HISTORY: Ist ein Übersetzungsfehler in der Bibel Schuld an der queerfeindlichen Haltung der Kirche?

HISTORY: Ist ein Übersetzungsfehler in der Bibel Schuld an der queerfeindlichen Haltung der Kirche?
Zwei Wissenschaftler:innen sind mit einer spannenden These an die Öffentlichkeit gelangt: Demnach soll die teils feindliche Haltung der Kirche gegenüber Homosexualität auf einem Übersetzungsfehler beruhen. In einem neuen Dokumentarfilm führen sie ihre Entdeckung weiter aus, und die hat es in sich.

Woher kommt die ablehnende Haltung in weiten Teilen der christlichen Kirche? Dieser Frage sind Ed Oxford und Kathy Baldock nachgegangen, und sie haben erstaunliches entdeckt. Sie glauben, dass ein Fehler in der Übersetzung massgeblich dazu beigetragen hat, und dass die Nachwirkungen bekanntermassen bis heute anhalten. Ihre These haben sie einerseits in ihrem Buch Forging a Sacred Weapon: How the Bible Became Anti-Gay dargelegt, und nun haben sie auch noch einen Dokumentarfilm unter dem Titel 1946: The Mistranslation That Shifted Culture gedreht.

Wohl kaum ein Buch wurde über die Jahrhunderte öfters übersetzt als die Bibel. Jeweils dem Zeitgeist und der Sprachentwicklung immer wieder leicht angepasst, veränderte sich die Bibel während dessen. Laut dem Nationalen Kirchenrat gilt heute als revidierte Standardversion der Bibel die autorisierte Überarbeitung aus dem Jahr 1901, welche wiederum eine Überarbeitung der Bibel von King James aus dem Jahr 1611 war.

Die Wörter „heterosexuell“ und "homosexuell“ wiederum wurden Ende des 19. Jahrhunderts von Karoly Maria Benkert, der unter dem Pseudonym K.M. Kertbeny schrieb, erstmals verwendet. Er war ein in Österreich geborener ungarischer Psychologe. In der Bibel hingegen tauchte das Wort „Homosexuelle“ erstmals am 12. Februar 1946 im 1. Korinther 6,9 in einer überarbeiteten Standard-Version der Bibel auf. Dort wurde das griechische Wort „malakoi” und “arsenokoitai“ damit ersetzt.

In der oft zitierten Bibelstelle des Levitikus 18:22 heisst es im Englischen „Man shall not lie with man, for it is an abomination“, was übersetzt so viel heisst wie „Ein Mann soll nicht bei einem Mann liegen, denn das ist eine Abscheulichkeit.“ In der deutschen Version heisst es jedoch „Mann soll nicht bei jungen Knaben liegen, wie man es bei einer Frau tut, denn das ist ein Gräuel“. Dasselbe gilt auch für Levitikus 20:13, auch dort lautet die eigentliche Übersetzung „junge Knaben“.

Nach dieser Entdeckung gingen die Forschenden zurück zu ihrer ursprüngliche Bibelstelle, dem 1. Korinther 6,9, und suchten nach dem Ursprung des griechischen Worts „arsenokoitai“ aus dem Original, welches 1946 erstmals in der Bibel mit Homosexuelle übersetzt wurde. Dort lautet die Übersetzung „Knabenschänder werden das Reich Gottes nicht erleben.“ Ed Oxford erklärte weiter, dass er darauf die Bibel von Martin Luther aus dem Jahr 1534 durchsuchte und auch dort das Wort „knabenschander“ benutzt wurde, also Knabenschänder. Dieses Wort wurde dann auch während den nächsten Jahrzehnten für die deutschen Übersetzungen benutzt. Es war gemäss Ed Oxford schliesslich erst im Jahr 1983 als das Wort „arsenokoitai“ erstmals im Deutschen als "Homosexuelle" übersetzt wurde.

Im Englischen wurde diese Fehlübersetzung aus dem Jahr 1946 zwar in einer neuen überarbeiteten Standard-Version im Jahr 1971 wieder korrgiert, indem das Wort "homosexuell" mit "sexuell pervers" übersetzt wurde, doch bis heute taucht das Wort noch immer in den meisten Bibelübersetzungen auf. Dies nutzen insbesondere Anti-LGBTI+ Kräfte um ihre Haltung zu unterstreichen und mit der Bibel zu begründen. Da gerade viele amerikanische, konservative Christen weltweit tätig sind, etwa durch missionieren, hat sich diese Haltung auch in Afrika stark verbreitet.

Im Film 1946: The Mistranslation That Shifted Culture haben Ed Oxford und Kathy Baldock ihre Entdeckungen nun aufgearbeitet. Dabei lassen sie viele Experten und Gelehrte zu Wort kommen, aber auch Akademien und Universitäten. Sie legen dabei Beweisstücke vor, welche sie bei ihren Recherchen gefunden haben, unter anderem auch von der renommierten Yale Universität.

Ed Oxford ist ein Absolvent der Talbot School für Theologie, er ist selber schwul und Christ. Dabei fokussiert er sich bei seiner Arbeit vor allem auf Bibelübersetzungen, im Speziellen von griechisch und hebräisch, welche sich auf die Sexualität beziehen. Von der Canyon Walker Connections ist Kathy Baldock. Diese Organisation setzt mit Schulungen, Aufklärung und Dialog darauf, die Spaltung zwischen konservativen Christen und der LGBTI+ Community zu verringern.