UKRAINE/ RUSSLAND: UN warnt vor Vergewaltigungen von Männern und Jungen durch russsische Soldaten

Warnung: Folgender Text enthält Schilderungen von mutmasslichen Kriegs- und sexuellen Gewaltverbrechen.

Sie habe Kiew besucht, weil es erdrückende Anzeichen dafür gebe, dass es in der Ukraine während dem Konflikt zu weit verbreiteter, systematischer sexueller Gewalt komme. Durch die Anschuldigungen über brutale, sexuelle Gewalttaten, welche nun auftauchen, würden sämtliche Warnsignale im Land rot aufleuchten, so Pramila Patten, welche als UN-Sonderbeauftragte für sexuelle Gewalt bei Konflikten in die Ukraine reiste.

Wie sie an einer Pressekonferenz mit der ukrainischen Vize-Premierministerin Olga Stefanishina erklärte, habe sie aufgrund solch schrecklicher Berichte über sexuelle Gewalt nicht in ihrem Büro in New York bleiben können. Sie sei daher nach Kiew gereist, denn man dürfe keine Mühen scheuen um Null Toleranz und Konsequenzen für solche Verbrechen sicherzustellen, so Patten weiter.

Es gebe Dutzende von Berichten von Vergewaltigungen von Männern und Jungen durch die russischen Invasoren, welche untersucht würden. Sie habe diese Berichte, welche noch nicht verifiziert wurden, erhalten, um ihnen weiter nachzugehen. Es sei schon für Frauen und Mädchen hart, unter anderem wegen der Stigmatisierung, solche Taten zu melden, und für Männer und Jungen sei es oftmals noch schwieriger. Man habe daher ein geschütztes Umfeld geschaffen, damit alle Opfer von sexueller Gewalt diese Taten melden können, so die UN-Sonderbeauftragte weiter.

Die Dokumentation dieser Fälle von heute, seien die Anklagen von morgen, fügte Patten hinzu, und forderte daher alle auf sich zu melden und sich an die internationale Gemeinschaft zu wenden, damit man die Täter finden und zur Rechenschaft ziehen könne. Die jetzt bekannten Fälle seien wohl erst die Spitze des Eisbergs.

Solche Berichte von Vergewaltigungen und sexueller Gewalt bestätigte auch die ukrainische Staatsanwältin Iryna Venediktova. Ihr Büro habe diese Taten gesammelt, welche durch russische Truppen verübt wurden, und es gebe sexuelle Gewalttaten gegen Männer und Frauen in jedem Alter, von Kindern bis zu älteren Menschen. Sie geht dabei noch weiter und beschuldigt Moskau, dass sie Vergewaltigungen als legitime Strategie nutzen um die Zivilbevölkerung einzuschüchtern und zur Kapitulation zu bewegen.

Für zu lange habe die Welt toleriert, dass sexuelle Gewalt als billige, stille und effektive Waffe gegen ganze Gemeinschaften benutzt werde, warnt auch Patten. Billig, weil sie kostenlos ist. Sehr effektiv, weil sie nicht nur die Opfer selber betreffe, sondern ganze Familien und Gemeinschaften. Es sei biologische Kriegsführung und es sei psychologische Kriegsführung.

Während die Gefechte rund um die ukrainische Hauptstadt Kiew abgenommen haben, so dauert der Krieg im Süden  und Osten des Landes unvermittelt an. Da man auch dort viele Vergewaltigungen befürchtet, versuchen Aktivist:innen möglichst viele Notfall-Kontrazeptiva, auch als "Pille danach" bekannt, in diese Gebiete zu bringen.

Weiter arbeitet man mit französischen und niederländischen Ermittlern, welche vor Ort sind, zusammen, um die Untersuchungen mit internationaler Hilfe voranzutreiben. Ob man die Soldaten aber tatsächlich eines Tages zur Rechenschaft ziehen werden kann, ist ungewiss, zumal sie noch immer den Schutz der Regierung in Moskau geniesen. Diese Regierung habe die Invasion in Auftrag gegeben und auch stets abgestritten, Kriegsverbrechen begannen zu haben, so Patten.

Die Menschenrechtsbeauftragte der Ukraine, Lyudmila Denisova, hat bereits 25 Fälle von Frauen dokumentiert, welche in einem Keller festgehalten und systematisch vergewaltigt wurden. Forensiker haben zudem auch in Massengräbern Opfer gefunden, bei welchen es Hinweise gibt, dass sie vor ihrer Ermordung durch russische Streitkräfte vergewaltigt wurden.

Ukrainischen Ermittlern ist es bereits gelungen, russische Soldaten zu indentifizieren, welche für solche Verbrechen und auch für sexuelle Gewalttaten verantwortlich sein sollen. Dabei habe man auch bereits einen Haftbefehl für einen Mann ausgestellt, welcher einer Vergewaltigung beschuldigt wird.

Die ukrainischen Behörden arbeiten auch eng mit den Vereinten Nationen zusammen, um den Überlebenden solcher Gräueltaten Hilfe und Unterstützung bieten zu können. Sie sollen aber auch bei der Aufklärung dieser Taten helfen, damit man entsprechende Gerichtsprozesse gegen die Täter vorbereiten könne.