HISTORY: Das tödliche Feuer in einer Queer Bar in New Orleans vor 50 Jahren
Nach den Stonewall Unruhen in New York im Jahr 1969 sah sich die LGBTI+ Community in den ganzen USA beflügelt und in immer mehr Städten wurden Bars und Lokale explizit für queere Menschen eröffnet. So auch in New Orleans. Alleine im Jahr nach Stonewall kamen insgesamt fünf Queer Bars in der Stadt neu dazu, zuletzt die UpStairs Lounge im Armenviertel Iberville im berühmten French Quarter, welche an Halloween ihre Türen erstmals öffnete. Da die Bar im Gegensatz zu den meisten anderen Lokalen auch People of Color, lesbische Frauen und trans Menschen willkommen geheissen hat, wurde sie schnell zu einem der beliebtesten Treffpunkte für die Community in der Stadt.
Durch dieses florierende Nachtleben und die Offenheit wurde New Orleans zudem schnell ein Anziehungspunkt für die LGBTI+ Community des gesamten Südens der USA. Die UpStairs Lounge fungierte dabei auch als Safe Space und Rückzugsort für viele queere Menschen aus anderen, vor allem konservativeren Teilen des Landes. Obwohl die Polizei auch in New Orleans immer wieder Razzien in queeren Bars und Clubs durchführte, so blieb die Lounge stets unbehelligt.
Ein Grund dafür dürften etwa die Hausregeln gewesen sein, welche in der UpStairs Lounge gegolten haben. So waren sexuelle Aktivitäten oder das Anbieten von sexuellen Dienstleitungen strengstens verboten und führten umgehend zum Rauswurf. Weiter waren die Gäste auch angewiesen, nicht an politischen Diskussionen oder Demonstrationen mitzumachen - zumindest nicht im Namen der Bar.
Am 24. Juni 1973 fand in der UpStairs Lounge einmal mehr ein "Beer Bust" statt. Während zwei Stunden konnten die Gäste für nur einen Dollar so viel Bier trinken, wie sie wollten. Aus diesem Grund war das Lokal sehr voll, und einige der Besucher:innen waren auch stark alkoholisiert. Ein Gast namens Roger Dale Nunez schloss sich dabei in einer Toilettenkabine ein und belästigte dabei - auch durch die Tür - immer wieder andere Gäste. Als Michael Scarborough diesen Vorfall dem Kellner und dessen Aushilfe gemeldet hat, wurde der Gast aus der Toilette geholt und aufgefordert zu gehen. Doch statt sich daran zu halten, beschimpfte er stattdessen Scarborough aufs übelste, worauf dieser dem stark alkoholisierten Gast ins Gesicht schlug. Während der ausfällige Mann darauf aus der Bar begleitet wurde, soll er gedroht haben, dass "alle brennen werden" und dass er "die Bar niederbrennen werde".
Praktisch zeitgleich machte auch ein Gast namens David Dubose auf der Toilette sexuelle Avancen gegenüber Steven Duplantis, einem weiteren Gast. Auch Dubose wurde darauf der Bar verwiesen, da er gegen die geltenden Hausregeln verstossen hat.
Kurz vor 20 Uhr abends klingelte es an der Tür der UpStairs Lounge, welche sich im ersten Stock eines Gebäudes befand. Normalerweise waren es die herbeigerufenen Taxifahrer, welche diese Klingel betätigten. Da aber niemand ein Taxi gerufen hat, forderte ein Barmitarbeiter einen Gast auf, zur Türe zugehen und den Taxifahrer wieder wegzuschicken. Was niemand in der Bar wusste: Die Treppe zur Bar brannte bereits lichterloh und als der Gast die Türe öffnete kam es zu einer Rauchgasexplosion und die Flammen breiteten sich wie ein Feuerball rasch im Lokal aus.
Panik machte sich breit. Ein Kellner versuchte die Gäste zu einem nicht beschrifteten Notausgang zu führen, doch aufgrund des Tumults und des Lärms hörten ihn nur die wenigsten. Einige der Gäste versuchten über die Fenster zu den Fluchtreppen oder ins Freie zu gelangen, und wiederum andere waren bereits völlig von den Flammen eingeschlossen. Die herbeigerufene Feuerwehr und die Rettungskräfte konnten den Brand zwar innerhalb einer halben Stunde unter Kontrolle bringen, doch für viele der Gäste kam jede Hilfe zu spät. Ingesamt kamen 28 Männer und eine Frau in der Bar ums Leben. Drei weitere Männer verstarben Tage später aufgrund ihren schweren Verletzungen in den Spitälern. Damit erhöhte sich die Zahl der Todesfälle auf insgesamt 32. Rund dreissig weitere Personen erlitten teils schwere Verletzungen. Da nur die wenigsten Ausweispapiere bei sich trugen, auch zum eigenen Schutz bei einer anfälligen Razzia durch die Polizei, war die Identifizierung der Opfer äusserst schwierig.
