SCHWEIZ: Zunahme bei LGBTI+ feindlichen Hassverbrechen um 50 Prozent

SCHWEIZ: Zunahme bei LGBTI+ feindlichen Hassverbrechen um 50 Prozent
Die Debatte und die Abstimmung über die Ehe für alle hat der LGBTI+ Community in der Schweiz zwar mehr Sicherbarkeit gebracht, doch gleichzeitig aber nicht mehr Sicherheit. Wie der aktuelle Hate Crime Bericht der queeren Dachverbände zeigt, haben die Meldungen von LGBTI+ feindlichen Hassverbrechen gegenüber dem Vorjahr um 50 Prozent zugenommen.

Zum Internationalen Tag gegen LGBTI+ Feindlichkeit, dem IDAHOBIT, am 17. Mai haben die queeren Dachverbände Lesbenorganisation Schweiz (LOS), Transgender Network Switzerland (TGNS) und Pink Cross ihren neusten Hate Crime-Bericht veröffentlicht. Er zeigt eine deutliche Zunahme gegenüber dem Vorjahr.

Im Jahr 2021 wurden der LGBT+ Helpline insgesamt 92 Fälle von Hassverbrechen gemeldet, welche ein queerfeindliches Motiv hatten. Dies entspricht fast zwei Hate Crimes pro Woche und einer Zunahme um 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dabei fiel auf, dass vor allem die Zahl der transfeindlichen Übergriffe stark angestiegen sind.

Wie die Dachverbände in ihrem Bericht festhalten, habe die Abstimmung und die Debatte über die Ehe für alle im vergangenen Jahr zwar viel zur Sichtbarkeit der Community beigetragen, aber gleichzeitig nichts zur Sicherheit von queeren Menschen. Alleine zwischen den Kampagnenmonaten von Juni bis September 2021 wurden 44 Fälle gemeldet. Somit wurde fast die Hälfte der Fälle in jediglich vier Monaten registriert. Eine solche Zunahme konnte auch bereits rund um die Abstimmung Ja zum Schutz vor Hass festgestellt werden.

Die Betroffenen von Hassverbrechen werden offenbar auch immer jünger, denn bei der LGBT+ Helpline wurde im vergangenen Jahr eine Häufung von Meldungen durch Personen festgestellt, welche jünger als 22 Jahre alt waren. Zudem hat auch der Anteil der trans Personen zugenommen, welche eine Meldung machten. So bezeichneten sie 32 Prozent als trans und davon 14 Prozent als nicht-binäre Personen. Dabei haben 45 Prozent von ihnen angegeben, aufgrund ihres Geschlechtsausdrucks diskriminiert worden zu sein.

In rund 80 Prozent der gemeldeten Vorfälle waren Beleidigungen und Beschimpfungen im Spiel, bei etwa 30 Prozent auch physische Gewalt. 12 Prozent haben bei den Angriffen Verletzungen davon getragen. Während im Jahr 2020 noch ein Rückgang auf 18 Prozent bei der physischen Gewalt verzeichnet werden konnte, wohl auch aufgrund der Einschränkungen des öffentlichen Lebens während der Corona-Pandemie, so sind diese Zahlen nun wieder auf dem Niveau der Vorjahre.

Die Dunkelziffer dürfte enorm hoch sein, was auch die Erfahrungen der LGBT+ Helpline zeigen, denn nur gerade knapp 20 Prozent der gemeldeten Vorfälle wurden auch tatsächlich zur Anzeige gebracht. Aus diesem Grund rechnen die Dachverbände, dass die tatsächliche Zahl der Hassverbrechen um ein Vielfaches höher sein dürfte.

Aus diesem Grund sind die Forderungen der Dachverbände auch klar: Es braucht einen nationalen Aktionsplan gegen LGBTI+ Feindlichkeiten, der noch in der kommenden Sommersession im Parlament behandelt werden muss. Insbesondere in Bezug auf Transfeindlichkeit brauche es noch vertiefte Untersuchungen, damit wirksame Massnahmen getroffen werden können.

Ein entsprechendes Postulat für einen solchen Aktionsplan wurde von Angelo Barrile bereits im Nationalrat eingereicht. Der Bundesrat ist allerdings dagegen und somit ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass dieser Vorstoss aus Zeitgründen nicht behandelt und abgeschrieben wird. Die Dachverbände appellieren daher an das Parlament, diesen Vorstoss unbedingt zu behandeln und anzunehmen, damit Präventionsmassnahmen auf nationaler Ebene ergriffen werden können.

Derzeit erfassen nur die Stadt Zürich und die Kantone Fribourg und Waadt explizit LGBTI+ feindliche Hassverbrechen. Es soll daher auch eine einheitliche, nationale Erfassung von Hassverbrechen geben, damit so auch die schweizweiten Entwicklungen über die Jahre beobachtet werden können. Doch auch die Zivilbevölkerung kann ihren Beitrag leisten, und so rufen die LGBTI+ Dachverbände dazu auf, bei Angriffen auf queere Menschen nicht wegzuschauen, sondern nach Möglichkeit einzugreifen und Zivilcourage zu zeigen.

Brauchst Du Hilfe und möchtest Du mit jemandem sprechen? Hier findest Du Hilfe:

Die Schweizer LGBT+ Helpline steht Dir unter der Nummer 0800 133 133 kostenlos zur Verfügung. Mehr Infos: lgbt-helpline.ch

Weitere Information erhältst Du auch unter:
Du-bist-du.ch: Beratung und Information
Milchjugend: Übersicht über queere Jugendgruppen
Transgender Network Switzerland: Dachorganisation für trans Menschen
LOS: Lesbenorganisation Schweiz
Pink Cross: Dachorganisation schwuler und bisexueller Männer