GESUNDHEIT: Wie sieht es in der Schweiz mit der Impfung gegen Gonorrhö/ Tripper aus?
In Grossbritannien wurden im Jahr 2023 rund 85‘000 Neuinfektionen von Gonorrhö registriert - ein neuer Höchststand seit die Zahlen national erfasst werden. Da die Infektionen mit Antibiotika behandelt werden, nimmt auch die Zahl der antibiotikaresistenten Stämme ein besorgniserregendes Niveau an. Um dieser Entwicklung entgegenzutreten hat Grossbritannien nun als erstes Land eine Impfung gegen die umgangssprachlich als Tripper bezeichnete Infektion zugelassen, und seit dem 4. August wird sie auch durch den nationalen Gesundheitsdienst, den National Health Service NHS, abgegeben.
Dies sei ein wichtiger Durchbruch für die Prävention bei einer Krankheit, welche neue Rekordwerte erreicht hat, heisst es denn auch beim NHS. Man könne so Tausende von Menschen vor der sexuell übertragbaren Infektion (STI) schützen. Doch nicht nur das: Wie der NHS erklärt, soll man aufgrund der Impfung auch Kosten einsparen können. So sollen in den kommenden zehn Jahren bis zu 7.9 Millionen Pfund, rund 8.6 Millionen Franken, eingespart werden können. Ob sich diese Zahlen tatsächlich bewahrheiten, muss sich weisen.
Auch in der Schweiz sind die Zahlen von Gonorrhö stark angestiegen. Doch hierzulande wählt man zumindest aktuell noch einen anderen Ansatz, wie die Aids-Hilfe Schweiz auf Anfrage mitteilt. Dabei wird vor allem auf die noch vielen Unbekannten diesbezüglich verwiesen, sowie auf den niedrigen Impfschutz. Wie Marc Eggenberger, Projektleitung Schwule und andere MSM bei der Aids-Hilfe Schweiz erklärt, sei weder klar, wie lange der Impfschutz hält, noch ob es eine Auffrischungsimpfung braucht. Dies bedeutet, dass die Impfung das Infektionsrisiko nur teilweise und für einen unbestimmten Zeitraum verringert.
Auch die schlechte Schutzwirkung bei Gonorrhö, die mit dem 4CMenB-Impfstoff einher geht, spielt bei der Beurteilung der aktuellen Situation eine Rolle. So erklärt Marc Eggenberger, dass die Schutzwirkung zwischen 23 und 47 Prozent beträgt. Die Impfung könne aber trotzdem für jene hilfreich sein, die einem erhöhten Risiko für Gonorrhö ausgesetzt sind und bei einer Infektion Symptome entwickeln. In diesem Fall stellt bereits ein relativ geringer Schutz eine Verbesserung dar. Auch in England wird die Impfung nur MSM empfohlen, die in den letzten Monaten bereits mehrere Infektionen hatten, so Marc Eggenberger weiter.
Es ist offen, ob die Förderung der Impfung in England zu einem Rückgang der (symptomatischen) Gonorrhö-Fälle führen wird, geschweige denn, ob dadurch die Prävalenz sinken wird. Da zudem nicht bekannt ist, wie lange der Impfschutz anhält, würde eine regelmässige Impfung grosse Herausforderungen bei der Umsetzung mit sich bringen, heisst es von der Aids-Hilfe Schweiz weiter. In der Schweiz wäre der 4CMenB-Impfstoff auch verfügbar, doch er ist nur zur Vorbeugung von Meningokokken Typ B empfohlen (Infovac, Compendium). Die Verwendung gegen Gonorrhö wäre daher nicht indiziert ("off label") und die Kosten müssten somit selbst getragen werden.
Noch ist die Faktenlage aus entsprechenden Forschungsergebnissen nicht ausreichend. Mehrere Studien deuten darauf hin, dass der 4CMenB-Impfstoff gegen Meningokokken vom Typ B (Bexsero®) einen teilweisen Schutz gegen Gonorrhö bieten könnte, erklärt Marc Eggenberger. Da Meningokokken und Gonokokken zur selben "Familie" gehören, könnte der Impfstoff gegen die einen tatsächlich einen teilweisen Schutz gegen die anderen bieten (Kreuzimmunität). Auf dieser Grundlage hat England eine Impfempfehlung für besonders betroffene Personen herausgegeben.
Könnte sich die aktuelle Praxis in der Schweiz auch noch ändern? Die Möglichkeit besteht, denn aktuell laufen mehrere Studien, insbesondere in Australien (GoGoVax), Frankreich (PREVENIR) und der Schweiz (Doxy-Men in SHCS), welche möglicherweise Antworten auf die noch offenen Fragen liefern könnten.
Mehr über Gonorrhö erfährst Du auch auf der Webseite der Aids-Hilfe Schweiz.
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Auf der Webseite von www.drgay.ch findest Du die wichtigsten Informationen, sowie Adressen zu Testmöglichkeiten.