PORTRAIT: Honey Harper und der verrückte Trip durch die Ukraine

PORTRAIT: Honey Harper und der verrückte Trip durch die Ukraine
Sie waren schlicht zu flamboyant und flogen wegen ihrem Cover von Careless Whisper kurzerhand aus einer Karaoke Bar, selber spielten sie in einem Möbelladen, wurden nur zur Hälfte bezahlt und reisten unter anderem in einem Zug voller Soldaten durch die Ukraine: Honey Harper erzählt im Interview mit gay.ch von seinem neuen Album, aber auch von seiner verrückten Reise quer durch die Ukraine...

Flamboyant, so bezeichnet sich Honey Harper auch gerne selber, doch in eine Schublade stecken lässt er sich trotzdem definitiv nicht. Er bricht ebenso mit den Hetero-Normen, wie er gerne mit seiner Männlichkeit oder seinem Aussehen generell spielt. All dies spiegelt sich denn auch in seiner Musik wieder. Während er wohl am ehesten noch dem Country-Genre zugeordnet werden kann, so reichert er seinen Sound schonungslos zusätzlich mit Synthpop und spacigen Rockelementen an.

Geschrieben hat William Fussell, wie Honey Harper mit bürgerlichem Namen heisst, Starmaker zusammen mit seiner Ehefrau Alana Pagnutti, und entstanden ist ein Album, welches das Genre definitiv weiterbringen wird. Von den Kritikern gefeiert, besticht es durch erschreckende Ehrlichkeit in den Texten, von der Angst des Versagens bis hin zum Wunsch auf Erfolg. Zum Albumrelease ist Honey Harper gay.ch Red und Antwort gestanden und er erzählt vom langen Prozess, bis das Album endlich fertig war, bis hin zu seiner mitunter gefährlichen Reise quer durch die Ukraine...

Eigentlich heisst Du William Fussell, doch als Künstler nennst Du dich Honey Harper: Wie bist Du auf diesen Namen gekommen und was bedeutet er für Dich?
Ich mag den Namen als ein Pseudonym, und dass er auch als Kosenamen gebraucht werden kann. Den Ursprung hat der Name aber bei meiner Urgrossmutter, Oveda Harper, und bei meiner Grossmutter Honey.

Du bist in der Region von Okefenokee Swamp im US-Bundesstaat Georgia aufgewachsen, deine Familie ist alles andere als konventionell und jetzt verbringst Du viel Zeit in Ontario, Kanada, und in London - Wie haben all diese verschiedenen Facetten deine Musik beeinflusst?
Wir - also meine Lebens- und Writing-Partnerin Alana Pagnutti und ich - möchten seit jeher Musik machen, welche zu jedem passt, und zwar egal wo jemand lebt. Doch es ist praktisch unmöglich, nicht auch von seinem Umfeld beeinflusst zu werden. Ich denke, wenn man Country Musik ausserhalb von dessen "natürlichen Lebensraum" macht, dann wirft dies ein wichtiges, anderes Licht auf dieses Genre, welches so wichtig für mich war, als ich aufgewachsen bin.

Nach einigen Singles hast Du nun dein Album veröffentlicht: Wie würdest Du den Weg beschreiben bis Starmaker endlich sein Release feiern konnte?
Lang und anstrengend, aber auch Spass und bereichernd. Es war ein Prozess über fast vier Jahre. Ich fühle mich sehr glücklich, dieses Album zu veröffentlichen und auch meinen Träume leben zu dürfen: So etwa ganz einfach reisen zu dürfen, und Musik in verschiedenen Ländern mit unglaublich talentierten Musikern schreiben zu können, wie etwa Sébastian Tellier oder Austra, oder auch Aufnahmen mit dem Ungarischen Studio-Orchester in Budapest zu machen. Das Album hat lange auf sich warten lassen, schon bevor ich überhaupt mit dem Schreiben und den Aufnahmen begonnen habe, doch es scheint, als ob es etwas gewesen ist, dass ich tun musste.

