PORTRAIT: Die tragische Geschichte des ersten schwulen Fussballers

PORTRAIT: Die tragische Geschichte des ersten schwulen Fussballers
Heute vor 25 Jahren hat sich Justin Fashanu das Leben genommen: Er gilt als der erste schwule Fussballer der Welt, und als einer der mutigsten zugleich. Mit 19 Jahren schoss er das Tor des Jahres in Grossbritannien, verdiente Rekordsummen, doch der Druck, der auf ihm lastete, war enorm. Eine tragische Geschichte über ein mutiges Ausnahmetalent, und ein Albtraum, indem er sich plötzlich wiederfand.

Es war ein wahrer Kunstschuss, mit welchem ein 19-jähriger, noch ziemlich unbekannter Fussballer, die Herzen der Fans eroberte. Trotz seiner jungen Jahre spielte Justin Fashanu damals bereits in der englischen Premier League für Norwich City, und eben dieser Treffer gegen Liverpool wurde 1981 von der BBC zum Tor des Jahres gewählt. Fashanu wurde gefeiert und wechselte kurz darauf für eine Rekordsumme von einer Million Pfund zu Nottingham Forest. Noch nie wurde für einen schwarzen Spieler eine so hohe Summe hingelegt. Justin Fashanu war auf dem Höhepunkt seines Lebens angekommen, und dies mit knapp 20 Jahren.



Der Start in sein Leben war allerdings alles andere als einfach. Weil seine alleinerziehende Mutter nicht für ihn sorgen konnte, verbrachte er die ersten Lebensjahre in einem Waisenhaus. Zusammen mit seinem kleinen Bruder John wird Justin schliesslich im Alter von sechs Jahren von einer Pflegefamilie aufgenommen. Sein Talent fürs Fussballspielen fällt schnell auf und entsprechend rasant geht es mit seiner Karriere vorwärts, so dass er bereits mit 19 Jahren in der Premier League spielen konnte.

Die Erwartungen in ihn sind hoch, und lassen sich kaum erfüllen. Der Druck war enorm, und er bekommt schon bald blanker Rassismus und LGBTI+ Feindlichkeiten zu spüren, obwohl er sich noch nicht einmal geoutet hat. Während dem Fussballspiel wird er von Fans beschimpft und sie werfen Bananen auf das Spielfeld. Gleichzeitig realisiert er, dass er schwul ist und er beginnt das Nachtleben zu erkunden. Hinzukommt, dass er sich noch immer nicht damit abgefunden hat, dass seine Mutter ihn so früh verliess. All dies belastete ihn stark und wirkte sich auch auf seine Motivation in Bezug auf den Fussball aus.

Er kommt zu spät zum Training und wird vom Coach vor versammelter Mannschaft beschimpft und unter anderem als "verdammte Schw***tel" beschimpft. Doch nicht nur dies, Trainer Brian Clough griff hart durch und warf ihn auch kurzerhand aus dem Kader, auch wegen den Gerüchten um Fashanus angebliche Homosexualität. Er liess den Fussballer gar beschatten, liess ihn von der Polizei vom Trainingsplatz abführen und verbot ihm den Zutritt zum Gelände des Fussballvereins. In 35 Spielen für Nottingham Forest schoss er unter diesen schwierigen Lebensumständen nur gerade drei Tore - zu wenig für einen Stürmer.

In dieser Zeit lernte Fashanu auch den damaligen Labour-Politiker und noch immer berühmtesten LGBTI+ Aktivisten Grossbritanniens, Peter Tatchell, kennen. Sie werden gute Freunde, gehen oft zusammen aus, besuchen Ausstellungen, und Justin Fashanu riskierte damit jedes Mal, von der Presse geoutet zu werden. Lange spielt er selber mit dem Gedanken, sein öffentliches Coming Out zu haben um damit diese enorme Last loszuwerden. Doch eine Verletzung kam ihm zuvor: Er fällt für lange Zeit aus und macht sich schlussendlich 1985 auf um in den USA in einem neuen Verein zu spielen. Nebenbei eröffnete er eine Gay Bar in Los Angeles und weil er sich nie mit seiner Homosexualität zurechtfinden konnte, versuchte er sich gar über die Born again Christians, eine evangelikale, fundamentalistische Gruppierung, zu "heilen".

Doch seine Gefühle liessen sich nicht unterdrücken und so hielt er sich weiterhin viel im queeren Nachtleben auf. Auch seinen Lebensstil wollte er nicht ändern, obwohl er längst nicht mehr über jenes hohe Einkommen wie früher verfügte. So kommen neben den finanziellen Schwierigkeiten auch noch Gewissensbisse rund um seine Anziehung zum gleichen Geschlecht hinzu. 1989 kehrte er zurück nach England um seine Profi-Karriere erneut aufzunehmen. Er spielte in verschiedenen Mannschaften, kehrte auch kurz nach Nordamerika zurück, um dann erneut eine Mannschaft in England zu finden. Seine Karriere kam nicht vom Fleck und auch seine finanzielle Situation wurde zunehmend prekär: Da kam ihm ein Angebot der britischen "Sun" gerade richtig.

