervention Chinas nur "Chinese Taipei" heissen darf. Sie hielt dabei klar und deutlich fest, dass es in ihrer Welt noch immer Taiwan heisse, und es eine grosse Ehre für sie sei, dass sie Taiwan im Ausland repräsentieren dürfe.
Vor ihrem Auftritt zum 21. Geburtstag der Zürcher Partyreihe Boyahkasha hat Nymphia Wind gegenüber gay.ch verraten, auf was sie sich während ihrem Besuch in der Schweiz freut, wie es sich derzeit in ihrer Wahlheimat unter Trump lebt, und wie es war, vor der taiwanesischen Staatspräsidentin zu performen.
gay.ch: Herzlichen Glückwunsch zu deinem Sieg bei RuPauls Drag Race im vergangenen Jahr: Wie hat dieser Sieg dein Leben verändert, da Du ja schon vorher sehr erfolgreich warst?
Nymphia Wind: Zu gewinnen war fantastisch und eine grosse Ehre für mich bei einer so starken Besetzung an Queens in meiner Staffel. Ich wollte schon immer in die Show gehen, damit ich die Mittel habe, um mein Schaffen zu verbessern, was schlussendlich auch der Grund dafür ist, dass ich überhaupt Drag mache.
Da Du gewonnen hast, reist du derzeit auch viel umher: Warst du schon in der Schweiz und worauf freust Du dich, wenn Du in Zürich bei Boyahkasha auftrittst?
Ja, ich hatte das Glück, schon viele Male in der Schweiz gewesen zu sein, aber ich bin sehr aufgeregt, da dies meine erste Gelegenheit sein wird, um dort tatsächlich aufzutreten und das Banana Fever zu verbreiten! Ich freue mich darauf, die Energie zu spüren, die jeder ausstrahlt, und auch um die taiwanesische Community in Zürich zu treffen. Und natürlich auch auf all die anderen Einheimischen!
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Nach Deinem Sieg wurdest Du von der damaligen taiwanesischen Präsidentin Tsai Ing-wen eingeladen. Wie war es, vor ihr im Präsidialamt aufzutreten?
Ich war unglaublich nervös, als ich die Gelegenheit erhielt, vor Präsidentin Ing-wen aufzutreten. Vielleicht war es sogar noch nervenaufreibender als das Finale von Drag Race, aber ich war überglücklich, eine so grosse Ehre zu erhalten. Präsidentin Ing-wen ist eine Ikone für die taiwanesische Queer-Community, weil sie ihre politische Macht als Ally genutzt hat.
Taiwan und insbesondere Taipeh hat eine grosse und offene LGBTI+ Community: Wie hast Du Deinen Sieg dort gefeiert?
Etwa einen Monat nach meinem Sieg bei Drag Race hatte ich einen Auftritt in Taipeh. Das Publikum war voller Energie und unglaublich, und ich konnte ihre Liebe spüren, als ich mich mit ihnen traf. Ich habe sogar Crowd Surfing gewagt! Es sind diese Momente, in denen ich merke, dass mein Sieg bei Drag Race so viel mehr bedeutet als nur ein Sieg für mich persönlich. Er hat eine ganze Community dazu inspiriert, weiter zu träumen.
Im Jahr 2022 bist du nach New York gezogen: Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede gibt es für dich, wenn du die Queer- und Drag-Szene in Taiwan und in den USA vergleichst?
Die Queer-Szene in New York ist auf jeden Fall viel grösser und beherbergt eine Reihe verschiedener Bezirke mit unterschiedlichen Persönlichkeiten. Jedes Mal, wenn man ausgeht, trifft man eine neue Queen. In Taiwan ist die Szene kleiner und alle sind besser vernetzt, so dass jeder jeden kennt. Man hat auch das Gefühl, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen und das Verständnis für die Kunstform des Drag verbreiten.
New York kann, zumindest im Moment, noch als Safe Space für Queers gelten: Wie würdest Du die aktuelle Situation in den USA beschreiben und wie spürst Du persönlich bereits die Politik von Trump?
Es ist ziemlich unglaublich, was gerade passiert und wie sich die Gesellschaft zurückentwickelt hat, aber das ist ja für uns queere Menschen nichts Neues. Der Kampf geht weiter, und wir haben die Macht, wenn wir uns zusammenschliessen. Hoffentlich werden wir gemeinsam gestärkt aus diesem Albtraum aufwachen.
Überall auf der Welt stehen die Rechte von LGBTI+ unter grossem Druck: Ist es in Taiwan ähnlich? Taiwan ist ja sehr fortschrittlich und ein Vorbild für die ganze Region und den Grossteil der Welt.
Taiwan fühlt sich für mich immer noch sicher an. Hoffen wir, dass das so bleibt und wir weiterhin ein Beispiel für fortschrittliche Ideale und Akzeptanz für marginalisierte Gemeinschaften für den Rest Asiens sein können.
Danke für das Interview!