SCIENCE: Mehr als Freunde…
Lange haben sich die Wissenschaftler schwer getan, von Homosexualität bei Tieren zu sprechen – doch in den vergangenen Jahren wurde die Forschung in diese Richtung intensiviert, und die Sichtweise, wie auch die Wortwahl bei der Dokumentation wurde angepasst. Dabei hat bereits Aristoteles vor rund 2300 Jahren erstmals von gleichgeschlechtlichen, sexuellen Vorlieben geschrieben, und zwar beobachtete er dieses Verhalten bei Hyänen. Doch, dabei war er wohl eine Ausnahme, da er dieses Verhalten beim Namen nannte. Wissenschaftler versuchten jedenfalls lange homosexuelles Verhalten zu negieren.
Dies zeigt sich unter anderem am Beispiel der Giraffe: So sprach man früher bereits von „sexuellem Interesse“, wenn eine männliche Giraffe ein Weibchen beschnupperte, man bezeichnete es aber als „Revierkampf“, wenn ein Männchen ein anderes Männchen bestieg und es gar zu einer Ejakulation gekommen ist. Homosexualität durfte – da wider der Natur – einfach nicht sein. Diese Ansichten haben sich heute glücklicherweise radikal geändert. Wissenschaftliche Studien gehen etwa bei den Giraffen davon aus, dass 94 Prozent aller Tiere homosexuelles Verhalten an den Tag legen. So haben Giraffen eine besondere Form des Flirtens, das „Necking“, sprich, sie stehen Seite an Seite und reiben sich die Hälse aneinander, am Körper, am Kopf, an den Beinen. Dies kann manchmal bis zu einer Stunde dauern, und nicht selten endet das Ganze gar beim Sex und beim Orgasmus. Dies wurde aber nicht etwa nur dann beobachtet, wenn zwei Männchen zusammen sind und kein Weibchen in Sichtweite war, nein, auch wenn ein Weibchen dabei stand, haben sich männliche Paare mit „Necking“ beschäftigt.
Auch in Bezug auf Schafe wurde Homosexualität lange verschwiegen: Wenn zwei Widder übereinander herfielen war die Rede von „Dominanzverhalten“. Heute gehen Wissenschaftler aber davon aus, dass ein Widder von zehn tatsächlich schwul ist.
Nicht ganz so hoch wie bei den Giraffen ist er Anteil bei den Grossen Tümmlern: Forscher sprechen von rund drei Vierteln der Tiere dieser Delphinart, welche in gleichgeschlechtlichen Beziehungen leben – manche nur zeitweise, andere gar ihr Leben lang. So haben Wissenschaftler unter anderem auch eine lange Trauerphase beim Tod eines gleichgeschlechtlichen Partners beobachtet. Die Suche nach einem neuen, männlichen Partner sei dann jeweils schwierig geworden, da die meisten männlichen Delphine bereits in einer Partnerschaft leben. Trifft das Tier aber auf einen anderen Witwer, dann seien die Chancen sehr gut, dass sie auch tatsächlich ein neues Paar werden. Bei weiblichen Paaren von Fleckendelphinen wurde zudem bereits beobachtet, dass sie sich mit der Finne des jeweils anderen Partners sexuell befriedigen. Zudem sind bei Delphinen des gleichen Geschlechts auch schon wahre Gruppenorgien dokumentiert worden – als „Wuzzle“ bezeichnet.
Bei den Vampir-Fledermäusen wiederum gehen die Wissenschaftler von der Hälfte bis zu drei Vierteln aller weiblichen Tiere aus, welche in einer lesbischen Beziehung leben. Dabei legen sie – ihrer Art entsprechend – ein doch eher merkwürdiges Verhalten an den Tag: So beweisen sie sich etwa ihre Zuneigung damit, dass sich gegenseitig Blut direkt ab dem eigenen Körper „spenden“, oder dass sie zuvor geschlucktes Blut herauswürgen und teilen. Es sind dabei Partnerschaften von zehn Jahren und mehr beobachtet worden.
Schwule Tiere können auch das Überleben eines ganzen Rudels begünstigen, so etwa bei Löwen. In der Natur gibt es Beispiele für Rudel mit einer schwulen Doppelspitze, quasi zwei Männchen, welche das Rudel vor Eindringlingen verteidigen - was will Frau also mehr. Die beiden Männchen bekämpfen sich dann nicht als Konkurrenten, wie das eigentlich üblich wäre, sondern, sie gehen eine Beziehung ein.
Die gleichgeschlechtliche Liebe beschränkt sich aber längst nicht nur auf Säugetiere. Bei Pinguinen sind lebenslange, homosexuelle Partnerschaften bestens dokumentiert, so geht man bei Zoopopulationen von fünf bis zehn Prozent aller Tieren aus. Aber auch bei anderen Vogelarten ist gleichgeschlechtliches Verhalten bekannt, so etwa bei Störchen, Geiern oder Flamingos. Im Zoo von Jerusalem etwa leben mit Doschik und Jehuda zwei schwule Geier. Als sich die Zoodirektorin zu einem Versuch durchrang, den Beiden ein brutwarmes Ei unterzuschieben, brüteten es die beiden Männchen tatsächlich aus und zogen den Nachwuchs gemeinsam gross. Bei schwarzen Schwänen in Australien wurde bereits mehrfach beobachtet, dass zwei Männchen in einer Partnerschaft leben und sich quasi einzig für die Fortpflanzung ein Weibchen „an Bord holen“. Dieses legt nach der Befruchtung die Eier und verschwindet dann wieder aus dem Leben der beiden Männchen. Das Paar brütet die Eier dann aus und zieht den Nachwuchs gross. Monogame Beziehung zwischen Flamingos des gleichen Geschlechts sind ebenfalls alles andere als eine Seltenheit. Im Zoo von Edinburgh hat beispielsweise ein schwules Paar sogar ein Kücken, welches von seinen leiblichen Eltern aus dem Nest buxiert wurde, aufgenommen und es quasi als Adoptiveltern grossgezogen. Auch bei anderen Vogelarten wurde beobachtet, dass schwullesbische Paare auch Eier „klauen“ um so selber Junge grosszuziehen.
Bei 85 Prozent von 110 untersuchten Insekten- und Spinnenarten konnte ebenfalls homosexuelles Verhalten festgestellt werden. Die Forscher sind sich jedoch nicht einig, ob es sich dabei um angeborene Homosexualität handelt, oder ob es mehr ein Zufall ist, dass sich gerade zwei Männchen, respektive zwei Weibchen näher gekommen sind. Man kann zwar nicht von Homosexualität sprechen, denn Schnecken sind Hermaphroditen, doch eine kürzlich neu entdeckte Art wurde zu Ehren der gleichgeschlechtlichen Ehe auf den Namen „Aegista diversifamilia“ getauft. Die Entdecker wollten damit unterstreichen, dass diese Art die Verschiedenheit der sexuellen Orientierung bei Tieren repräsentiere.
Homosexualität ist also im Tierreich weit verbreitet und alles andere als eine Seltenheit. Was in der Welt der Tiere jedoch bislang nicht beobachtet worden ist, ist Homophobie – diese bleibt dem Menschen vorbehalten…