WIRTSCHAFT: Vernichtender Bericht über angebliche Arbeitsbedingungen bei Grindr
Es sind happige Vorwürfe, welche das Bureau of Investigative Journalism (TBIJ) in einem Bericht veröffentlicht hat, welcher sich mit den angeblichen Arbeitsbedingungen bei Grindr, Bumble und Match Group befasst. So sollen die Mitarbeitenden dieses Unternehmens, zu dem auch Tinder und Hinge gehört, häufig unter Depressionen, Angstzuständen und unter posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leiden, heisst es im Bericht. Ein Mitarbeiter soll sogar mehrere Suizidversuche unternommen haben.
Es seien vor allem unangemessene Zielvorgaben in den Moderationsteams, welche bei Mitarbeitenden zu psychischem Stress führen. Entsprechende Meldungen würden einfach ignoriert. Wie ein Mitarbeitender gegenüber TBIJ erklärt, habe man manchmal weniger als eine Minute Zeit um zu entscheiden, ob ein Profil bei Grindr gesperrt werden soll oder nicht. Die Teams seien zudem häufig unterbesetzt, und statt mehr Personen einzustellen sei der Druck erhöht worden um noch bessere Zahlen zu erreichen, erklärte etwa eine britische Mitarbeiterin von Bumble.
Diese Unterbesetzung könne auch zu Fehlern etwa bei Missbrauchsberichten führen, was laut dem Bericht wiederum dazu führen kann, dass Personen, welche sexuelle Belästigungen oder Übergriffe melden, in grosse Gefahr bringen könne. So erklärte ein Grindr-Mitarbeitender, dass sein Moderationsteam manchmal Fehler gemacht habe, welche mit mehr Personal hätte vermieden werden können.
Die psychische Belastung beim Moderationsteam sei enorm, müssen die Mitarbeitenden doch auch mit Fällen von Missbrauch, LGBTI+ Feindlichkeit, Kindesmissbrauch und anderem schändlichen Verhalten umgehen können. Dies verschärfe das Problem des ohnehin vorherrschenden Zeitdrucks weiter. Es kam vor, dass an einem Tag gleich drei Mitarbeitende einfach gingen, weil sie mit der Situation nicht mehr umgehen konnten, wird ein Mitarbeitender zitiert.
Laut dem Bericht des TBIJ soll auch ein Bewertungssystem eingeführt worden sein um die Effizienz zu fördern. Dabei müsse man stets einen Prozentsatz von mindestens 92 Prozent einhalten, andernfalls würden Sanktionen drohen. Ein Mitarbeitender von Hinge führte im Bericht dazu aus, dass man sogar gefeuert werden konnte, wenn man unter 85 Prozent fällt. Zwar gab es Möglichkeiten, diesen Schnitt zu erhöhen, doch dabei sei auch die Gefahr grösser geworden, etwas falsch zu machen.
Die Moderation der Inhalte auf der Plattform habe Grindr zudem grösstenteils an PartnerHero ausgelagert. Dieses Unternehmen rekrutierte viele Mitarbeitende in Honduras und bezahle ihnen nur gerade 700 Dollar pro Monat. Diese schlechte Bezahlung trage ebenfalls zu psychischen Problemen vieler Mitarbeitenden bei, heisst es im Bericht weiter. Gerade die offenbar schlechte Bezahlung der Mitarbeitenden ist daher stossend, da Grindr durch seinen Börsengang Rekordgewinne erzielen konnte. Auch die im August veröffentlichten Zahlen zeigen, dass das Geschäft äusserst erfolgreich läuft.
Zahlreiche Angestellte in den Moderationsteams beklagen zudem, dass es ihnen auch an psychischer Unterstützung fehle. So hat das Bureau of Investigative Journalism (TBIJ) mit 40 Mitarbeitenden Interviews durchgeführt, davon waren 14 früher für Grindr tätig. Praktisch alle gaben an, dass sie während ihrer Zeit im Unternehmen unter Stress und posttraumatischen Belastungsstörung gelitten haben.
PartnerHero erklärte gegenüber TBIJ, dass alle Mitarbeitenden des Grindr-Teams in Honduras Zugang zu psychologischer und medizinischer Betreuung hätten. Zudem gebe es auch ein Hilfsprogramm, welches den Moderator:innen angeboten werde.
Bereits im Sommer kamen Berichte an die Öffentlichkeit, wonach die Stimmung und das Arbeitsklima bei Grindr enorm belastend sein soll. So wurde bekannt, dass sich die Mitarbeitenden gewerkschaftlich zusammengeschlossen haben. Im September haben zudem offenbar fast die Hälfte der Mitarbeitenden gekündigt.