HINTERGRUND: An den Schweizer Schulen besteht in Bezug auf LGBTI+ Freundlichkeit Handlungsbedarf

HINTERGRUND: An den Schweizer Schulen besteht in Bezug auf LGBTI+ Freundlichkeit Handlungsbedarf
Seien es queerfeindliche Sprüche von Mitschüler:innen oder die fehlende Unterstützung von Lehrperson: Eine neue Studie zeigt auf, dass die Schulen in der Schweiz LGBTI+ freundlicher werden müssen, denn mehr als die Hälfte der queeren Jugendlichen fühlt sich in der Schule unwohl oder nicht sicher.

Damit Schulen LGBTI+ freundlicher werden, wurde das Projekt Lehrplan Q von den queeren Organisationen der Schweiz ins Leben gerufen. Sie wollen so mit verschiedensten Massnahmen Hand bieten um Schulleitungen, wie auch Lehrpersonen zu unterstützen um queere Themen im Schulalltag präsenter zu machen. Dass dies dringend nötig ist, zeigte das Ergebnis einer aktuellen Studie, welche von 2022 bis 2024 durch die Universität Bern und die Pädagogischen Hochschulen Zürich und Bern durchgeführt wurde.

Dass die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt im Unterricht kaum präsent ist, zeigte sich anhand der Befragungen deutlich: Nur gerade bei 31 Prozent wurden im Sexualkundeunterricht trans Themen behandelt, und bei nur 43 Prozent kam die sexuelle Orientierung zur Sprache. Viele Schulleitungen und Lehrpersonen seien sich durchaus bewusst, dass das Thema LGBTQ+ in der Schule präsenter sein müsste um negativen Einstellungen bei Schüler:innen vorzubeugen und ein akzeptierendes Umfeld zu schaffen. Gleichzeitig fehlt es ihnen an gut zugänglichen Unterstützungsangeboten. Lehrplan Q bietet ihnen deshalb Materialien, Weiterbildungsangebote und vermittelt Klassenbesuche zur Sensibilisierung der Schüler:innen, heisst es dazu von Roman Heggli, Geschäftsleiter von Pink Cross und Projektleiter von Lehrplan Q.

Dass die Schulen dringend LGBTI+ freundlicher werden müssen, zeigte sich auch bei der weiteren Befragung von queeren Jugendlichen. So gaben fast 60 Prozent der befragten queeren Jugendlichen an, dass sie sich an den Schulen unwohl oder nicht sicher fühlen. Dabei sind vor allem Umkleideräume und der Sportunterricht jene Orte, wo das Unwohlsein respektive das fehlende Sicherheitsgefühl am grössten sind. Trans und nicht-binäre Schüler:innen bemängeln zudem das fehlen von geschlechtsneutralen Toiletten an vielen Schulen. Dieses Gefühl des Unwohlseins und der Sicherheitsaspekt führten auch dazu, dass 42 Prozent der Befragten erklärten, dass sie deswegen im letzten Monat mindestens einen ganzen Schultag verpasst haben, bei 14 Prozent waren des sogar vier oder mehr Tage. Rund ein Viertel der trans Jugendlichen hat zudem deswegen bereits einmal die Schule gewechselt, bei allen Teilnehmenden liegt dieser Wert bei 14 Prozent.

Dem gegenüber stehen aber auch die schönen und positiven Erfahrungen, welche von den queeren Jugendlichen gemacht wurden. So erklärten sie auch, dass sie insbesondere Rückhalt in der Community selber finden und sich so selbstbestimmt mit ihrer Geschlechtsidentität und sexuellen Orientierung auseinandersetzen können. Gezielte Massnahmen sollten nun dafür sorgen, dass dies auch in einem anderen Umfeld, wie eben der Schule und im Unterricht möglich ist, denn rund die Hälfte der Befragten gab zudem an, dass sie sich aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität oder des Geschlechtsausdrucks ausgegrenzt fühlen.

Dass gerade diesbezüglich an Schulen Handlungsbedarf besteht, zeigte die weiteren Resultate der Befragung: 9 von 10 Schüler:innen gaben nämlich an, dass sie schon LGBTI+ feindliche Bemerkungen und Kommentare von ihren Mitschüler:innen gehört haben. Dabei zeigte sich in Bezug auf die sexuelle Orientierung, dass die Lehrpersonen bei solchen Bemerkungen in rund 54 Prozent der Fälle nicht interveniert haben. Nur gerade 15 Prozent gaben an, dass die Lehrperson diesbezüglich immer oder meistens eingegriffen hat. In Bezug auf den Geschlechtsausdruck liegen diese Werte bei 59 respektive 9 Prozent. Erschreckend ist zudem, dass fast die Hälfte erklärte, dass sie auch schon Homofeindlichkeiten von Lehrpersonen oder anderem Schulpersonal gehört haben. Mehr als die Hälfte hörte zudem bereits negative Bemerkungen in Bezug auf den Geschlechtsausdruck vom Schulpersonal.

Zwei Drittel der Befragten konnten zumindest eine Person des Schulpersonals nennen, welche sie als unterstützend in Bezug auf queere Themen wahrnehmen. Trotzdem erklärten drei Viertel der Schüler:innen, dass sie LGBTI+ feindliche Vorfälle wie Belästigungen oder gar Übergriffe nie beim Schulpersonal gemeldet haben. Als Gründe nannten sie dabei, dass sie den Vorfall als nicht schlimm genug beurteilen, dass sie Angst vor zusätzlicher Aufmerksamkeit haben, oder dass sie anzweifeln, dass das Melden eine Verbesserung bringen wird. Unter jenen befragten Jugendlichen, welche einen queerfeindlichen Vorfall gemeldet haben, erklärte rund die Hälfte, dass die Lehrperson gar nicht darauf eingetreten ist.

Um gerade Lehrpersonen besser zu unterstützen, aber auch im Schüler:innen auf queere Themen aufmerksam zu machen, bieten verschiedenste Organisationen in der Schweiz Klassenbesuche an. In der Deutschschweiz sind dies Queeres Ah&Oh (Basel), COMOUT (St. Gallen und Appenzell) und ABQ (restliche Deutschschweiz). Sie bringen jahrelange Erfahrungen in dieser Arbeit mit. Zusätzlich bietet das Projekt du-bist-du auch Weiterbildungen für Lehrpersonen an, welche von Fachexpert:innen angeboten werden, welche einen Hintergrund in Pädagogik oder Sozialer Arbeit haben und erfahrene Workshopleitende sind.

Für die Studie, welche unter dem Titel SOGUS (Sexuelle Orientierung, Geschlecht und Schule) lief, wurden insgesamt 569 LGBTI+ Jugendliche im Alter zwischen 14 und 19 Jahren befragt. Dabei ging es vor allem darum, zu erfahren, wie sie das Schulklima erleben, und welche Erfahrungen sie in Bezug auf Akzeptanz und Ausgrenzung machen.

Der ausführliche Bericht sowie alle Angaben zum SOGUS-Projekt findest Du hier.