HINTERGRUND: Sechs LGBTI+ Events in Vietnam abgesagt - war es das mit dem Fortschritt?
Taiwan, Nepal und Thailand haben die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet und lange sah es so aus, dass dies auch bald in Vietnam der Fall sein wird. Bereits im Jahr 2015 hat Vietnam in einem symbolischen Schritt das Verbot der Ehe für alle aufgehoben. Doch es ist dabei geblieben: Bis heute gibt es für queere Paare noch immer keine Möglichkeit, damit sie ihre Beziehungen rechtlich absichern können.
2022 war ein weiterer Höhepunkt: Was in vielen Teilen der Welt eine Selbstverständlichkeit ist, war es bis anhin in Vietnam nicht. Das Gesundheitsministerium liess nämlich endlich verkündigen, dass es sich bei Homosexualität in keinster Weise um eine Krankheit handle. Zudem wurde klar unterstrichen, dass Homosexualität auch weder geheilt werden kann noch geheilt werden muss. Zudem könne man Homosexualität auch nicht ändern.
Nun machen sich aber Rückschritte in Bezug auf LGBTI+ Rechte bemerkbar. Sowohl die Pride in Ho-Chi-Minh-Stadt, wie auch in der Hauptstadt Hanoi, haben sich zu wichtigen Events für die Community entwickelt und wuchsen rasant an. Doch nun die Überraschung: Die äusserst erfolgreiche Ho Chi Minh City Pride wurde in diesem Jahr vor wenigen Wochen kurzfristig abgesagt. Und dem nicht genug. Auch noch fünf weitere queere Anlässe in der Stadt traf nun das gleiche Schicksal. Die Gründe dafür sind nach wie vor nicht bekannt.
In Hanoi wird mit den Vorbereitungen für die Pride wie gewohnt weitergefahren, doch es ist unklar, ob diese Verbote tatsächlich nur eine regionale Angelegenheit sind. Es könnte auch weit mehr dahinter stecken, denn in verschiedensten Ländern in der Region, wie neben Vietnam etwa auch in Nepel un in den Philippinen, ist es in jüngster Zeit vermehrt zu regierungskritischen Demonstrationen gekommen, welche vor allem von jungen Menschen, der Gen Z, angeführt werden. Dabei geht es um Menschenrechte, aber auch um Themen wie Korruption und soziale Gerechtigkeit.
Diesbezüglich hat auch die regierende kommunistische Partei in Vietnam damit begonnen die Zivilgesellschaft zurückzudrängen. Gut möglich, dass die Absage der queeren Anlässe mit diesen Protesten im Zusammenhang stehen. Die Regierungen sind nervös und sehen sich in ihrem Machtbereich und in ihrer Legitimation bedroht, weshalb sie mit radikalen Schritten und mit der gesamten Bandbreite der ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln durchgreifen. Verschiedenste Aktivist:innen gerade in Bezug auf Menschenrechte und auf Gewerkschaften wurden in jüngster Zeit bereits verhaftet.
Ein weiterer Faktor könnte auch Donald Trumps Rückkehr ins Weisse Haus sein. Die vietnamesische Regierung will der US-Regierung gerade wenn es um Zollverhandlungen und andere Wirtschaftsverträge geht, keine Angriffsflächen bieten, beispielsweise etwa in Bezug auf Diversity, Inklusion und Gleichstellung. Dafür spricht auch, dass etwa die Veranstaltenden der Hanoi Pride erklärten, dass sie seither nicht mehr die selbe Unterstützung von der US-Botschaft erhalten, wie dies jeweils in früheren Jahren der Fall war. Oder wie es die Schweizer Botschaft vor Ort noch heute macht.
Nun muss sich zeigen, wie sich die Lage weiter entwickelt, ob diese Absagen tatsächlich nur regional und auch nur temporär sind, oder doch eine breiter angelegte Aktion gegen die LGBTI+ Community. Viele Queer Aktivist:innen haben bereits damit begonnen, sich besser zu schützen und sich etwas zurückzuziehen, damit sie keine Verhaftung riskieren.
Diese Entwicklungen sind insbesondere auch daher besorgniserregend, da sie offenbar rein von der Politik gesteuert werden. Laut Umfragen unterstützt eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung nämlich die Anliegen queerer Menschen. So sprachen sich laut dem Pew Research Center im Jahr 2023 rund zwei Drittel der Vietnames:innen für die Ehe für alle aus. Ein sehr hoher Wert im Vergleich zu anderen Ländern in der Region.