TSCHETSCHENIEN: Geht die Schwulenverfolgung wieder los?
Erst im vergangenen August unterschrieben 15 Mitglieder der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, einen Brief, indem sie das Verhalten Russlands gegenüber LGBTI+ in der Teilrepublik Tschetschenien verurteilten. Unterzeichnet haben sogar die USA, und auch Grossbritannien. Damit haben sie den Wiener Mechanismus ausgelöst, welcher nur sehr selten eingesetzt wird, und mit welchem die Mitglieder ein anderes OECD-Mitglied wegen gravierenden Menschenrechtsverletzungen befragen können. Dabei verurteilen sie vor allem die Vorfälle aus dem Jahr 2017 aufs Schärfste, als in der russischen Teilrepublik Tschetschenien eine wahre LGBTI+ Verfolgung gestartet wurde.
Damals wurden über 100, vor allem schwule Männer, aber offenbar auch lesbische Frauen und Transmenschen verhaftet und in so genannte Konzentrationslager gesteckt. Wie das russische LGBT Network berichtet, sollen zudem auch über 100 LGBTIs das Land fluchtartig verlassen haben. Die Verhafteten wurden teils ins Gefängnis gesteckt oder an unbekannte Orte gebracht und dort massiv gefoltert. Viele überlebten diese Torturen nicht oder bleiben bis heute verschwunden.
Trotz massivem internationalem Druck hat weder der tschetschenische Führer Ramzan Kadyrov, noch Vladimir Putin tatsächlich reagiert. Bei Kadyrov besteht zudem gar der dringende Verdacht, dass er die Verfolgung selber initiiert hat, oder zumindest davon wusste. In einem Interview verneinte er die Existenz von Homosexuellen in seinem Land. Die russischen Behörden verneinten die Vorfälle ebenfalls. Offenbar machten aber auch die Polizei und die Behörden in Tschetschenien mächtig Druck gegen die LGBTI+ Community. So sollen Eltern aufgefordert worden sein, ihre LGBTI+ Kinder selber umzubringen, oder man werde sie in Gewahrsam nehmen und dort foltern.
Nun schlägt das russische LGBT Network erneut Alarm. Seit Dezember seien wieder mehrere Personen verhaftet worden, weil sie angeblich LGBTI+ sein sollen. Die Zahlen seien in den vergangene Woche stark abgestiegen, und es könnte sein, dass dies der Beginn einer neuen Verfolgungswelle ist. Wobei, so betont das LGBT Network, habe man immer klar gemacht, dass die Verfolgung seit 2017 nie wirklich aufgehört hat. In den letzten Wochen hätten sich aber die Aktivitäten der Polizei wieder massiv verstärkt. Der Grund sei unter anderem, dass die Behörden angeblich neue Kontaktinformationen von angeblichen Schwulen, Lesben, Bisexuellen, sowie trans und inter Menschen erhalten haben, denen sie nun nachgehen. Die Organisation will in kürze einen Bericht mit den neuen Fakten veröffentlichen. Das Network bietet zudem um Hilfe zur Aufklärung und verstärkt den Aufruf an alle LGBTIs, dass sie Tschetschenien so schnell wie möglich verlassen sollen.