HISTORY: Gute Miene zum bösen Spiel bei Chinas Parteiführung

HISTORY: Gute Miene zum bösen Spiel bei Chinas Parteiführung
Ein stark verbreitetes Wort, welches mit einer neuen Bedeutung für viele die Welt bedeutet: Unter Kommunisten, Sozialisten, aber auch unter Sozialdemokraten ist das Wort „Genosse“ noch immer verbreitet, so auch in China. Dort hat das chinesische Äquivalent „Tongzhi“ aber seit den späten 1980er Jahren eine neue Bedeutung erhalten, was der Führung in Peking alles andere als recht ist...

Gute Miene zum bösen Spiel, so lässt sich die Haltung der chinesischen Führung in Peking derzeit am besten umschreiben. Da Tongzhi durch die wirtschaftliche Öffnung des Landes an Bedeutung verlor, hat die Kommunistische Partei eine neue Initiative lanciert, um das Wort wieder als offizielle Anredeform innerhalb der Partei populärer zu machen. Man solle das Wort Tongzhi, auf Deutsch äquivalent mit Genosse oder Kamerad, weiterhin gebrauchen, heisst es von der politischen Führung, denn das Wort stellt quasi alle Parteimitglieder auf eine Ebene. Titel und Ehrungen fallen weg, und es ist zudem geschlechtsneutral und demokratisch. Doch es war nicht zuletzt auch ein Versuch, um die Bedeutung quasi wieder zurückzuerobern.

Tongzhi steht im Mandarin für Genosse, und bedeute soviel wie der gleiche Wille, die gleiche Absicht. Das Wort geht bis auf die Qin-Dynastie zurück, die erste Dynastie des chinesischen Kaiserreichs in den Jahren 221 bis 207 vor Christus. Grosse Bedeutung erhielt Tongzhi aber vor allem durch die Kommunistische Partei, welche 1921 gegründet wurde und 1949 zur herrschenden Partei Chinas wurde. Doch je besser es der chinesischen Wirtschaft ab den späten 1970er Jahren lief, und je mehr man sich gegen den Westen hin öffnete, desto mehr begann auch die Bedeutung des Wortes Tongzhi zu schwinden.

In der Zwischenzeit hat der Begriff aber eine weitere Bedeutung dazu gewonnen: Der Hong Konger Kolumnist und Veranstalter des lokalen Lesbian and Gay Film Festivals hat Tongzhi 1989 erstmals in den Zusammenhang mit Homosexuellen gestellt. Das Wort wird als positiv angesehen, und es ist zudem geschlechtsneutral. Es ist zudem nahe am Begriff Tóngxìngliàn, was sexualwissenschaftlich homosexuell heisst. Tongzhi als Wort für Homosexualität wurde darauf erst in Hong Kong, und dann auch in Taiwan äusserst populär. Schliesslich schwappte dieser Wortgebrauch auch auf Festland-China über.

Dort versucht sich aber zumindest die politische Führung des Landes dagegen zu stemmen. Chinas wichtigstes Wörterbuch, das Xiandai Hanyu Cidian, vergleichbar mit dem Duden hierzulande, anerkennt die Definition für Homosexualität nicht, sondern führt nur das Wort Genosse als Deutung auf. Auch Baidu, die wichtigste Suchmaschine für die chinesische Sprache, blendet diese Bedeutung aus. Einzig Google Translate übersetzt den Begriff Tongzhi Guanxi mit Gleichgeschlechtlicher Beziehung.

Tongzhi hat sich heute trotz all dieser Hindernisse zum geläufigsten Ausdruck für die gleichgeschlechtliche Liebe im Chinesischen entwickelt. Und da die Kommunistische Partei dieses Wort wieder verstärkt für sich in Anspruch nehmen wollte, halfen sie wohl unfreiwillig dabei mit, Homosexualität in der Öffentlichkeit zu thematisieren und damit die Sichtbarkeit im alltäglichen Sprachgebrauch zu fördern. Tongzhi wurde damit nämlich längst nicht nur ein Wort für Homosexualität, sondern es wurde auch zu einem Begriff, mit welchem sich LGBTI+ einerseits selber identifiziert, aber auch womit andere ihre Solidarität oder ihre Unterstützung für die Community zeigen können.