EUROPA: Gerichtshof tritt auf „Gay Cake“-Fall nicht ein

EUROPA: Gerichtshof tritt auf „Gay Cake“-Fall nicht ein
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am Donnerstag entschieden, dass es nicht auf den sogenannten „Gay Cake“-Fall aus Grossbritannien eintreten wird. Mit diesem Urteil hinterlassen die Obersten Richter nun noch mehr Fragen, was die Beziehung zwischen Religionsfreiheit und den Grundrechten von LGBTI+ betrifft.

Es waren schlussendlich technische Formalitäten, welche dazu führten, dass die Richter des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass sie nicht auf den Fall Lee gegen das Vereinigte Königreich eintreten werden. Sie erklärten ihre Mehrheitsentscheidung so, dass sich Gareth Lee als Kläger bei früheren Gerichtsinstanzen nie auf seine Menschenrechte, welche ihm durch die Europäische Menschenrechtskonvention zugestanden werden, berufen habe. Da er stets nur mit dem nordirischen Anti-Diskriminierungsgesetz argumentierte, habe er bei den nationalen Gerichten nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.

Die Entscheidung ist ein weiteres Kapitel eines bereits seit über sechs Jahren andauernden Rechtsstreit zwischen dem LGBTI+ Aktivisten Gareth Lee und einer christlichen Bäckerei im nordirischen Belfast. Es war im Jahr 2014 als Lee in der Ashers Bakery eine Torte für eine Feier bestellte, nachdem die Nordirische Versammlung kurz zuvor bereits zum dritten Mal ganz knapp die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ablehnte. Auf der Torte wollte er ein Bild von Ernie und Bert von der Sesamstrasse zusammen mit den Worten Support Gay Marriage. Die Ashers Bakery lehnte den Auftrag aber ab, da die Anfrage nicht mit den religiösen Ansichten des Besitzers zu vereinbaren seien.

Gareth Lee sah sich dadurch diskriminiert und zog gegen die Bäckerei vor Gericht. Im Jahr 2015 urteilten sowohl die Richter des Belfast County Gerichts, sowie das entsprechende Berufungsgericht zugunsten von Lee. Die Bäckerei zog den Fall aber bis vor das Oberste Gericht des Vereinigten Königreichs, welches drei Jahre später das Urteil kippte und der Bäckerei Recht gab. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass der Bäcker den Auftrag von Lee nicht aufgrund dessen sexueller Orientierung abgelehnt habe, sondern aufgrund der politischen Ansichten in Bezug auf die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare.

Doch der Prozess war damit noch nicht zu Ende: Diesmal war Gareth Lee an der Reihe und er reichte 2019 eine Beschwerde gegen die Regierung des Vereinigten Königreichs vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg ein. Dieses hat die Beschwerde wie eingangs erwähnt nun aufgrund von Formalitäten abgelehnt und wird sich nicht damit befassen. Damit geht es für Lee wieder zurück vor ein Gericht in Grossbritannien, sofern er dies in Betracht zieht. Laut dessen Anwältin, prüfe man nun sämtliche Möglichkeiten und das weitere Vorgehen.

Die LGBTI+ Organisation QueerSpace, der auch Gareth Lee angehört, zeigte sich frustiert ob der Reaktion der Europäischen Richter. Sie hätten die Kernfrage einfach mit einem Achselzucken abgetan, statt sich damit zu befassen. Es sollte von niemandem erwartet werden, dass er zuerst die Überzeugungen und Ansichten des Besitzers eines Unternehmens herausfinden muss, bevor man einen Laden betritt oder dessen Dienstleistungen in Anspruch nimmt, so Lee. Dieser Fall mache deutlich, mit welchen Herausforderungen LGBTI+ noch heute in Nordirland konfrontiert werden. Das Gericht habe eine Chance verpasst, um die Rechte queerer Menschen zu stärken.

Die Richter des Gerichtshof hielten in ihrer Begründung denn auch fest, dass diese Angelegenheit von grosser Bedeutung und Sensibilität sowohl für die LGBTI+ Community, wie auch für die Glaubensgemeinschaften sei. Dies gelte insbesondere für Nordirland, wo es eine starke Glaubensgemeinschaft gebe, und die Queer Community in der Vergangenheit unter massiver Einschüchterung und Diskriminierung gelitten habe. Dieser Konflikt über die Rechte dieser beiden Gemeinschaften sei schon lange Teil einer öffentlichen Debatte.

Diese Haltung des Europäischen Gerichtshof kritisierten auch zahlreiche andere LGBTI+ Organisationen. So findet das Rainbow Project, dass das Grundrecht der Religionsfreiheit zwar für alle Menschen gelte, doch dies könne nicht auf Unternehmen übertragen und als Rechtfertigung für Diskriminierungen gelten. Die grundlegenden Menschenrechte würden nämlich für Menschen gelten, und nicht für gewinnorientierte Unternehmen.

Dieser Fall sei in Strassburg gelandet, heisst es zudem bei Stonewall UK, weil die Regierung in Grossbritannien nicht in der Lage gewesen sei, Gareth Lee vor Diskriminierung zu schützen. Die Entscheidung, welche das Oberste Gericht des Vereinigten Königreichs fällte, habe zu rechtlichen Unsicherheiten geführt, und mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshof würden diese Unsicherheiten nun leider weiter bestehen bleiben.