SCHWEIZ: Der Bundesrat will nichts vom dritten Geschlecht wissen

SCHWEIZ: Der Bundesrat will nichts vom dritten Geschlecht wissen
Vier Jahre nachdem der Nationalrat mit einem Postulat den Bundesrat aufgefordert hat, zur Anerkennung von nicht binären Menschen Stellung zu beziehen, hat er nun einen entsprechenden Bericht vorgelegt. Dabei lehnt der Bundesrat beide vorgeschlagenen Wege grundsätzlich ab.

Es waren Postulate der beiden Nationalrätinnen Sibel Arslan und Rebecca Ruiz, welche den politischen Prozess ins Rollen gebracht hat. Dabei forderten sie den Bundesrat auf, mit einem Bericht aufzuzeigen, welche Gesetzesänderungen und Konsequenzen nötig wären um nicht binäre Personen anzuerkennen. Dabei schlugen sie zwei Möglichkeiten vor: Zum einen eine dritte Option im Personenstandsregister, oder ein genereller Verzicht darauf, das Geschlecht zu erfassen.

Während sich die Nationale Ethikkommission bereits vor zwei Jahren klar für die rechtliche Anerkennung von nicht binären Menschen ausgesprochen hat und auch mögliche Lösungsansätze für eine rechtliche Umsetzung vorgestellt hat, so verweigerte sich nun der Bundesrat der Debatte komplett. In seinen Ausführungen erklärte er, dass das binäre Geschlechterverständnis fest in der Gesellschaft verankert sei. Weiter seien die Gesetzes- und die Registeranpassungen zu aufwändig und zu zeitintensiv.

Dass der Bundesrat mit seiner Haltung an der Bevölkerung vorbei politisiere, hebt Alecs Recher, Leitung der Rechtsberatung und Advocacy von Transgender Network Switzerland TGNS, hervor. Eine Umfrage von Sotomo aus dem Jahr 2021 habe gezeigt, dass 53 Prozent in der Schweizer Bevölkerung dafür sind, dass es einen zusätzlichen Eintrag für nicht binäre Menschen in den amtlichen Dokumenten geben soll.

Der Bundesrat anerkenne aber immerhin, dass die jetzige binäre Rechtsordnung zu Schwierigkeiten für nicht binäre Personen führen könne, schreibt TGNS weiter. Dies zeige auch ein vor knapp zwei Wochen vom Bundesrat selbst veröffentlichter Bericht über die Gesundheit von LGBTI+ Personen. So wurde darin festgehalten, dasss Stigmatisierung und Diskriminierung vor allem bei nicht binären und bei trans Menschen zu einer klar schlechteren (psychischen) Gesundheit führe.

TGNS hofft nun auf die neue Bundesrätin im Justizdepartement Elisabeth Baume-Schneider, denn die rechtliche Anerkennung von nicht binären Personen sei schlussendlich auch eine Frage der Wahrung ihrer Grund- und Menschenrechte. Dies sei eine in der Verfassung verankerte Aufgabe der Politik, und zwar unabhängig davon, wieviele Menschen davon betroffen sind, oder welche persönlichen Meinungen die Mitglieder des Bundesrats haben. Man erwarte nun konstruktive Ansätze vom Bundesrat, wie er die gesellschaftliche Diskussion voranbringen möchte, so TGNS weiter.

Andere Länder sind diesbezüglich bereits viel weiter: So gehörte Pakistan zu den Vorreitern, und unter anderem auch Australien, Argentinien, Dänemark, Indien, Malta und Südafrika haben bereits das unbestimmte Geschlecht im Gesetz oder in der Verfassung verankert.

Brauchst Du Hilfe und möchtest Du mit jemandem sprechen? Hier findest Du Hilfe:

Die Schweizer LGBT+ Helpline steht Dir unter der Nummer 0800 133 133 kostenlos zur Verfügung. Mehr Infos: lgbt-helpline.ch

Weitere Information erhältst Du auch unter:
Du-bist-du.ch: Beratung und Information
Milchjugend: Übersicht über queere Jugendgruppen
Transgender Network Switzerland: Dachorganisation für trans Menschen
LOS: Lesbenorganisation Schweiz
Pink Cross: Dachorganisation schwuler und bisexueller Männer