AFGHANISTAN: Taliban gehen offenbar gezielt gegen LGBTI+ vor

AFGHANISTAN: Taliban gehen offenbar gezielt gegen LGBTI+ vor
Rainbow Railroad hilft als aktuell einzige LGBTI+ Organisation vor Ort mit, queere Menschen aus Afghanistan zu evakuieren. Der Leiter der kanadischen Organisation schlägt nun Alarm und spricht von Todeslisten, welche die Taliban führen um damit LGBTI+ im Land aufzuspüren und zu verfolgen. Für queere Afghan:innen wird es immer gefährlicher und sie können sich nicht einmal mehr auf ihre Familien verlassen.

Es sind krasse Schilderungen, welche Kimahli Powell, der Leiter von Rainbow Railroad, im Interview mit France24 macht. Die kanadische Organisation ist derzeit die einzige LGBTI+ Nichtregierungsorganisation, welche noch selber in Afghanistan präsent ist um vor Ort queere Menschen so gut es unter den gegebenen Umständen geht, zu unterstützen. Dies immer mit dem Ziel, möglichst viele in Sicherheit bringen zu können.

Man habe bereits über 700 Anfragen von queeren Menschen in Afghanistan erhalten, welche hoffen, aus dem Land fliehen zu können. Man wisse zudem noch von mindestens 200 weiteren LGBTI+ im Land, welche ebenfalls ausreisen müssen. Man könne jetzt schon sagen, dass die Anzahl Hilfsgesuche in diesem Jahr Rekordhoch sein werden. Normalerweise erhalte man rund 4000 Anträge pro Jahr - weltweit.

Es seien schreckliche Zeiten für queere Menschen in Afghanistan, und viele seien zur Zielscheibe der Taliban geworden. Man sei sich nun sicher, erklärt Powell, dass die Taliban sogenannte Todeslisten führen, mit den Namen jener LGBTI+, welche sie identifiziert haben. Auf die Namen sind sie offenbar gekommen, indem sie Listen von internationalen Organisationen abglichen, auf welchen jene Personen aufgeführt sind, welche man zu evakuieren versucht.

Seit dem Fall von Kabul seien mit dem neuen Regime viele Informationen über Personen ausgetauscht worden. Es sei der internationalen Gemeinschaft aber nicht gelungen, tatsächlich alle Menschen aus dem Land zu evakuieren, welche die Bedingungen dafür erfüllen. Diese, welche sich auf den Listen befinden, aber zurückgeblieben sind, seien daher nun besonders gefährdet. Es würden sogar im Namen von Rainbow Railroad eMails verschickt, um etwa die Passnummern von Betroffenen zu erfragen. Dadurch seien sie darauf aufmerksam geworden, so Powell, dass die Taliban offenbar Listen am Zusammenstellen sind.

Die neuen Machthaber nutzen dabei alle Mittel. Laut Powell kam es auch schon zu einer Razzia in der Wohung eines Rainbow Railroad-Mitarbeitenden. Als sie durch die gefundenen Mobiltelefone herausgefunden haben, dass die Personen queer sind, haben sie deren Pass verbrannt um sie daran zu hindern, das Land zu verlassen. Andere LGBTI+ wurden sogar von den eigenen Familienmitgliedern wegen möglichen, gleichgeschlechtlichen Aktivitäten verraten. Somit können viele nicht einmal mehr auf die Unterstützung ihrer Familie zählen.

Rainbow Railroad wurde 2006 in Kanada gegründet und unterstützt queere Flüchtlinge, und dies selbst in Krisenregionen und unter widrigsten Umständen. International bekannt wurde die Organisation 2017, als es ihnen gelang hunderten Flüchtlinge zu helfen, damit sie vor der brutalen LGBTI+ Verfolgung aus Tschetschenien fliehen konnten. In den vergangenen Monaten hat die Organisation nun jedoch den Fokus verstärkt auf Afghanistan gerichtet.