UNGARN: 35'000 erwartet, und 200'000 kamen zur Budapest Pride

UNGARN: 35'000 erwartet, und 200'000 kamen zur Budapest Pride
Es hätte wohl kaum ein eindrücklicheres Statement gegen die Politik von Viktor Orban geben können: Gegen 200'000 Menschen trotzten dem Verbot und reisten in die ungarische Hauptstadt um an der Budapest Pride teilzunehmen. Auch die Schweizer Botschaft in Ungarn setzte ein Zeichen für die Solidarität mit der LGBTI+ Community.

Wieviele es tatsächlich waren, sei schwierig einzuschätzen, heisst es von den Veranstaltenden, denn es kamen schlicht noch nie so viele Menschen an eine Budapest Pride wie zur 30. Jubiläumsausgabe am Samstag. Zwischen 180'000 und 200'000 LGBTI+ und ihre Allies aus ganz Europa sind es wohl gewesen, erwartet hatten sie eigentlich "nur" 35'000 Teilnehmende. Sie alle folgten dem Ruf nach Unterstützung und Solidarität, da die Pride zuvor durch die Politik verboten wurde, und schliesslich auch die Polizei ein Verbot aussprach.

Sie alle liessen sich nicht einschüchtern, weder durch das Verbot, noch durch die Androhung von Strafen. Sie reisten nach Budapest um gegen die queerfeindliche Politik der Regierung zu demonstrieren, aber auch direkt gegen Viktor Orban. So erklärten auch viele ganz offen, dass es bei dieser Demonstration längst nicht mehr nur um die Rechte queerer Menschen geht, sondern um die Rechte aller Ungar:innen. 

Unterstützung erhielten die Demonstrierenden auch aus der Politik: Bürgermeister Gergely Karacsony etwa hat sich von Beginn an klar auf die Seite der LGBTI+ Community gestellt und stets öffentlich unterstrichen, dass die Pride auch in diesem Jahr stattfinden werde. Demonstrativ liess er auch diesmal wieder Regenbogenfahnen am Rathaus von Budapest hissen. Er machte zudem die Stadt kurzerhand zu einer Mitveranstalterin, um mit diesem Trick das Bewilligungsverfahren zu umgehen. Die Polizei verweigerte aber trotzdem die Bewilligung und verbot die Veranstaltung bereits Tage vor dem 28. Juni. Doch auch Karacsony liess sich nicht einschüchtern und führte selber mit anderen oppositionellen Politiker:innen die Pride an. 

Auch rund 70 Europapolitiker:innen reisten extra in die ungarische Hauptstadt um für die Rechte queerer Menschen einzustehen. Zudem war auch Hadja Lahbib, die EU-Kommissarin für Gleichberechtigung, vor Ort, sowie Bürgermeister:innen von zahlreichen europäischen Grossstädten. Sie alle forderten die EU-Kommission, sowie andere Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union auf, endlich die nötigen Massnahmen zu ergreifen um Orban in seine Schranken zu weisen. Auch die Schweizer Botschaft nahm an einem offiziellen Anlass des Bürgermeisters teil, um als Diplomaten für Gleichstellung einzustehen. 

Ob den Teilnehmenden der Budapest Pride Strafen drohen, ist bislang nicht bekannt. Laut einem vor kurzem verabschiedeten Gesetz darf die Polizei neu auch Gesichtserkennungssoftware einsetzen. Dass aber entlang der Pride-Route kurz vor dem Anlass Kameras installiert wurde, dürfte wohl eher ein Einschüchterungsmanöver gewesen sein. Doch trotzdem dürften laut dem neuen Gesetz Strafen von bis zu 200'000 ungarischen Forint, rund 480 Schweizer Franken, ausgesprochen werden. Die Polizei selber hat sich aber zurückgehalten. Orban hat im Vorfeld angekündigt, dass es rechtliche Konsequenzen für die Teilnehmenden geben könne, bis hin zu Gefängnisstrafen. Die Polizei werde aber die Demonstration nicht auflösen.

Ob Orban die europäische Kritik an der Pride nützen oder schaden wird, muss sich weisen. Im kommenden Frühling sind Wahlen in Ungarn und Orban will mit seiner feindlichen Politik insbesondere auch bei den konservativen Wähler:innen punkten. Sicher war die Pride nun aber ein herber Rückschlag für ihn, denn weder das Gesetz noch das Pride-Verbot durch die Polizei konnte die Demonstrierenden davon abhalten. Dass sie mit gegen 200'000 Teilnehmenden sogar die kühnsten Träume der Veranstaltenden übertroffen haben, ist ein zusätzlicher Tiefschlag für Orban.

Dies nützte auch sein politischer Gegenspieler Magyar aus, der sich zwar in Bezug auf die Pride-Debatte bislang ziemlich bedeckt hielt, da auch er bis zu einem gewissen Grad auf die konservativen Wähler:innen angewiesen ist. Bei Facebook schrieb Magyar einzig, dass das Verbot Orbans zu einem mächtigen Eigentor für seine Politik geworden sei.