Anfänglich ging die ermittelnde Polizei nicht von Brandstiftung aus, obwohl die meisten der befragten Gäste dies als Ursache nannten. Erst als leere Dosen eines Mittels gefunden wurde, welches man damals zum Auffüllen von Feuerzeugen benutzte, änderten die Untersuchungsbehörden ihre Ansicht. Da aber keinerlei Fingerabdrücke gefunden wurden, war es schwierig die Täter zu ermitteln. Durch die Befragung von überlebenden Besucher:innen rückten schliesslich zwei Personen als Tatverdächtige in den Fokus: Roger Dale Nunez und David Dubose.
Während Dubose ein Alibi hatte, konzentrierten sich die Ermittlungen danach vor allem auf Nunez. Er legte aber nie ein Geständnis ab, obwohl viele Indizien und auch ein Lügendetektortest gemäss den Akten nahelegten, dass er wohl etwas damit zu tun hat oder zumindest mehr über die Tat weiss. Im November, rund anderthalb Jahre nach dem Brandanschlag, nahm sich Nunez das Leben. Zuvor erhielt er die Diagnose Hirntumor, er litt immer häufiger an epileptischen Anfällen, und er haderte mit seiner Homosexualität, weshalb er rund ein halbes Jahr vor seinem Suizid eine Frau heiratete. Es folgten jahrelange Untersuchungen und die Einvernahme von zahlreichen Zeugen und Bekannten aus dem Umfeld des Tatverdächtigen.
Erst im Jahr 1980 vernahmen die Ermittlungsbehörden von ihren Vorgesetzten, dass sie den Fall aufgrund von fehlenden Indizen zu den Akten legen sollen. Dabei wurde Nunez als wahrscheindlichster Tatverdächtiger genannt, und dass das Feuer vermutlich auf Brandstiftung zurückzuführen sei. Aufgrund fehlender Sachbeweise, sei dies aber rechtlich nicht eindeutig erwiesen. Erst Jahre später gestanden Freunde aus dem Umfeld des verstorbenen Roger Dale Nunez, dass dieser ihnen im betrunkenen Zustand mehrfach die Tat, aber ohne Tötungsabsichten, gestanden habe. Sobald er aber wieder nüchtern war, verneinte er die Brandstiftung erneut.
Einige Medien berichteten mit reisserischen Titeln über die Brandkatastrophe in der UpStairs Lounge und verhöhnten gar die Opfer. Es gab auch anonyme Anrufer, welche sich aus LGBTI+ Feindlichkeit für die Tat bekannten und mit weiteren Anschlägen auf die Community drohten. Obwohl die Ermittlungen erst rund sieben Jahre nach der Tat eingestellt wurden, berichteten die meisten Medien nur gerade wenige Tage nach dem Feuer über den Brand und stellten danach die Berichterstattung vollständig ein.
Für die Überlebenden und die Hinterbliebenen war die Zeit nach der Tat äusserst schwierig. Etliche Kirchgemeinden weigerten sich aufgrund von Queerfeindlichkeit Gottesdienste oder Begräbnisse für die Opfer abzuhalten. Aber auch einige Angehörige weigerten sich, die Beerdigungen zu organisieren. Drei Leichen galten zudem als nicht zu identifizieren und die Behörden weigerten sich, diese zur Beerdigung durch Freunde freizugegeben. Sie unternahmen zudem auch kaum Anstrengungen um Verwandte und Familien zu finden. Diese Opfer wurden schliesslich auf namenlosen Gräbern auf dem Armenfriedhof der Stadt beerdigt. Die Familien erfuhren schliesslich erst 2015 von diesen Geschichten, welche ihre Angehörigen betrafen, und machten sich seither auf die Suche nach den Überresten.
Die Hinterbliebenen, wie auch die Überlebenden warfen der Polizei dabei auch LGBTI+ Feindlichkeit bei den Ermittlungen vor. Zeitungen nannten etwa die Namen der Verletzten, was dazu führen konnte, dass sie ihre Jobs oder ihre Wohnungen verloren haben. Sowohl die Stadtregierung, wie auch die katholische Kirche haben sich im Nachhinein für ihr Verhalten nach dem Brand öffentlich entschuldigt.
Der Brand in New Orleans war bis zum 12. Juni 2016 der tödlichste Angriff auf die LGBTI+ Community in den USA. An diesem Tag fand das Attentat auf den Pulse Nightclub in Orlando statt bei dem 49 Menschen ums Leben kamen.
Bild Mitte: © Deisenbe, 2019 / Ort der ehemaligen UpStairs Lounge in New Orleans / Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International
Brauchst Du Hilfe und möchtest Du mit jemandem sprechen? Hier findest Du Hilfe:
Die Schweizer LGBT+ Helpline steht Dir unter der Nummer 0800 133 133 kostenlos zur Verfügung. Mehr Infos: lgbt-helpline.ch
Weitere Information erhältst Du auch unter:
Du-bist-du.ch: Beratung und Information
Milchjugend: Übersicht über queere Jugendgruppen
Transgender Network Switzerland: Dachorganisation für trans Menschen
LOS: Lesbenorganisation Schweiz
Pink Cross: Dachorganisation schwuler und bisexueller Männer