INDIEN: Oberstes Gericht startet mit Anhörungen zur Ehe für alle
Als im Jahr 2018 ein noch aus der britischen Kolonialzeit stammendes Gesetz, welches gleichgeschlechtliche Aktivitäten bislang verboten hat, durch das Oberste Gericht aufgehoben wurde, war dies jenes Gerichtsurteil, welches weltweit am meisten LGBTI+ auf einmal betroffen hat. Dem voran gingen jahrelange, politische Debatten, welche stets erfolglos blieben, da das Tabu rund um Homosexualität in Indien nach wie vor enorm gross ist. Anders als die Obersten Richter, wollen Politiker:innen zudem wiedergewählt werden, wodurch man gerade bezüglich den Rechten für queere Menschen nur ungern klar Position bezieht.
So ist es wohl auch sehr unwahrscheinlich, dass die Regierung und Premierminister Modi die Ehe für alle unterstützen werden. Als es 2021 zu ersten Anhörungen vor dem Obergericht in New Delhi kam, stellte sich die Regierung klar auf den Standpunkt, dass LGBTI+ Paare nicht dieselben Rechte verdient haben wie traditionelle, heterosexuelle Paare. Als Partner zusammenzuleben und eine sexuelle Beziehung zwischen Personen des gleichen Geschlechts zu führen, könne man nicht mit der Einheit einer indischen Familie bestehend aus Mann, Frau und Kind vergleichen.
Ähnlich wie im Jahr 2018 bei der Legalisierung von gleichgeschlechtlichen Aktivitäten, so könnte nun aber auch hier wieder das Supreme Court die Öffnung der Ehe für queere Paare forcieren. Die Obersten Richter haben nämlich eingewilligt, sich mit diesem Anliegen zu befassen und die ersten Anhörungen dazu haben nun am Freitag begonnen. Dabei haben die Richter:innen gleich über mehrere Anträge diesbezüglich zu befinden, welche von gleichgeschlechtlichen Paaren eingereicht wurden.
Den Hauptantrag haben Supriyo Chakraborty und Abhay Dange eingereicht. Sie argumentieren, dass es dem Recht auf Gleichstellung widerspreche, wenn man LGBTI+ Menschen das Recht auf die Ehe abspreche. Da inter-religiöse, heterosexuelle Paare durch das Oberste Gericht geschützt werden, so müsse dies auch für gleichgeschlechtliche Paare gelten. Aktuell gibt es für queere Paare nur eine Möglichkeit, um sich rechtlich minim absichern zu können, und dies als eine Art Konkubinat. Dies gilt jedoch weder für das Erbrecht, noch für eine Adoption von Kindern. Weiter ist die Regelung auch unsicher was beispielsweise das Besuchsrecht in Spitälern betrifft, wenn ein Partner, eine Partnerin auf der Intensivstation liegen würde.
Auch Parth Phiroze Mehrotra und Uday Raj haben eine gemeinsame Klage beim Supreme Court eingereicht. Sie argumentieren, dass es gegen verschiedenste Artikel der Verfassung verstosse, wenn man gleichgeschlechtlichen Paaren das Recht auf Ehe abspreche. Würde man ihnen die zivile Institution der Ehe erlauben, dann würden sie nicht unzählige praktische Schwierigkeiten erdulden müssen, und zwar gegenüber einander, aber auch gegenüber ihren Kindern.
In der Bevölkerung vollzieht sich derzeit ein rasanter Wandel in Bezug auf die Ansichten gegenüber queeren Anliegen. Dies hat sich bereits nach der Entkriminalisierung von gleichgeschlechtlichen, sexuellen Handlungen gezeigt. Somit dürfte die nun beginnende Debatte vor Gericht rund um die Ehe für alle zumindest die Sensibilisierung queerer Anliegen weiter fördern, auch falls die Ehe doch nicht für LGBTI+ geöffnet werden würde.