DEUTSCHLAND: Entwurf zur Rehabilitierung der §175-Opfer kann debattiert werden
Das Bundeskabinett hat den Weg frei gemacht für den lange versprochenen Gesetzentwurf zur Rehabilitierung und Entschädigung der verfolgten Homosexuellen. Damit können die Urteile wegen gleichgeschlechtlichen Handlungen aufgehoben, und die Opfer von damals entsprechend entschädigt werden.
Mit der jetztigen Entscheidung des Bundeskabinetts kann sich nun der Bundestag mit der konkreten Rehabilitierung jener Männer befassen, welche in Deutschland aufgrund des Paragrafen 175 verurteilt worden sind. Dieser Artikel stellte homosexuelle Handlungen unter Strafe.
Dabei geht es um jene Urteile, welche nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, also nach dem 8. Mai 1945 gefällt wurden. Dazu sollen die Urteile all jener Männer, welche damals wegen einvernehmlichen, gleichgeschlechtlichen Handlungen unter Erwachsenen verurteilt worden sind, aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden, und zur Debatte steht zudem auch eine Entschädigung. Diese Entschädigung soll aber nur von lebenden Verurteilten eingefordert werden können. Damit wird diese Genugtung wohl für viele zu spät kommen.
Nach einem Gesetzesentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas, sollen die Opfer des Paragrafen 175 mit 3000 Euro entschädigt werden. Dies Pauschal pro Urteil. Hinzu kommen sollen zudem noch 1500 Euro Entschädigung für jedes angefangene Jahr im Gefängnis, oder Aufenthalte in Erziehungsanstalten oder psychiatrischen Kliniken, welche den Opfern aufgezwungen wurden.
Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland LSVD fodert, dass der Gesetzentwurf eine volle rechtliche Rehabilitierung und eine würdige Entschädigung bringen muss. Der LSVD werde dazu im weiteren Gesetzgebungsverfahren insbesondere darauf pochen, das bei der Aufhebung der Strafurteile wirklich alle früheren strafrechtlichen Ungleichbehandlungen von Homo-und Heterosexualität umfasst sind. Es wäre eine erneute Diskriminierung und unverantwortlich, wenn hier Lücken und damit Unklarheiten zu Lasten der oft hochbetagten Opfer bestehen bleiben würden, heisst es in einer Pressemitteilung weiter.
Ebenso pocht der LSVD darauf, dass es eine angemessene und würdige Entschädigung für das erlittene Unrecht gibt. Dafür sind auch laufende Rentenleistungen für die Opfer notwendig, die sich heute in einer Notlage im Sinne des Entschädigungsrechts befinden. Die menschenrechtswidrige Strafverfolgung hat die Biographien vieler Betroffener zerstört. Die staatliche Verfolgung bewirkte gesellschaftliche Ächtung, bedeutete oft den Verlust des Arbeitsplatzes und der gesamten beruflichen Karriere mit Auswirkungen bis heute z.B. auf die Höhe der Rente. Zudem müssen auch Menschen, die durch strafrechtliche Ermittlungsverfahren insbesondere durch Untersuchungshaft in ähnlicher Weise geschädigt wurden, in die Entschädigungsregelungen einbezogen werden, auch wenn es am Ende zu keiner Verurteilung gekommen ist, heisst es in der Mitteilung des LSVD weiter.
Der Paragraf 175 existierte bereits seit dem 1. Januar 1872 und stellte sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe. Unter den Nationalsozialisten verschärft, drohten ab 1935 gar bis zu fünf Jahre Haft. Die DDR kehrte 1950 wieder zur alten Fassung des §175 zurück, und ab Ende der 1950er Jahre wurden homosexuelle Handlungen unter Erwachsenen gar nicht mehr bestraft.
Die Bundesrepublik hingegen hielt noch zwei Jahrzehnte an der Fassung des Paragrafen 175 fest, wie er aus der Zeit der Nationalsozialisten bestand. Erst 1969 kam es zu einer ersten Reform, und 1973 zu einer weiteren. Seither waren nur noch sexuelle Handlungen mit männlichen Jugendlichen unter 18 Jahren strafbar, wobei das Schutzalter bei heterosexuellen, wie auch bei lesbischen Handlungen bei 14 Jahren lag. Erst nach der Wiedervereinigung, im Jahr 1994, wurde der Paragraf 175 in ganz Deutschland ersatzlos gestrichen.