POLEN geht auf Konfrontationskurs mit der EU
Das Verfassungsgericht in Polen urteilte, dass gewisse Gesetze der Europäischen Union im Konflikt mit der Verfassung des Landes stehen. Mit Premierminister Mateusz Morawiecki, welcher die Frage durch das Gericht klären lassen wollte, stellt nun erstmals ein Regierungschef eines EU-Mitgliedsstaats die Regel in Frage, dass EU-Recht über Landesrecht steht. Morawiecki stellte sich mit seiner Regierung auf den Standpunkt, dass gewisse Institutionen der Europäischen Union ihre Kompetenzen überschreiten.
Die EU-Kommission reagierte prompt und mit ungewohnt scharfen Worten auf das Urteil. EU-Recht habe Vorrang vor dem nationalen Recht, und dies auch bei verfassungsrechtlichen Bestimmungen. Die Kommission unterstrich weiter, dass die Urteile des Europäischen Gerichtshof zudem verbindlich seien, und zwar für alle Behörden der Mitgliedsstaaten inklusive der nationalen Gerichte. Man werde zudem nicht zögern dies umzusetzen und notfalls mit einer Vertragsverletzungsklage zu reagieren.
Wie die Reaktion aus Brüssel zeigt, wäre damit sogar ein Polexit möglich, ein Ausschluss Polens aus der EU, oder dass sich Polen selber aus der EU verabschiedet. Dass dies durchaus im Bereich des Möglichen liegt, findet auch der Bürgermeister von Warschau, Rafał Trzaskowski. Er kritisiert den auch das Urteil und bezeichnet das Verfassungsgericht als ein Pseudotribunal, welches von Jarosław Kaczyński kontrolliert werde. Kaczyński ist derzeit Vize-Ministerpräsident, war aber auch schon selber Ministerpräsident und gilt via seiner PiS-Partei als Strippenzieher der meisten politischen Entscheidungen in Polen.
LGBTI+ Aktivist:innen befürchten durch das Urteil und durch einen möglichen Polexit, dass das Land noch näher in Richtung Russland rückt, und damit weiter weg von den europäischen Grundwerten. Sie sehen es auch im Hinblick auf die Wahlen in zwei Jahren, dass die aktuelle Regierungspartei, die PiS-Partei, durch die gegenwärtige Politik nur gewinnen könne.
Für die Partei könne es sich nur lohnen Härte zu zeigen und mit dem Polexit zu spielen. Schlussendlich sei es auch ein Test, wie viel Entschlossenheit die EU dabei an den Tag legt, um harte Forderungen zu stellen. Verlierer würden dabei die LGBTI+ Community und andere Minderheiten sein, welche schon jetzt massiv unter der aktuellen Regierung zu leiden haben. Diese Themen eignen sich wieder bestens für Kampagnen um Hass gegen queere Menschen zu verbreiten, und damit die Menschen an die Urne zu locken. Zudem kann damit bestens von den echten Problemen im Land abgelenkt werden.
Polen ist bereits jetzt unter Druck, da die EU durch die sogenannten LGBT Free Zones Hilfsgelder etwa aus dem Coronowiederaufbaufonds zurückhält. Zudem droht auch diesbezüglich eine Vertragsverletzungsklage der EU, da Polen die Grundwerte in Bezug auf Diskriminierung nicht einhält.