Welche Bedeutung hatte dabei "In Light Of Us"?
Akustisch wollte ich, dass der Song einen Vibe so nach "Fleetwood Mac trifft auf Grateful Dead" bekommt. Ich weiss zwar nicht, ob ich es tatsächlich hingekriegt habe, doch das war mal die Ausgangslage. Ich finde, dass die Energie, welche die beiden Bands an den Tag legen, ählich ist, wie jene Energie, welche ich und meine Freunde, um welche sich dieser Song dreht, während unseren Teenager-Jahren und anfangs unserer Zwanziger hatten. Waghalsig, glücklich, traurig, verloren und doch geborgen, schlicht und einfach, wir genossen die Jugend mit einer Dosis LSD und Meskalin.

Nicht zuletzt mit deinem Look bringst Du mehr Diversity ins Country Genre: Wie war die Reaktion der Country Community auf Dich, und wie siehst Du die Country Music heute?
Um ehrlich zu sein, wir sind immer etwas ausserhalb der ganzen Country Community gewesen. Ich würde aber gerne mal nach Nashville gehen, aber eher wie ein Alien mit einem Ufo, als tatsächlich mit einem Tourbus. Ich freue mich festzustellen, dass es eine ganze Reihe an neuen, grossartigen Künstlern gibt, welche das Genre des Country etwas herausfordern und es neu und auf eine andere Art interpretieren. Ich habe das Gefühl, dass sie, zu einem grossen Teil, Änderungen in der Community akzeptieren, was sehr wichtig ist.

Da gibt es noch diese berühmte und nicht eben ungefährtliche Reise von Dir in der Ukraine: Was kannst Du uns darüber erzählen?
Oh, meine Band macht sich immer noch lustig über mich, weil ich diese Geschichte jeweils wie ein Art Kriegsheld erzähle. Es war vor ein paar Jahren, als ich mit meinem früheren Projekt Promise Keeper, von einem sehr talentierten und guten Freund Better Person, auf Tournee war. Wir hatten dabei eine dreitägige Reise von Kiew nach Lviv vor uns mit Flugzeug, Zug, Bussen und ein paar sehr schrägen Autos, aber mit sehr netten Jungs. Erst spielten wir einen grossartigen Rave in Kiew um dann direkt eine siebenstündige Busfahrt in ein kleines Dorf Mitten im Land anzutreten. Dort trafen wir auch auf unsere Übersetzerin, welche uns zu unserem Konzertort brachte, übrigens eigentlich ein Möbelgeschäft. Dort trafen wir dann auch auf den Besitzer, ein ganz netter Mann, welcher uns dann aber schlussendlich nicht mal richtig bezahlt hat, aber egal. Wir spielten unseren Gig und gingen dann mit ein paar Locals an eine Party in einer Karaoke Bar im Quentin Tarantino-Style. Dort flogen wir aber schon sehr bald raus, da wir viel zu flamboyant waren mit unserem Cover von "Careless Whisper". Am nächsten Morgen wollten wir dann unsere Gage abholen, doch wir trafen dort auf den Freund unserer Übersetzerin, zusammen mit dem Türsteher, welcher uns in der Nacht aus der Bar geworfen hat. Ich war mir bereits sicher, dass wir nun verprügelt werden, doch im Gegenteil: Der Türsteher wollte sich doch tatsächlich bei uns entschuldigen, weil er uns rausgeworfen hat. Das war echt nett. Schlussendlich wurden wir nur zur Hälfte bezahlt und so gingen wir auf den nächsten Zug nach Lviv. Der Zug war aber voller Soldaten, welche alle auf dem Weg vom Krieg nach Hause waren. In Lviv angekommen trafen wir einen Typen, welcher einmal pro Woche von Lviv nach Rom fährt. Er nahm uns mit und setzte uns schliesslich in Budapest ab. Uff, da gäbe es noch so viel mehr zu erzählen von diesem Trip, und es klingt noch viel besser, wenn ich etwas betrunken bin...