Unmasked: "HIV und STI gehen nicht weg, nur weil Corona da ist."
Kannst Du dich selber kurz vorstellen.
Bei der Aids-Hilfe Schweiz arbeite ich als Programmleiter und wir sorgen uns um die sexuelle Gesundheit von schwulen, bi, queeren und trans Männern und überhaupt allen Männern, die mit anderen Männern Sex haben. Ich bin dieses Jahr dreissig geworden und habe mir darum die Haare pink gefärbt, als kleine Bewältigungsstrategie.
Wie bist Du von der aktuellen Lage selber betroffen? Wie gehst Du damit um?
Ich bin im Homo-Office und arbeite von Zuhause. Das ist aber überhaupt nicht effizient. Dauernd gibt es eine Ablenkung. Dafür ist mein Haushalt tiptop im Schuss. Ich habe wohl noch nie so viel staubgesaugt wie jetzt. Ich versuche, von mir nicht mehr zu erwarten. Ich werde also weder einen Gedichtband schreiben noch täglich Sport machen. Es wäre ja auch komisch, in der Krisenzeit plötzlich alles zu schaffen, was einem schon unter normalen Umständen schwer fällt. Immerhin hat Dr. Gay jetzt einen TikTok-Account!
Wie hat sich dein Alltag und auch euer Fokus bei der Aids-Hilfe verändert?
Wir haben innert kürzester Zeit die Informationskampagne "Queerona" aus dem Boden gestampft und damit den April etwas erträglicher gemacht. Unsere Hauptaufgabe ist aber, darauf zu achten, dass wir nicht wegen dem einen Virus alles andere vergessen. Deshalb planen wir gerade eine grosse Test- und Informationskampagne für den Herbst. HIV und STI gehen ja nicht weg, nur weil Corona da ist.
Welchen Herausforderungen müsst ihr euch als Aids-Hilfe neu stellen? So waren ja beispielsweise auch die Checkpoints zeitweise geschlossen.
Die Herausforderung ist für die Test- und Beratungsstellen, einen sicheren Normalbetrieb zu gewährleisten. Sie haben ja auch finanzielle Ausfälle gehabt und können nicht einfach geschlossen bleiben. Dank unserem Lobbying wurden aber Test- und Beratungsstellen rasch wieder vom Schliessungsentscheid ausgenommen und konnten zum Glück öffnen. Auch wenn wir es wegen Corona nicht unbedingt empfehlen: Menschen haben Sex und darum auch das Risiko für eine sexuell übertragbare Infektion. Es ist nicht unsere Aufgabe, jemanden für sein Verhalten zu kritisieren. Wir müssen einfach dafür sorgen, dass Menschen, die einen Test oder eine Beratung brauchen, das auch bekommen.
Was wünscht Du Dir von uns allen und was würdest Du uns gerne mit auf den Weg geben?
Ich mache mir grosse Sorgen um die Zukunft unserer Treffpunkte: Bars, Clubs oder Saunas sind existenziell bedroht. Wenn sie weg sind, wird es nicht einfach neue Angebote geben. Wir müssen unserer Community Sorge tragen und uns gegenseitig unterstützen, wenn es irgendwie geht.