Das Boulevardblatt bot ihm 80'000 Pfund an, wenn sie sein Coming Out als Exklusivstory bringen dürfen - und Justin Fashanu schlug ein. Mit zu diesem Deal beigetragen hat auch der Suizid eines Freundes, welcher zuvor aufgrund seiner Homosexualität von der Familie verstossen wurde. Im Oktober 1990 veröffentlichte die Sun schliesslich mit grossen Lettern und neben einem Foto des Fussballers die Schlagzeile "Ich bin schwul". Er wählte nach eigenen Angaben selber die "schlimmste Zeitung" für diesen Schritt, denn dann wäre die Geschichte draussen und es gäbe nichts mehr über ihn zu berichten. Doch es kam anders.

Die Presse wollte Informationen, wollte mehr Hintergrund und damit machten sich auch Gerüchte über ihn breit. Justin Fashanu schien diese neu gewonnene Aufmerksamkeit zumindest eine gewisse Zeit lang zu geniessen. Er tingelte durch Talkshows, posierte für Cover Stories, berichtete von seinem ausschweifenden Leben und von Affären. Er kassierte wieder mächtig ab, doch er machte sich damit gleichzeitig auch angreifbar. Einige Affären mit Berühmtheiten entpuppten sich als Lüge, und so musste sich Fashanu dafür öffentlich entschuldigen. Er habe gelogen um an leichtes Geld zu kommen, erklärte er damals reumütig in einem Interview. Seine Fussballkarriere war damit praktisch zu Ende, denn obwohl er noch total fit gewesen sei, wie Fashanu erzählt, habe er seit seinem Coming Out keinen Vollzeit-Vertrag mehr erhalten.

LGBTI+ Feindlichkeiten waren omnipräsent, aber auch die erfundenen Storys kratzten weiter am Image von Fashanu. Sogar sein jüngerer Bruder ging auf Distanz zu ihm. In einem Interview behauptete John Fashanu gar, dass sein Bruder das Coming Out nur erfunden habe, denn er sei süchtig nach Aufmerksamkeit. Noch bis ins Jahr 2012 behauptet er dies weiter, erklärte aber auch, dass er einige seiner Aussagen, welche er nach dem Coming Out von Justin öffentlich gemacht habe, bereue.

Noch bis zu seinem offiziellen Rücktritt spielte Justin Fashanu weiter Fussball, mal in Schweden, mal in Neuseeland, mal in Schottland und den USA. Darauf versuchte er sich dort auch als Trainer, bis er im März 1998 von einem 17-jährigen US-Amerikaner wegen Vergewaltigung angezeigt wurde. Im Bundesstaat Maryland waren gleichgeschlechtliche Aktivitäten damals zudem illegal und ihm drohte aufgrund des Vorwurfs der Vergewaltigung eine lange Haftstrafe. Fashanu wurde von der Polizei befragt und wieder freigelassen. Später kam die Polizei wieder zurück zu seiner Wohnung um ihn festzunehmen, doch Fashanu befand sich bereits auf dem Weg zurück nach England. Einmal mehr brach eine Welt für den Fussballer zusammen und die Medien stürzten sich auf ihn - auch in seiner Heimat. In grossen Schlagzeilen wurde über ihn berichtet, und es wurde gar geschrieben, dass Scotland Yard Untersuchungen gegen ihn eingeleitet habe. Eine Lüge, wie es sich später herausstellte.

Der Druck auf Fashanu nahm damit auch in England ins unermessliche zu. Am 2. Mai 1998 besuchte er noch eine Gay Sauna in London. Wie Gäste im Nachhinein erzählten, habe er ausgelassen gewirkt. Am nächsten Morgen wurde er aber tot in seiner Garage aufgefunden. Justin Fashanu wurde nur 37 Jahre alt. Einige Monate nach seinem Selbstmord fand die Polizei einen Abschiedsbrief in welchem der Fussballer einmal mehr bekräftigte, dass er den Jugendlichen nicht vergewaltigt habe. Der Sex sei einvernehmlich gewesen, doch am nächsten Tag sei er von ihm um Geld erpresst worden. Schwul und eine Person des öffentlichen Lebens zu sein sei hart. Seine Flucht aus den USA begründete er damit, dass er aufgrund seiner Homosexualität kein faires Verfahren erhalten hätte, und daher habe er sich entschieden, lieber zu sterben als seinen Freunden und seiner Familie noch mehr Unglück zuzufügen. Er hoffe, er werde nun seinen Frieden finden.

Das Leben von Justin Fashanu wurde bereits mehrfach verfilmt, darunter auch mit dem Dokumentarfilm Forbidden Games: The Justin Fashanu Story von Netflix. Späte Ehre erfuhr der Fussballer zudem im Jahr 2020 als er in die English Football Hall Of Fame aufgenommen wurde.

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