SPANIEN: Der Bürgermeister legt sich mit der Madrid Pride an

SPANIEN: Der Bürgermeister legt sich mit der Madrid Pride an
Es war die erste grosse Pride seit der Corona-Pandemie und es war die erste grosse Pride in der Amtszeit von Madrids konservativem Bürgermeister: Und es hat sich gezeigt, die Pride-Veranstaltenden müssen mit viel Gegenwind aus der Stadtregierung umgehen. Dass keine Pride-Fahne mehr am Rathaus zu sehen ist, war bereits ein Zeichen, und auch sonst wurden ihnen bei der Ausgabe vom vergangenen Wochenende zahlreiche Steine in den Weg gelegt…

Die Pride in Madrid ist nicht nur der grösste Anlass der Stadt, sondern auch die grösste Pride in Europa: Aus aller Welt reisen Queers jeweils für dieses eine Wochenende in die spanische Hauptstadt um am Orgullo, so heisst die Pride in Spanien, teilzunehmen. Am 9. Juli war es, nach zwei Jahren Pandemie, nun endlich wieder soweit und die Pride konnte erneut in voller Grösse stattfinden - zumindest fast. Während in den vergangenen, beiden Jahren Corona für massive Einschränkungen sorgte, so war es diesmal die Stadtregierung, welche den Veranstaltenden massive Hindernisse in den Weg legte.

José Luis Martínez Almeida ist seit Juni 2019 Bürgermeister der Stadt. Als er das Amt antrat war es wohl zu kurzfristig, um sich auch noch mit der jeweils Anfangs Juli stattfindenden Pride anzulegen, darauf folgte Corona, und so schöpfte der konservative Politiker in diesem Jahr aus den Vollen, was neue Auflagen für den Orgullo betrifft.

Almeida ist von der Partido Popular, einer konservativen, christdemokratischen Partei, und er regiert mit der rechtsliberalen Ciudadanos zusammen, wird aber auch von der rechtsextremen Vox unterstützt. Was diese politische Mischung bedeutet zeigte sich nun drastisch: Am Rathaus hängt keine Regenbogenfahne mehr, und zwar seit er dort mit seiner Regierung das Sagen hat. In diesem Jahr kamen zudem immer neue Auflagen dazu, welche die Pride-Veranstaltenden zu erfüllen hatten.

So bestimmte die Regierung, dass neu um 2 Uhr 30 Schluss sein muss mit der Parade. Aufgrund der grossen Hitze in der Stadt, diesmal waren es über 35 Grad am Schatten, beginnt die Pride jeweils erst um 19 Uhr, was bedeutet, dass es diesmal ziemlich hektisch wurde auf der Route zwischen dem Bahnhof Atocha und der Plaza Colòn. Sollte die Frist von 2 Uhr 30 nicht eingehalten werden, drohte Almeida nicht nur mit einer Busse für die Veranstaltenden, sondern auch damit, dass er gleich auch noch die finanziellen Mittel der Stadt für den Orgullo streichen werde.

Die Pride in Madrid war zweigeteilt: Vorab liefen die diversen Organisationen, und erst danach folgten rund 50 Trucks und Wagen mit Musik. Aufgrund des engen Zeitplans, mussten die Trucks derart nah aneinander fahren, dass sich der Sound von den jeweils anderen Wagen miteinander vermischte. Als Grund für die zeitliche Einschränkung nannte der Bürgermeister, dass er die Bevölkerung vor Lärm schützen möchte. Dies ist insofern zynisch, da die Veranstaltungen grösstenteils in den Geschäftsvierteln stattfinden, oder auch an Plätzen umgeben von Hotels, ausgerechnet jene Orte also, welche an diesem Wochenende enorm von den Pride-Tourist:innen profitieren.

Zwar hat Madrid eine Lärmverordnung, doch diese konnte in der Vergangenheit immer ohne Probleme für die Tage rund um den Orgulla ausgesetzt werden: So nütze die Pride dem Ansehen der Stadt, aber auch wegen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gründen, wurde jeweils argumentiert. Dies machen auch die Zahlen deutlich. Bis zu zwei Millionen Menschen kommen für die Pride zusammen und generieren damit einen Umsatz von geschätzten 400 Millionen Euro.

Doch die Zeitlimite war nicht die einzige neue Auflage: Auch ein Konzert auf der Plaza del Rey, dem Königsplatz, welcher während dieser Zeit jeweils Plaza de las Reinas heisst, musste kurzfristig abgesagt werden. Als Grund wurde eine Baustelle in der Nähe genannt, welche ein Sicherheitsrisiko darstellen würde. Die anderen Konzerte und Shows auf anderen Plätzen der Stadt durften zwar stattfinden, erhielten aber ebenfalls massive Auflagen.

Der Widerstand gegen die Politik Almeidas wird grösser, mitunter auch aus der Community. Sie rufen dazu auf, sich zur Wehr zu setzen, da einer der beliebtesten Anlässe in Madrid in aller Stille und kaum bemerkt durch die Öffentlichkeit immer stärker eingeschränkt werde. Mit was sich die Pride konfrontiert sieht, zeigt sich auch, wenn man auf die Wählerbasis des Bürgermeisters schaut: So wird er von der rechtsradikalen Vox unterstützt, welche die LGBTI+ Community einzig als Lobby-Organisation ansehen.

Im kommenden Jahr finden wieder Wahlen in Madrid statt, und damit dürfte sich auch das Schicksal der Pride entscheiden.